- 1960 beginnt meine eigene Erinnerung
- Sorgen und Nöte in der scheinbar heilen Welt
- Interne Interessenkonflikte
- Schausteller zeigen Herz für Kinder
- Führungswechsel im Jahr 1969
- Soziale Projekte
- Fazit Ende 1969
- 35 Jahre Oster-Volksfestplatz an der Constantin Straße
- Kommunionfeier 1981
- Frauennachmittage in Deutz
- Ostergottesdienst ab 1970
- 1980 Gründung der GKS
- 1989 Artikel in „markt + wirtschaft“
- Standortwechsel 1996
Oster-Volksfest von 1950 bis zur Gegenwart.
Im 3. und letzten Teil dieser kleinen Serie wird die Entwicklung des Oster-Volksfestes in Köln erzählt.
Wie bereits erwähnt, startete 1950 das erste große Oster-Volksfest nach dem Zweiten Weltkrieg in der Kölner Messe in Deutz. Nach einem Jahrzehnt an der Messe entschied die Stadt endlich den Schaustellern einen angemessenen Standplatz zur Verfügung zu stellen. Freigegeben wurde der riesige Platz, der vom Druckhaus an der Gummersbacher Straße entlang der Constantin Straße bis zur Bahnunterführung Richtung Messe führte, heutiger Standort von Städtischen Gebäuden und der Lanxess-Arena. Es gab noch keine Straße, die durch das gesamte Gelände führte, und auch der Zubringer zur Autobahn wurde erst 1980 eröffnet. Die Fläche war groß und verkehrstechnisch optimal in die damalige Infrastruktur eingebunden, aber in einem katastrophalen Zustand. Schutt- und Müllberge hatten sich angesammelt. Der Abhang, der den hochgelegenen großen Schienenstrang der Bundesbahn von dem Platz trennte, war zugewachsen mit Sträuchern und Unkraut und diente vielen als freie Müllhalde. Außerdem gab es unzählige Löcher auf dem unebenen Boden, deshalb glich der Platz bei Regen einem riesigen Morastfeld.
Aber dies hielt die „Arbeitsgemeinschaft Kölner Schausteller“ und mit ihnen viele helfende Kollegen nicht ab. Auf eigene Kosten wurde der Müll abtransportiert, der Hang zur Bundesbahn gesäubert und die Löcher auf dem Platz mit Kies gefüllt.
Im Jahre 1960 konnten zu Ostern zum ersten Mal auf diesem Gelände viele Karussells und sonstige Belustigungen aufgebaut werden. Die Besucher aus Nah und Fern strömten nach Köln zu dem großen, neuen und attraktiven Festplatz.
Eröffnet wurde am Ostersamstag und in der Regel am ersten Sonntag nach dem 1. Mai geendet. Manchmal ergab sich eine Spielzeit von fünf Wochen. Irgendwann in den 1980er Jahre wurde ein Zeitraum von 16 Tagen, beginnend mit dem Ostersamstag, festgelegt. Die Öffnungszeiten waren von Beginn an genau einzuhalten, wochentags von 14.00 Uhr – 24 Uhr, samstags und sonntags bereits von 11 Uhr – 24 Uhr. Bis Mitternacht bummelten die Menschen über den Festplatz, konnten Karussell fahren, sich den herrlichsten Gaumenfreuden hingeben und beim Spiel ihr Glück versuchen.
Es begann eine interessante Zeit für die Kölner Volksfestkultur und seine Trägerinnen und Träger, die Schausteller, ohne die dieses große und wichtige Volksgut nicht Jahrhunderte lang überlebt hätte. Bis ins 19. Jahrhundert hatte die Veranstaltung in Köln ‚Oster-Jahrmarkt‘ geheißen, später wurde sie in ‚Oster-Volksfest‘ und ab 1980 in ‚Kölner Frühlings-Volksfest‘ umbenannt.
Da über das Oster-Volksfest in den Jahren nach 1960 außer den überlieferten Protokolle der Schaustellerverbände und einigen Zeitungsartikeln, nichts weiter dokumentiert wurde, möchte ich als Verfasserin dieses Berichtes mit meinen eigenen Erinnerungen beginnen, die vielleicht auch etwas über das Schaustellerleben hinter den bunten Fassaden der vielen wunderschönen Geschäfte verraten werden.
1960 beginnt meine eigene Erinnerung
1960 war ich neun Jahre alt, als der neue Festplatz eingeweiht wurde. Bereits vor der Karwoche hatten die Osterferien begonnen, sodass wir Schaustellerkinder, frei von schulischen Verpflichtungen, nach Herzenslust spielen konnten. Von Beginn an liebten wir diesen Osterplatz. Damals, nach der langen Winterpause, war Deutz so etwas wie Leben auf einem riesigen Abenteuerspielplatz. Auf dem unwegsamen Hang zur Bundesbahn ließ es sich wunderbar herumtoben, trotz Verbot der Eltern bauten wir Höhlen, spielten Verstecken, Cowboy und Indianer und an den Spieltagen liefen wir in kleinen Horden über den Platz und fuhren genau wie andere Kinder begeistert auf den vielen Karussells, die nach Köln gekommen waren. Nach den Ferien begann leider der Ernst des Lebens wieder und unsere Mütter waren froh, endlich wieder „Zucht und Ordnung“ in die Erziehung ihrer Kinder zu bringen.
Als ich während des Schreibens dieses Berichtes meine 14 Jahre jüngere Schwester fragte, welche frühen Erinnerungen sie an den Osterplatz habe, antwortete sie ganz spontan: „An den Berg zu den Bahnschienen, wir haben wir dort immer so schön gespielt.“ Sie erzählte auch, dass dort Rhabarber wuchs, sie hätten ihn ausgerissen und mit den großen Blättern die Jungs bekämpft.
Aber nicht nur die Kinder und die folgenden Jahrgänge liebten das Osterfest, wie die gesamte Veranstaltung bei allen genannt wurde, auch deren Eltern und Großeltern.
Es gab die ersten Ausschanks in Form von Schwarzwaldhäusern. Sie gehörten den Schaustellern von der Gathen, Karl van Hees, später kamen Harry und Ute Bruch dazu. Dort wurden nach Feierabend viele gesellige Stunden verbracht.
Man fühlte sich aber auch wohl im Stadtteil Deutz. Direkt gegenüber dem Festplatz war eine Gastwirtschaft, die „Insel“, die von Schausteller recht oft besucht wurde und wo sie jahrelang gern gesehene Gäste waren. Nur wenige Schritte entfernt gab es den Feinkost-Sartorius, dort wurden kulinarische Wünsche der Schaustellerfrauen erfüllt und die Einkäufe, wenn nötig, zum Platz geliefert. Auch der Einzelhandel auf der fußläufig zu erreichenden „Deutzer Freiheit“, stellte sich sehr schnell auf die Interessen der Schaustellerfamilien ein. Die Bäckerei Hansen lieferte in aller Frühe Brötchen bis an die Wohnwagen. Das Modegeschäft Botex hatte sich reichlich mit den beliebten Stricksachen von Rodier eingedeckt. (Rodier war damals einer der frühesten französischen Stofflieferanten der Luxusmarken und arbeitete mit Coco Chanel zusammen, später auch mit Dior, und bei den Schaustellerinnen sehr beliebt.)
Sorgen und Nöte in der scheinbar heilen Welt
Aber so heil die Welt für uns Kinder und Heranwachsende zu sein schien, war sie für die Arbeitsgemeinschaft der Kölner Schausteller nicht. Nach wie vor waren viele Probleme zu lösen. Anfangs war es nicht so einfach, den großen Platz mit attraktiven Geschäften zu bestücken. Aber schon bald waren Schaustellerfirmen aus ganz Deutschland an einer Teilnahme interessiert. Auch Kölner Schaustellerfamilien modernisierten Anfang der 1960er Jahre ihre Geschäfte oder bestellten bei der Firma Mack oder anderen Herstellern Neuheiten wie den Calypso oder Hula-Hoop (1960), die Sprungschanze (1961), die erste Jaguar Bahn (1962), den Twister 1963, moderne Autoskooter (1960er), die Gokart-Bahn, die Geisterbahn, um nur einige zu nennen. Es gab inzwischen auch sehr schöne Reihengeschäfte.
Bereits 1965, nach nur fünf Jahren, die kaum ausgereicht hatten, den neuen Standplatz so einzuführen und so lukrativ zu gestalten um ihn an die großen Volksfeste andernorts anzuschließen, war wieder ein neuer Festplatz im Gespräch. Erst im Februar war bekannt geworden, dass die Stadt Köln einen großen Teil des Oster-Volksfestplatzes, der Verkehrswacht als Verkehrsübungsplatz vermietet hatte. Die Schausteller waren geschockt, man hatte sie vor vollendete Tatsachen gestellt. Kurz vor Ostern war ohne Vorwarnung überall auf dem bereits verplanten Platz, das Erdreich aufgerissen und begonnen worden, Straßen für die Übungsfahrten der Führerscheinanwärter einzurichten.
Der Kölner Stadt Anzeiger schrieb am 15.04.1965:
„Die Karussells mussten diesmal in großen Pfützen aufgebaut werden.
Kölns Schausteller zum Osterfest verschaukelt?
Undurchsichtiges Spiel der Verkehrswacht — Gefährliche Situationen auf dem Übungsplatz
Auf dem Festplatz am Druckhaus Deutz sind die Vorbereitungen für die große Osterkirmes im vollen Gange. Blitzblank stehen die Schaubuden und Wohnwagen in Reih und Glied. Gerüste wachsen empor, Karussells werden aufgebaut.
Doch die Schausteller sind verbittert. Theodor Rosenzweig (45), Vorsitzender des ambulanten Gewerbes und des Schausteller-Verbandes: „Wir haben das Gefühl, dass man uns vom Deutzer Platz verdrängen will. Das Kölner Oster-Volksfest ist in Gefahr.“ […]
Bei einem Rundgang über das Gelände erklärte Theodor Rosenzweig die Lage.
„Seit Jahren sind wir Ostern auf dem Platz, haben ihn mit vielen Unkosten entrümpelt und populär gemacht. Und jetzt sitzen wir in der Patsche: man hat uns so wenig Raum gelassen, dass wir rund 200 Fahrzeuge nicht unterbringen konnten und auf weit entfernten Parkplätzen abstellen mussten.
Diese zusätzlichen Wege kosten uns Zeit und Geld. Dazu lässt die Verkehrswacht auf einem Teil des Geländes ihren Übungsbetrieb weiterlaufen.
Das kann bei vielen Kinder und Menschen hier zu skandalösen Unfällen führen. Wir glauben fest, dass diese unglückliche Regelung nicht mit dem Einverständnis der Polizei getroffen worden ist.“
„[…] Bei den Verhandlungen mit der Stadt Ende Februar, hat man uns einen großen Teil des Geländes schon gar nicht mehr überlassen. Von der Stadt wurde obendrein vertraglich festgelegt, dass wir der Verkehrswacht ein Entgelt zu zahlen haben.“
Theodor Rosenzweig: „Es ist uns unerklärlich, warum man den Übungsbetrieb während des Volksfestes weiterlaufen lassen will. Das kann nicht gut gehen. Schon gestern bekam einer der Anfänger, als er vom Übungshügel herunterrollte, die Kurve nicht und fuhr in den Schotter dicht an der Absperrung. Vielleicht hätten da Kinder stehen können.“
Auf den Vorschlag der Arbeitsgemeinschaft Kölner Schausteller gegenüber der Verkehrswacht, den gesamten Übungsplatz für die Kirmestage freizugeben, war gar keine Antwort erfolgt. So konnten laut Zeitungsbericht 30 interessierte Unternehmen nicht untergebracht werden. Weiter war in gleichen Artikel zu lesen:
„Wir zahlen so viel Steuern und haben noch nicht einmal einen anständigen Festplatz“, schimpft Theo Rosenzweig und weist nach draußen: „Auf der Seite nach der Constantin Straße hin liegt ein Schutthaufen neben dem anderen. Das ist für uns zusätzlicher Platzverlust. Und das sieht schlecht aus. Das Liegenschaftsamt hatte uns versprochen, den gesamten Bauschutt wegfahren zu lassen und den Platz überall befahrbar zu machen. Bis heute ist noch nichts geschehen. Welches Bild soll unser Publikum eigentlich bekommen?“
Abschließend meinte Otto Milker: „Wir möchten einen festen Platz, auf dem alles seine Ordnung hat und wo wir eine Heimat haben. Gegenüber anderen Städten ist die Haltung Kölns zum Volksfest beschämend.“ Von GERD ROHN
Diese Haltung wurde noch unterstützt durch einen großaufgemachten Bericht im Kölner Express vom 26. April 1965. Die Überschrift lautete: „Zigeuner wollen nach Mengenich“
Die Leser verbanden diese Headline sofort mit den Schaustellern und den aktuellen Berichten zu dem Oster-Volksfest.
Beherzt schrieb Käthe Rosenzweig, Ehefrau von Theo Rosenzweig, folgenden Brief an die Redaktion:
Wir begrüßen es einerseits, dass EXPRESS, unter der Schlagzeile “raus aus dem Schlamm“ sich um das Schicksal von Menschen kümmert, die auch heute noch unter menschenunwürdigen Bedingungen hausen müssen.
Wir verwehren uns aber andererseits ganz entschieden dagegen, dass in Ihrem Bericht vom „Schicksal der Zigeuner und Schausteller“ die Rede ist.
Wir Schausteller sind fast ausschließlich alte Kölner Mitbürger, die mit dem Begriff „Zigeunern überhaupt nicht das Geringste gemein haben.
Wir würden es begrüßen, wenn Sie auch in künftigen Berichten dem Schaustellergewerbe, das nur derjenige ausüben darf, der einen festen Wohnsitz hat, über einen Gewerbeschein verfügt und — wie wir es tun — pünktlich seine Steuern zahlt, die Achtung zuteilwerden lassen, die es verdient.
KÄTHE ROSENZWEIG
Interne Interessenkonflikte
Es kamen noch andere Sorgen und Ärgernisse für die Veranstalter hinzu, denn intern gab es auch manche Interessenkonflikte zu bewältigen, wie die zahlreichen, bereits erwähnten, originalen Protokolle dieser Zeit belegen.
Nicht selten führen Platzierungen unter Kollegen zu Unmut. Denn auf einer guten Veranstaltung gibt es immer gute und weniger gute Standplätze, die einen erheblichen Einfluss auf den Umsatz haben. Niemand der Beschicker hatte – wie auch heute – ein Anrecht auf einen bestimmten Platz, dennoch glauben Schausteller nicht selten an ein gewisses Gewohnheitsrecht.
So konnte die Arbeitsgemeinschaft auch zum Kölner Oster-Volksfest nicht immer die Wünsche eines jeden Einzelnen zur Platzierung berücksichtigen. Der eine wollte nicht gegenüber einem Karussell aufbauen, der andere fand, dass die nächste Schießbude zu nah an seiner eigenen stehen würde, usw.
Seit Menschengedenken gab und gibt es in Führungspositionen Ungerechtigkeiten oder Vetternwirtschaften. Zum Beispiel genossen die Vorstände der beiden Kölner Schaustellervereine als Delegierte für die Arbeitsgemeinschaft viele Privilegien, z.B. sich selbst an lukrativster Stelle zu platzieren, ihre Wohnwagen in unmittelbarer Nähe des Geschäftes stehen zu haben, vorzugsweise als erste an die Strom- oder Wasserversorgung angeschlossen zu werden.
Damals waren die Wohnwagen einiger Familien am Abend hell erleuchtet, Musik klang nach draußen. Andere, selbst Familien mit Kleinkindern, blieben während der Aufbauphase zum Oster-Volksfest tagelang ohne Strom und benötigten am Abend noch das Kerzenlicht oder teilten sich eine provisorische Leitung, um Kühlschränke und die nötigsten Elektrogeräte zu nutzen. Trockner kannte man noch nicht und die Waschmaschinen durften erst nach Anschluss des Geschäftes an die Hauptstromversorgung eingeschaltet werden.
Heute ist die Strom- und Wasserversorgung vor dem Auffahren der ersten Wagen bereits sichergestellt.
Diese vermeintlichen Ungerechtigkeiten führten damals auf den Gemeinschaftsversammlungen zu manch lautstarken und emotionalen Wortmeldung. Aber es wurden auch andere „prekäre Themen“ angesprochen.
Z.B. das Entleeren der Toiletteneimer — ein kleiner runder weißer Emaileimer mit einem breiten Rand und einem Deckel obendrauf, den alle Schausteller, die vor 1960 geboren sind, noch in Erinnerung haben werden. Ähnlich wie im Wohnungsbau gab es bis Mitte der 1960er Jahren nur vereinzelt Toiletten in den Wohnwagen.
Schließlich ging es auf den Versammlungen immer hoch her, wenn Maria Keim, Betreiberin eines Toilettenwagens, mit polternder Stimme ankündigte, dass an allen Tagen, morgens zwischen 10 und 11 Uhr ihr Toilettenwagen geöffnet sei, um die Eimer leeren zu können. Voraussetzung war, dass kein Zeitungspapier benutzt worden war. Außerdem verlangte sie, dass das „wilde Entleeren“ am Hang zum Schienenstrang, endlich nachverfolgt und bei „erfolgreicher Überführung“ mit Ausschluss zur nächsten Veranstaltung bestraft werden sollte. Diese Diskussionen wiederholten sich obligatorisch und wurden von lautem Gelächter begleitet, was Frau Keim meist mehr und mehr erzürnte…
(Nur zur Info: bereits wenige Jahre später hatte der „Eimer“ ausgedient und in den Wohnwagen und Campingwagen waren Toiletten eingebaut.)
Schausteller zeigen Herz für Kinder
Auch andere Themen beschäftigte die Veranstalter: Reinigung des Platzes, Werbung, Feuerwerk, Familientag und vieles mehr. Daneben war der soziale Einsatz der Schaustellerfamilien bemerkenswert.
Am Samstag/Sonntag, den 15./16. April 1967 war im KSTA zu lesen:
„Schausteller luden ein
Ausnahmsweise war auf dem Deutzer Ostervolksfest auch mal morgens Betrieb: Die Schausteller, die schon in der vergangenen Woche Waisenkinder zu Gast hatten, bewirteten jetzt Contergan-Kinder und ließen sie die Kirmes-Maschinen ausprobieren. Und die Polizeikapelle spielte dazu.
In Rollstühlen und Sonderbussen fuhren gestern 130 körperbehinderte Kinder zum Kirmesplatz in Deutz. Die Schausteller hatten sie zu einer kostenlosen Fahrt auf ihren Karussells eingeladen.
Freude auf den Karussells
Den schönsten Tag dieses Jahres verlebten gestern 130 körperbehinderte Kinder der Sonderschule Mommsenstraße auf dem Festplatz in Deutz (Constantin Straße). Zum ersten Mal lud die Arbeitsgemeinschaft der Kölner Schausteller und des ambulanten Gewerbes diese Kinder, ähnlich wie schon seit Jahren die Waisenkinder, zu einer kostenlosen Fahrt auf ihren Karussells ein. Schülerlotsen, Pflegerinnen, Mütter und. Angehörige der Schaustellerfamilien halfen den kleinen Gästen aus ihren Rollstühlen in die Wagen der Kirmeskarussells. Anschließend gab es für alle eine Tüte mit Süßigkeiten, Spielzeug, ein Eis und einen Luftballon. Im nächsten Jahr sollen die Kinder wieder eingeladen werden.“
Auch für das private Leben der Schausteller spielte die lange gemeinsame Zeit auf dem Volksfest in Köln eine wesentliche Rolle. Meist saßen die Schaustellerfrauen bis zum Feierabend an den Kassen oder betrieben die Reihengeschäfte. Die Männer trafen sich an einem der Ausschanks und führten „wichtige geschäftliche Gespräche“. Oft kamen nach Feierabend die Frauen dazu.
Bereits 1968 sollte die Neuheit „Zeppelin“ der Familie Theo Rosenzweig nach Köln geliefert werden. Leider verzögerte sich die Fertigstellung um ein Jahr. Geplant war, hinter dem Hochgeschäft einen Ausschank als Flughafenterrasse anzugliedern. Deshalb wurde die „Flughafenterrasse“ bereits vor dem Eintreffen des Zeppelins in Deutz gebaut und schnell zum Treffpunkt der Schausteller an vielen Abenden bis in die frühen Morgenstunden.
Führungswechsel im Jahr 1969
In der Regel wurden einmal gewählte Vorstandsmitglieder der beiden Mitgliedsvereine per Akklamation in ihren Ämtern bestätigt. Dadurch blieben anderen Kölner Schaustellern, insbesondere der jüngeren Generation beider Vereine, nur die Versammlungen der Arbeitsgemeinschaft als Plattform sich gegen vermeintliche Ungerechtigkeiten aufzulehnen.
Im Jahre 1969 hatte ein Streit zu Karneval jedoch ein Vorstandswechsel herbeigeführt. Josef Schoeneseifen (Vater der Verfasserin) hatte als neuer Fachschaftsleiter der Fachgruppe I, und damit auch als einer der beiden Vorsitzenden der Arbeitsgemeinschaft der Kölner Schausteller, kein leichtes Erbe anzutreten.
Obwohl die Neuwahl vor Beginn der Osterveranstaltung erfolgt war, lagen Planung und Platzzuweisung der einzelnen Geschäfte in diesem Jahr noch in den Händen der bisherigen Leitung der Arbeitsgemeinschaft.
Als Familie Schoeneseifen mit ihrer Jaguar Bahn von der Palmkirmes in Recklinghausen nach Köln zum Oster-Volksfest eintraf, stand auf dem Standplatz, den sie in den vergangenen Jahren innegehabt hatten, direkt an der Unterführung zur Messe, bereits das Konkurrenzunternehmen Hans-Josef Milz mit seinem Musikexpress. Ein Streit zwischen den Geschwistern Hans-Josef Milz und Maria Schoeneseifen (Mutter der Verfasserin) war nicht zu verhindern. Aber an der Tatsache, dass die Jaguar Bahn am anderen Ende des Festplatzes, am Druckhaus eingeteilt worden war, war nichts mehr zu ändern.
Diese Anekdote ist nur ein Beispiel für so manche Rivalität auch innerhalb der Familien.
Soziale Projekte
Aber in sozialen Projekten zogen die Kollegen immer am selben Strang, insbesondere wenn es sich um Kinder oder ältere Menschen handelte, denn auch den Bewohnern einiger Pflegeheime in Köln wurden kostenfrei schöne Stunden auf dem Volksfestplatz ermöglicht. Dies ist darauf zurückzuführen, dass Schausteller und Schaustellerinnen fast immer im Familienverbund arbeiten, die Kinder ihr höchstes Gut sind und auch die Eltern nie direkte Not leiden werden.
1969 berichtete der KSTA über „Kleine Gäste“, die von Volksfest-Attraktionen begeistert waren:
„Wie im Dornröschenschlaf lag am Donnerstag kurz vor 14 Uhr der Ostervolksfestplatz in Deutz. Eine Viertelstunde später war er erfüllt von quirlendem Leben. Die Schausteller hatten mehr als 500 Kölner Heimkinder zu Gast geladen. Die Kleinen enterten mit fröhlicher Behändigkeit die Karussells, Auto-Skooter, Go-Karts und bestiegen mit leuchtenden Augen die Zeppelingondeln der Volksfestattraktionen, die in Deutz Premiere hatten. […] Sie [die Kinder] wurden, nachdem sie alle Fahrten ausgekostet hatten, bewirtet mit Süßigkeiten und bunten Luftballons beschenkt. Es war ein herrlicher Tag für die kleinen Gäste.“
Die Kölner Rundschau berichte sogar von 800 Kindern. Es ist schön dies zu lesen, denn es ist Sinn und Zweck der Volksfestkultur Freude zu den Menschen, insbesondere der Kinder zu bringen.
Freitag,18. April 1969
Die Schwestern freuten sich mit
800 Kinder der Kölner Waisenheime konnten sich gestern Nachmittag nach Herzenslust auf dem Deutzer Volksfest vergnügen. Die Arbeitsgemeinschaft Kölner Schausteller hatte sie zum neunten Male eingeladen. Für die mit Süßigkeiten und Spielzeug beschenkten Kinder wurde wiederum Wirklichkeit, was ansonsten allenfalls im Traume geschieht: Nur einzusteigen brauchten die begeisterten Jungen und Mädchen in die Straßenbahnen, die Sputniks, in die Drehkabinen aller Art, und nach Augenblicken allgemeinen Platznehmens begann sich alles im Kreise zu drehen, ohne dass von Fahrgeld die Rede war. Die Kinder strahlten und jubelten, und ihre Betreuer, die Schwestern, freuten sich mit am Glück ihrer Schützlinge.“
Fazit Ende 1969
Ein Bericht im KSTA gibt einen Gesamteindruck über das Oster-Volksfest 1969
„Deutzer Ostervolksfest: Rekord an Attraktionen
Selten war der Platz am Druckhaus Deutz so ausgefüllt mit Kirmesattraktionen wie jetzt beim traditionellen Ostervolksfest: 150 Schausteller haben hier ihre Fahr-, Schieß-, Wurst-, Glücks- und Unterhaltungsgeschäfte aufgebaut. […] Der Start kündigt sich zum ersten Mal mit einem ausgedehnten Feuerwerk an, […].
Wer ein Kirmesfreund ist, kommt hier auf seine Kosten – gleichgültig zu welchem Jahrgang er gehört. Da ist die Achterbahn, die zu jeder größeren Kirmes einfach dazu gehört, auf der man fast im freien Fall die Kondition des Magens testen kann; die Geisterbahn, die vergnügliches Gruseln bietet, die Überschlagschaukel für Leute, die überschüssige Kraft abreagieren wollen, die Go-Cart-Bahn, wo man sich auf kleinen Flitzern Renn-Illusionen hingeben kann.
Andeutungen von natürlich echt pariserischem Strip fehlen eben so wenig wie Türkischer Honig, Kokosnüsse oder Bratwürste und auch das Bier wird bestimmt nicht knapp werden. An die Rummelplatz-Zeit vergangener Jahre erinnern das schon fast klassische Holzpferde-Karussell und die Super-Orgel, beides Attraktionen, die heute bereits Seltenheitswert haben und in wenigen Jahren wohl nur noch in Museen zu besichtigen sein werden.
Der „Star“ des diesjährigen Ostervolksfestes aber ist zweifellos der „Zeppelin“, schon deshalb, weil es etwas Derartiges bisher noch nicht gegeben hat.
[…] Es gibt auch eine kleine Tierschau, drei elektrische Auto-Scooter, diverse Berg- und Talbahnen, einen Irrgarten aus Spiegeln, indem man immer nur sich selbst sieht, aber nicht den Weg nach draußen, es gibt rollende Tonnen, hydraulische Raketen und jede Menge kleinerer Stände, an denen man sein Glück und auch Genussmittel versuchen kann.“
In den darauffolgenden Jahren waren die Schausteller mit der Stadt Köln und der Verkehrswacht Kompromisse eingegangen und der Platz schien „einigermaßen“ sicher zu sein. Nach wie vor liefen jedoch die Bemühungen, einen für alle Zeiten sicheren und gleichwertigen Platz zu finden.
Als bekannt wurde, dass Theo Rosenzweig, parallel zu seiner Verbandstätigkeit, die Planung für einen festen Vergnügungspark in der Riehler Aue in eigener Regie betrieben hatte, sahen viele Kollegen darin einen Vertrauensbruch und einen Rückschlag für die Bereitstellung eines großen, fest eingetragenen Volksfestplatz seitens der Stadt. Bereits kurz nach dem Fachschaftsleiter-Wechsel im März 1969 hatte die Stadt nämlich dem Antrag von Theo Rosenzweig zur Einrichtung eines Vergnügungsparks — Kölner Tivoli — stattgegeben.
Die Kölner Kollegen waren sich sicher, dass man durch einen Vergnügungspark in Köln die Anträge der Schausteller für einen festen Osterplatz erst mal vom Tisch haben wollte.
Ein kleiner Zeitungsausschnitt aus der Kölnischen Rundschau vom 22.04.1969 berichtet über den Protest der Schausteller. Der Inhalt steht im direkten Zusammenhang mit der Zusage der Stadt für den Vergnügungspark „Kölner Tivoli“.
„Schausteller protestieren
Nachdem gestern Abend beim Volksfest in Deutz die Lichter verlöschten, zogen sich die Schausteller nicht zur wohlverdienten Ruhe in ihre Wohnwagen zurück, sondern veranstalteten eine Protestversammlung [in der Gaststätte Insel]. Sie sind erregt über die (gestern vom Kölner Stadt-Anzeiger veröffentlichten) Pläne, in Köln einen festen Luna-Platz zu installieren. Die Schausteller, denen ein solcher Platz heftige Konkurrenz machen würde, fühlen sich übergangen. „Niemand hat es für nötig gehalten, uns nach unserer Meinung zu fragen“, klagen sie.“ Kölnische Rundschau 22.04.1969
Auch nach Beendigung des Oster-Volksfestes gingen die Verhandlungen für die zukünftige Platzsituation weiter. Man befürchtete, dass das Kölner Volksfest nicht die verdiente Wertigkeit bei den Verantwortlichen der Behörden erhalten würde. Zu wenige wussten vielleicht, dass Köln eine Jahrhunderte alte Tradition im Feiern des Volksfestes zu Ostern aufweisen kann. Dies belegt eine Meldung, in der Vita Annonis, der Lebensbeschreibung des Erzbischofs Anno II von Köln im Jahre 1075, dass das Fest zu Ostern, als ein, in der ganzen Welt berühmter Jahrmarkt bekannt sei und zahllose Völkerscharen aus den entfernteren Provinzen zusammenströmten und dieser Zulauf für die Kölner Anlass zu doppelter Freude‘ gewesen sei. (Vgl. Fuchs, 1990. Bd. I. S. 111)
Der Kölner Stadt Anzeiger schrieb am 04.06.1969:
Für Rummel – Platz gesucht — Schausteller verhandeln mit Stadt
„Die Kölner Schausteller haben Kommunalpolitiker aller Parteien um Hilfe gebeten. Sie suchen einen neuen Platz in Citylage, wo größere Volksfeste stattfinden können. Denn alle fürchten, dass ihnen der Platz in Deutz eines Tages zugebaut wird. ‚Und dann‘, sagt ihr Sprecher Karl Heinz Flohr, ‚stehen wir dumm da‘.
Zwar ist die Wahrscheinlichkeit, dass auf dem Deutzer Festplatz, der auch von der Verkehrswacht genutzt wird, in absehbarer Zeit Häuser errichtet werden, nicht sehr groß.“
35 Jahre Oster-Volksfestplatz an der Constantin Straße
Erfreulicherweise brauchen bauliche Maßnahmen in Köln oft ein wenig länger, sodass dieser Platz an der Constantin Straße tatsächlich 35 Jahre lang als Festplatz den Schaustellern aus Köln und der gesamten Bundesrepublik zur Verfügung stand.
35 Jahre, im Durchschnitt fast ein halbes Menschenleben. 35 Jahre, in denen auch bei den Schaustellern viele Kinder geboren und viele Ältere und leider auch Jüngere gestorben waren.
1984 starb Josef Schoeneseifen. In der darauffolgenden Versammlung wurde Manfred Ramus als Fachschaftsleiter der Fachgruppe I der HAGD zu seinem Nachfolger gewählt und als Vorstandsmitglied der GKS bestellt.
Es gäbe viel über die dreieinhalb Jahrzehnte zu berichten, Schönes, weniges Schönes, Lustiges und Trauriges. Deshalb möchte ich einige private Erlebnisse erzählen, als kleine Hommage an die Menschen, die bereits nicht mehr unter uns weilen.
Dass Kölner gerne feiern, trifft auch auf Schaustellerfamilien zu.
Einige junge Kölner Schaustellerpaare, die Anfang der 1970er Jahre geheiratet hatten, trafen nach Feierabend in einem der neuen Campingwagen zusammen. Sie hörten Musik, manchmal erschütterte der Bass des Dauerbrenners „Wooly Bully“ die nächtliche Ruhe, sie tranken Whisky und konnten am nächsten Morgen natürlich nicht rechtzeitig aufstehen um die Geschäfte wieder fertig zu machen. Dies führte bei einigen Familien zu erheblichem Ärger, insbesondere wenn der Tagesablauf um 8 Uhr in der Früh begann, wie z.B. bei der Familie Schoeneseifen. Es war einer der Nachteile des Familienverbundes der damaligen Zeit, denn auch wenn man verheiratet war, bestimmte der Vater noch, wo es lang ging.
Nachdem die „Flughafenterrasse“ von Rosenzweig nicht mehr gebaut wurde, gab es in den 1970er Jahren einen neuen Treffpunkt nach Feierabend auf dem Festplatz, das sogenannte „Kamelle-Büdchen“ der Familie Milz.
Ein etwas 4-5 Meter großer Wagen, der nach vorne nur mit einer Klappe geöffnet wurde und nach hinter einen kleinen Anbau hatte, etwa 20 qm groß, in dem sich abends zeitweise der halbe Platz einzufinden schien. Über die gesamte Dauer des Osterfestes schenkte dort Doris Milz bis zum Hellwerden Flaschenbier und sonstige Getränke aus. Für eine Theke war der Wagen zu klein. Das „Kamelle-Büdchen“ war jahrelang Kult auf dem Platz und hätte der kleine Wagen erzählen können, hätten sich sicherlich viele Balken gebogen oder wären sogar gebrochen.
In den 1980er Jahren traf sich die nächste Generation, die der unter 20-Jährigen, in Opa’s Kneipe von Lütz. Gleichzeitig bekamen die Jüngeren hier und da die Erlaubnis der Eltern, eine Party in einem der leeren Packwagen zu veranstalten. Wie selbstverständlich fand alles (fast) immer unter den Augen irgendeines Erwachsenden auf dem Platz und nicht irgendwo anders statt. Oft feierten mehrere Generationen zusammen und hörten dieselbe Musik.
1988 kam ein weiterer Ausschank dazu: „Zum Stammtisch“ von Manfred Ramus. In der gemütlichen Stube wies eine Inschrift darauf hin, dass dort meist dieselben Gäste bis in die frühen Morgenstunden tagten.
Kommunionfeier 1981
Ein Ereignis auf dem Oster-Volksfest werde ich nie vergessen. 1981 stand die Erste Hl. Kommunion von unserem Sohn Peter Ramus und seiner Cousine Biggi Milz bevor. Das Geschäft war in Deutz an den Wochenenden immer sehr gut, sodass niemand am Weißen-Sonntag Zeit gehabt hätte zur einer Kommunionfeier zu fahren. Deshalb kam ich auf die Idee das kleine Zelt von der Firma Vosen anzumieten. Wir wollten eine schöne festliche Feier und statteten das Zelt recht exklusiv aus. Ein Stoffhimmel sowie eine umlaufende Wandbespannung ließen die Umgebung mitten auf einem Volksfestplatz vergessen. Runde Tische, feine Stühle und Tischwäsche waren von der Flora, deren Inhaberin eine Internatsfreundin von mir war, ausgeliehen. Dieter Milz hatte einen schönen Bodenbelag besorgt. Für das leibliche Wohl lieferte das Hotel Mondial ein warmes und kaltes Büfett, welches vom Küchenchef und entsprechendem Personal serviert wurde. Ein Alleinunterhalter sorgte für die musikalische Untermalung.
Ihre Erstkommunion empfingen die beiden Kinder gemeinsam in der, dem Mädchen-Internat der Ursulinen angeschlossenen Kirche. Peter war der einzige Junge, dem diese Ehrung zuteilwurde. Nach der Hl. Messe fuhren unsere beiden Familien zum Platz zurück und öffneten zunächst einmal die Geschäfte.
Im Laufe des Nachmittags wechselten die Gäste im Zelt stündlich, so wie es gerade möglich war, das Geschäft zu verlassen und schnell einmal vorbeizukommen um ein Stück Kuchen zu essen. Gegen Abend füllt sich dann das kleine Zelt recht schnell. Als alle Gäste eingetroffen waren, mussten die beiden Kommunionkinder jedoch schon ins Bett.
Die Stimmung war gut. An einem langen Tisch saßen einige enge persönliche Freunde und hatten scheinbar viel Spaß. Zurzeit war der Sekt „Fürst Metternich“ angesagt und an dem Tisch wurde eine Flache nach der anderen serviert. Inzwischen wurde ich schon etwas nervös, ob wir mit unserem Vorrat auskommen würden. Henny und Fredy, Monika und Hardy merkten meine Unruhe und tranken anscheinend immer schneller.
Dann kam der Augenblick und der Fürst Metternich war aus. Die Schadenfreude war nicht zu übersehen! Wie konnte ausgerechnet mir so etwas passieren?
Henny bot an, aus ihrem Wohnwagen einige Flaschen zu holen. Ich nahm dieses Angebot gerne an, nachdem aber auch andere Freunde an diesem Tisch und sogar die Ehrenvorsitzende des Frauenbund Colonia, Grete Baese, Peters Patentante, ihre eigenen Flaschen geholt hatten, war ich den Tränen nahe.
Plötzlich fing die ganze Clique an laut zu lachen. Den ganzen Abend hatten sie durch eine kleine Öffnung in der Zeltwand die Flaschen nach außen transportiert. Jeder der angeblich im Wohnwagen Nachschub holte, war nur um das Zelt herumgegangen und hatte aus dem „Depot“ wieder Flaschen zurückgebracht. Ich hätte sie alle „umbringen“ können.
Irgendwann gegen Mitternacht traf plötzlich ein Kollege mit seiner Trompete ein. Ich hatte mich von der „Fürst Metternich Aktion“ noch nicht ganz erholt und war zuerst ein wenig irritiert. Dann entpuppte sich der späte Gast jedoch als besonderes Bonbon der Feier. Er animierte, gemeinsam mit dem Alleinunteralter, verschiedene Gäste zu musikalischen Beiträgen, die zum Lachen, aber auch teilweise zu Tränen rührten.
Es war ein ausgefallenes, aber wunderschönes Fest. Den letzten Gästen wurde noch ein Frühstück serviert.
Dieser besonderen Feier folgten in den nächsten Jahren eine Vielzahl von Kommunionfeier im Zelt von Vosen. In der Erinnerung kann man diese Kommunionfeiern auf dem Deutzer Platz, durchaus mit den inzwischen in Mode gekommenen Hochzeitsfeiern vergleichen. Es waren damals wie heute unvergessene Erlebnisse.
Frauennachmittage in Deutz
Auch unsere vom Frauenbund Colonia veranstalteten Frauennachmittage gingen in die Geschichte ein.
Anfangs im Zelt von Vosen später auch im Schwarzwaldhaus von Bruch. Unser Vorstand mit Marion Kropp, Elsbeth Kleiner, Kirsten Schmid, „Tante“ Gerda Milz und mir als Vorsitzender hatten in einem Jahr die Idee, eine Modenschau aus den eigenen Reihen anzubieten. Ich fuhr zur Kleiderkammer der Kölner Oper und meine Überredungskünste reichten tatsächlich aus, dort eine Vielzahl an Kostümen der Damengarderobe aus dem 17. Jahrhundert in Paris und der Wiener Mode um die Jahrhundertwende ausleihen zu dürfen.
Als kleinen Höhepunkt hatten wir Theo Rosenzweig, der Jahre zuvor zum Ehrenmitglied im Frauenbund Colonia ernannt worden waren, gebeten, als „Kesse Lola“ aufzutreten. Familie Vosen hatte uns einen kleinen Laufsteg gebaut und jedes Mal, wenn wir wieder hinter den Vorhang verschwanden, wechselten wir schnell die Kleider.
Niemand achtete auf unsere „Kesse Lola“, die ganz ruhig in einer Ecke saß.
Plötzlich erschallte ihre/seine Stimme: „Kinder — ist dat schööön!“
Niemand wäre auf die Idee gekommen, „Onkel Theo“ böse zu sein, weil er uns in Unterröcken gesehen hatte.
Kommen wir noch einmal zurück in den 1970er Jahre.
Da eine Oster-Volksfest-Veranstaltung in den 1970er Jahren manchmal bis zu fünf Wochen dauerte, waren die späten Abendstunden häufig recht zäh und man wartete an den Werktagen oft auf Mitternacht, damit man endlich zumachen durfte. Aber an den Wochenenden oder warmen Abenden flanierten die Kölner bis spät in der Nacht über ihr Volksfest.
Wolfgang Klock, als Berichterstatter der Fachzeitschrift Der Komet, zerriss über Jahre hinweg in Kommentaren die Kölner Veranstaltung, obwohl sie von Jahr zu Jahr expandierte.
Einer seiner Kritikpunkte waren sicherlich berechtigt, denn ein weitverbreitetes Problem waren damals die teuren Stromkosten, die viele Beschicker veranlassten, erst zur späten Stunde die Außenbeleuchtung an ihren Geschäften einzuschalten oder frühzeitig an den Wochentagen auszuschalten. Dunkle Fassaden an den Geschäften sind heutzutage nicht mehr denkbar. Ohne Zweifel ist ein voll erleuchteter Volksfestplatz am Abend die beste Reklame und damit Anziehungspunkt für die Besucher.
Aber dass auf Werbung schon damals großen Wert gelegt wurde, musste auch Klock zugeben. Auf der Versammlung der Fachgruppe I vom 15.03.1971 wurde vorgetragen, dass in 30 Kinos Werbung für das Oster-Volksfest vor dem Hauptfilm laufen, ein Werbewagen täglich 8 Stunden durch das weite Stadtgebiet fahren würde und 500 Plakate in Einzelhandelsgeschäften ausgehängt würden. Außerdem habe man bei der offiziellen Städtewerbung das Plakatieren an Litfaßsäulen und Anschlagflächen angemeldet, sowie das Aufstellen von Großraumplakaten an markanten Stellen von Köln.
Die intensive Werbung und der optimale Standort trugen dazu bei, dass das Oster-Volksfest in Köln sich mehr und mehr zu einer lukrativen Veranstaltung entwickelte.
Dazu trugen auch immer weitere Aktivitäten der Arbeitsgemeinschaft bei. So wurde auf der Interessenten-Versammlung am Karfreitag, den 20.04.1973 bekannt gegeben, dass erstmalig bei der Eröffnung nach dem Rundgang mit den Vertretern der Behörde im Festzelt Freibier ausgeschenkt werden würde. Außerdem hatten die Fahrgeschäftsbetreiber angeboten, 20 Minuten lang Freifahrten durchzuführen.
Am Familientag sollten alle die Preise ermäßigen, sodass es ein richtiger Familientag zum Nutzen aller, vor allem für das Familienpublikum werden würde.
Außerdem waren neben dem Besuch der „Waisenkinder“ und der „Contergankinder“ noch ein weiteres allgemeines Kinderfest eingeplant. Dazu spendeten Karl van Hees 200 Liter Kakao, Dieter Milz 200 „Mohrenköpfe“ und Eva Vosen 200 „Gummitiere“.
Ostergottesdienst ab 1970
Auch Pater Schönig fand sich schon zur Interessentenversammlung ein. 1970 war der Oster-Gottesdienst, der vom Schausteller-Pastors Pater Schönig im Festzelt zelebriert wurde, eingeführt worden.
In diesem Jahr würde der Weihbischof von Köln persönlich die Messe halten. Es ging nun an alle Kollegen die herzlichste Bitte pünktlich zu sein, zahlreich zu kommen und dieses einmalige Erlebnis nicht zu versäumen.
Nach der Ostermesse fand sich Pater Schönig im Wohnwagen von Maria und Josef Schoeneseifen zum obligatorischen Oster-Sauerbraten-Essen ein. Am frühen Nachmittag brach er nach Aachen zum Frühlings-Bend auf, wo er am nächsten Morgen die Messe lesen würde.
Dazu ein persönliches Erlebnis der Verfasserin, was sich jedoch erst Jahre später abspielte.
1992 lud der noch immer amtierende Schaustellerpfarrer Heinz Peter Schöning wie jedes Jahr zum Ostergottesdienst auf dem Kölner Frühlings-Volksfest ein.
Er schrieb:
„Leider muss ich Ihnen mitteilen, dass dieser schöne traditionelle Gottesdienst seit Jahren an Besucherschwund leidet. Es ist mir ein großes Anliegen, Sie und Ihre Angehörigen, zu bitten mitzuhelfen, dass diese schöne Tradition nicht stirbt. Mit Abstand ist dieser Schausteller Gottesdienst in ganz Europa der am schlechtesten besuchte! Ich glaube, dies sagt viel und soll uns zu denken geben. Bitte verstehen Sie daher mein mahnendes Wort und kommen Sie an Ostern, damit wir den Herrn wieder um Schutz und Segen für unsere Familien und eine gute Reise bitten.“
Ich hatte mich über seinen Vorwurf so geärgert, dass ich ihm einen Brief schrieb:
Sehr geehrter Pater Schönig!
Mit Dank habe ich Ihre Einladung zu unserem alljährlichen Gottesdienst in Köln-Deutz erhalten.
Ich teile Ihre Ansicht, dass diese schöne Tradition nicht sterben darf, bin jedoch der Meinung, dass man sich auch einmal Gedanken machen sollte, warum die Besucherzahl in Deutz so rapide von Jahr zu Jahr abgenommen hat, dagegen die Teilnahme am, ebenso alljährlichen Gottesdienst, im Dom am 2. Januar, mittlerweile die stattliche Zahl von 175 Kölner Schaustellern aufweist.
Ich kann nur von mir persönlich ausgehen, und sehr geehrter Herr Pater Schönig, Sie sind mir für ein offenes Wort nicht böse, auch ich hatte mir im vergangenen Jahr vorgenommen, die Messe in Zukunft nicht mehr zu besuchen.
Mir gefällt einfach Ihre Art nicht, die Anwesenden zu begrüßen, oder von den Nichtanwesenden zusprechen.
Ich zitiere:
„Ich freue mich, dass die Chicerbolzen aus Ihren Federn gekrochen sind“
„Wo sind denn die Wermutbrüder, liegen die vielleicht noch besoffen unter den Wägen?“
Die beiden Sätze sind mittlerweile schon obligatorisch in Ihrer Osteransprache, ebenso die „schreienden Bälger, die doch zu Hause bleiben sollen“. Hatte nicht Jesus Christus gesagt: Lasset die Kindlein zu mir kommen?
Sie werden vielleicht überrascht sein, und es nicht böse meinen, aber diese Redewendungen stören einige Leute. Ich selbst ärgere mich schon einige Jahren darüber, in meiner Familie und auch bei den mir bekannten Kölner Schaustellerfamilien, gibt es keine Wermutbrüder, Chicerbolzen vielleicht, aber noch niemand lag Ostersonntagmorgen während des Gottesdienstes besoffen unter einem Wagen.
Vielleicht ist mein Brief eine Anregung in Zukunft mal eine andere Begrüßung zu wählen. Es wäre wirklich schade, wenn der alte Brauch sterben würde.
Mit freundlichen Grüßen Margit Ramus
Wenige Tage später rief mich Herr Pater Schönig an und versprach eine Besserung und im kommenden Jahr und eine schöne Predigt.
Auf der Versammlung vom 28.11.1977 wurde in einem Rückblick auf das vergangene Osterfest eine Aufstellung der zugelassenen Geschäfte vorgelesen:
„16 Stück größere Fahrgeschäfte, 1 Alpenblitz, eine Achterbahn,
1 Geisterbahn, 1 Panoptikum, 1 Sportschau, ein Schwarzwaldhaus,
26 Klein- und Großverlosungen, 8 Schiesswagen, ein Juxhaus (Milker),
6 Ausschankwagen und 7 Imbiss Geschäfte.“
Süßwaren waren in der Liste wohl vergessen worden.
1980 Gründung der GKS
1980 erfolgten mit der Gründung der Gemeinschaft Kölner Schausteller nachaußen kaum sichtbare oder grundlegende Veränderungen.
Aufgrund des Drängens der Stadt Köln war die Genossenschaft „Gemeinschaft Kölner Schausteller“ kurz GKS gegründet worden.
Der Vorstand wurde von den beiden Kölner Berufsorganisationen gestellt. Josef Schoeneseifen, Vorsitzender der Fachgruppe I (HAGD), und Willi Kleiner, 1. Vorsitzender Schaustellerbund Köln e.V.
Seitdem war die GKS-Vertragspartner der Stadt Köln und in ihrer Hand lagen über 40 Jahre lang die Durchführung und Ausrichtung vieler Kölner Volks-Festveranstaltung.
Die Kirmes zu Ostern wurde in ‚Frühlings-Volksfest Köln‘ umbenannt und bildet einen der beiden Höhepunkte im Jahr, denn seit 1980 wird auch ein Herbst-Volksfest in Köln veranstaltet.
Köln wurde in den nächsten Jahren immer mehr zum Anziehungspunkt vieler Schausteller aus Nah und Fern. Premieren wie z.B. die vom größten reisenden Zeppelin–Karussell wurden in Köln gefeiert. Die größten Achterbahnen, Wildwasserbahnen, Riesenräder, Löffelhardts Mammuthöhle u.v.m. sorgten schon in jenen Jahren für den Nervenkitzel.
1989 Artikel in „markt + wirtschaft“
1989 erschien in der Zeitschrift der IHK zu Köln ‚markt + wirtschaft‘ ein Artikel, der vieles auf den Punkt brachte.
„Köln zählt nicht. Das ist anders geworden. Seit drei, vier Jahren gelten die Kölner-Herbst-Kirmes und noch mehr das Frühlings-Volksfest als gute Adressen. Geschafft hat diesen Wandel die „Gemeinschaft Kölner-Schausteller“ (GKS), ein genossenschaftlicher Zusammenschluss. Zwei Volksfest-Praktiker leiten die Organisation als geschäftsführende Vorstandsmitglieder.
Aus München kommen die Platzbewerbungen und aus Hamburg, aus Düsseldorf, Stuttgart und Frankfurt. Und natürlich aus Köln und Umgebung, wo 150 Schausteller und Marktkaufleute ihren Stammsitz haben.“
Ende der 1980er Jahre hatte die GKS, 1984 hatte Manfred Ramus die Nachfolge von Josef Schoeneseifen angetreten und Willi Kleiner, tatsächlich die Wahl der Qual bei den Entscheidungen über Zu- oder Absagen.
Als Zuggeschäfte, wie man im Fachjargon sagt, würden zum Frühlings-Volksfest 1990 der Vierer-Looping „Thriller“ und die „Himalaya-Bahn“ von Oskar Bruch aus Düsseldorf nach Köln kommen. Auch die „Katastrophen-Simulationsanlage“ „Psycho“ des Hamburger Schaustellers Manfred Pluschies, sowie die Neuheit „Indiago“ des Bremer Schaustellers Ottfried Hahnstein waren im Gespräch. Inzwischen waren auch die Dekorationen der Reihengeschäfte sehr aufwendig und mit viel Licht ausgestattet.
Weiter heißt es in diesem Bericht:
„Mit dem offiziellen Köln ist die GKS freilich nicht immer ganz einverstanden. Während zahlreiche andere Großstädte längst erkannt haben, dass – wie es die Schausteller-Berufsorganisation formuliert – „Volksfest-Werbung die Städtewerbung“ ist, unterschätzen die Kölner Behörden nach GKS-Auffassung den Wert dieser Sparte der Freizeitwirtschaft. Als beispielsweise die ersten Pläne für einen Hallen-Bau auf dem Deutz-Gelände offiziell zur Sprache kamen, da wurde alles Für und Wider diskutiert“, erinnert Rudolf von der Gathen, „aber, dass dadurch der Volksfestplatz verlorengeht, der wichtig ist für die Existenz von mehr als 150 Kölner Schausteller-Familien, das wurde überhaupt nicht erörtert.“
[…] „Schließlich hat die GKS, so berichtet der Vorstand, „Zigtausende“ in den von der Stadt gemieteten Festplatz an der Deutzer Constantin Straße investiert. Damit die Besucher auch bei Schlechtwetter trockenen Fußes einen Kirmes-Bummel machen können, hat die Gemeinschaft der Kölner Schausteller asphaltierte Straßen auf dem Gelände angelegt. […] Manfred Ramus stand tagelang selbst auf der Fahrerraupe, um Kosten zu sparen. Dieses Jahr musste zusätzlich für mehrere tausend Mark Kies angefahren werden, für Ausbesserungen und ergänzende Befestigungen. Allein 1988 seien dafür gut 60.000 DM ausgegeben worden. Sonst hätten wir wahrscheinlich keine Aufbaumöglichkeit für die große „Wildwasserbahn“ gehabt, die wichtig für unsere Reklame ist“. Heft 12/1989
Vier Jahre später, am 20.05.1993, schrieb Wolfgang Klock in einem Bericht in der Fachzeitschrift DER KOMET: „Diesmal aber wurde – unbestreitbar und unübersehbar – der Durchbruch erreicht. Die Kölner sind d o c h Volksfestfreunde.“
Daran, dass die Kölner Volksfestfreunde sind, hatte in den vergangenen Jahrhunderten nie jemand gezweifelt. Auch war der Durchbruch nicht erst 1993, sondern schon viele Jahren zuvor, erfolgt. Ohne Zweifel hatte sich das Oster-Volksfest längst zu einem der attraktivsten Volksfeste des Landes etabliert. Volksbelustigungen wie die „Hai-Schau“, das Lach- und Geisterkabinett „Ghosts“, die große Geisterbahn „Grüne Hölle, die riesige Schaukel „Indiago“ sowie die „Nessy“ von Neunkirchen hatten die Menschen zu einem Besuch des Kölner Festplatzes inspiriert.
Irgendwann war jedoch der Traum von diesem idealen Festplatz mit der Platzierung in einem Schlangenlinien-Rundlauf ausgeträumt. Der von Manfred Ramus alljährlich erstellte Bebauungsplan ermöglichte mehrere Kopfplätze. Die Geschäfte mit einer hohen Front oder Rückwand mit viel Farbe und Licht waren meist in Richtung der stark befahrenen Straßen, die um das Gelände herumführten, platziert. Dadurch bot sich von weit her ein faszinierendes Bild.
Rudi von der Gathen sowie Helmut Pilgram, als ein drittes Vorstandsmitglied, waren inzwischen in den Vorstand bestellt worden. Willi Kleiner war im Oktober 1994 gestorben.
Standortwechsel 1996
Durch den Bau der Köln Arena ergab sich 1996 der lang gefürchtete Standortwechsel.
Man hatte in den Jahren viele mögliche Standorte vorgeschlagen z.B. Westbahnhof, Zollstock, Zirkusplatz Grüngürtel, Wattlers Fischerhaus und der Platz gegenüber dem Finanzamt Nord.
Aber nun waren die Würfel gefallen!
Zunächst trauerten viele Schausteller dem alten und bewährten Volksfestplatz an der Constantin Straße nach, aber der neue Standort direkt am Rheinufer zwischen den beiden Rheinbrücken wurde zum vollen Erfolg für die beiden Volksfeste im Frühling und im Herbst. Wieder wurden von der GKS viel, viel Geld und Eigenleistung in die Sanierung des Platzes und die Strom- und Wasserversorgung investiert.
Obwohl das Gelände kleiner war und ein langgestrecktes Format hat, konnte man neue Fahr- und Hochgeschäfte auch weiterhin platzieren.
Majestätisch erhob sich z.B. das Riesenrad von Kipp und beeindruckte viele Jahre durch seine LED-Beleuchtung. Der Riesenteppich „1000 und eine Nacht“ schien mit dem Kölner Dom konkurrieren zu wollen, indem die große Gondel weit hinauf bis ins „Himmlische Jerusalem“ schaukelte. Seit 1991 gab es die bei vielen Kölnern bekannte Jaguar-Bahn nicht mehr. Aber seit einigen Jahren ist in der Stadt wieder ein „Musikexpress“ zu Haus. Bubi Schoeneseifen betreibt mit seinem Neffen, dieses noch immer aktuelle Familienkarussell.
Fast alle modernen Schaustellergeschäfte begeisterten in den kommenden Jahren die Kölner Volksfestfreunde.
Ein nicht zu unterschätzendes Problem waren jedoch von Beginn an einige wenige Anwohner, die direkt an der Siegburger Straße wohnten und für die traditionelle Volksfestkultur und den damit verbundenen Trubel der Besucher, Besucherinnen und vielen Kinder kein Verständnis zeigten.
Der Kölner EXPRESS schrieb am 24.04.2001, fünf Jahre nach dem Standortwechsel:
„Rentner Albrecht stoppt die Düxer Kirmes“
[…] „Seit Jahren gibt’s Ärger direkt vor der Haustüre — genau zweimal im Jahr die Düxer Volksfeste im Frühjahr und im Herbst. ‚Der Lärm ist unerträglich‘ ärgert sich der pensionierte Architekt. ‚Wir müssen nachts mit Oropax schlafen‘. Deshalb liegt der Rentner (81) mit den Schaustellern über Kreuz, stoppt die Kirmes. Penibel achtet er darauf, dass die Öffnungszeiten (von 14 bis 22 Uhr) eingehalten werden. Wenn nicht, faxt er eine Beschwerde umgehend an die Kölner Stadtverwaltung“
Frau Heucke (66) wies den EXPRESS daraufhin, dass sie besonders das „Gekreische“ stört: „Wenn die Leute im Karussell über Kopf in den Sitzen hängen und schreien, sitzen wir senkrecht im Bett.“
Man fragt sich, warum können sich Menschen immer weniger an der Freude anderer Menschen erfreuen? Vielleicht haben Menschen wie Albrecht Carl Heucke und seine Frau nie eine romantische Karussellfahrt erleben dürfen? Und warum bezeichnen sie die Stunden vor 22 Uhr bereits als Nacht, für die sie Ohropax benötigen, um nicht bei Freudenschreien von jungen Menschen während einer kurzen Karussellfahrt vor 22 Uhr am Abend ‚senkrecht im Bett zu sitzen‘? Vielleicht hätte ein gutes Glas Wein auf dem Balkon mit Blick auf das herrliche Ambiente eines bis 22 Uhr beleuchtenden Festplatzes am Abend das Schlafproblem ein wenig lindern können?
In diesem Artikel ist weiter zu lesen, dass auch der Rechtsanwalt Dr. Norbert Monken „auf die Barrikaden geht“.
„Norbert Monken hat seit 1999 über 20 Briefe an die Stadt geschrieben…“‚Die Lastwagen blockieren die Wege, zerstören mit ihren Reifen den Rasen. Und die Buden stellen sie auf, wo sie wollen‘.“
Kaum zu glauben, wenn man sich erinnert wie viele Sorgen und Probleme die Kölner Schausteller in der Vergangenheit zu bewältigen hatten um die Tradition des fast 1000 Jahre alten Oster-Volksfest fortzuführen.
Am Wochenende vom 24/25.03.2005 schriebt der KSTA, dass das „Familienfreundliche Volksfest“ in Köln mit vielen Attraktionen lockt. Aber die GKS sei verärgert, man habe erst aus der Presse „von den Überlegungen erfahren, auf dem jetzigen Festplatz eventuell ein neues Opernhaus zu errichten.“
„Schon einmal sei man vertrieben worden, nämlich von der Constantin Straße. […] „Was uns bedrückt, ist die Tatsache, dass wieder einmal unsere Arbeitsstätte in Planungen und Erwägungen der Stadt, ohne dass wir nur mit einem Wort befragt oder informiert wurden […] Als Wirtschaftsfaktor jedenfalls fühlen sich die Kölner Schausteller gründlich missachtet.“
Aber auch die Kölner Bürger und Bürgerinnen im Allgemeinen können die Aufregungen um ihre beiden Volksfeste nicht verstehen und es herrscht eine weit verbreitete „Pro-Volksfest-Stimmung, zu lesen in dem Artikel: „Kirmes ist ein belebendes Element“ im KSTA vom 28.10.2006
Ein letztes Beispiel aus dem, den Kölner Schaustellern immer wohlgesinnten, KSTA vom 5/6.04.2007 soll noch einmal die Situation der Gemeinschaft Kölner Schausteller herausstellen.
„Hexentanz am Deutzer Rheinufer
[…] „Das Volksfest gehört mit rund einer Million Besuchern zu den bedeutendsten Jahrmärkten der Republik. […] ‚Alkohol ist bei uns kein Thema und ist nie eins gewesen‘, wehrt sich von der Gathen gegen Stimmen, das Volksfest an der Deutzer Werft sei Remmidemmi mit Ballermann -Charakter“.
Dieser Vergleich hinkt ja nun in Köln ganz besonders. Vielleicht sucht man neben der Lärmbelästigung nach einem weiteren Grund, der Gemeinschaft Kölner Schausteller weitere Steine in den Weg zu legen. Der KSTA schreibt dazu: „Die Kölner Schausteller sind in der Geschichte genug herumgestoßen worden“.
Letztendlich organisierte die Gemeinschaft Kölner Schausteller, GKS, 27 Jahre lang, an diesem Ort zwei attraktive, finanziell starke und bei der Bevölkerung sehr beliebte Veranstaltungen, das Frühlings-Volksfest zu Ostern und das Herbst-Volksfest als Abschluss der Saison.
Durch den Antrag einer Kölner Schaustellerfirma, das Frühlings-Volksfest 2022 in Eigenregie durchzuführen, den die Stadt Köln ablehnte, wurde ein Rechtsmittelverfahren eingeleitet, das mit einem Vergleich endete. Dies brachte 2023 gleich mehrere Schausteller, darunter auch ein Familienmitglied des bereits einmal abgelehnten Antragstellers, auf die Idee, Anträge zur Durchführung der Volksfeste 2023 in Eigenregie zustellen.
Das führte dazu, dass zum allerersten Mal in der Geschichte für das Kölner Volksfest zu Ostern ein Auswahlverfahren von seitens der Stadt durchgeführt wurde, bei dem ein junger Schausteller aus Leverkusen den Zuschlag bekam. Der Vorstand der GKS, der sich inzwischen verjüngt hatte, klagte gegen diesen Beschluss, ging aber bei dem sich anschließenden Losverfahren leer aus. Der Losentscheid ist ein von der Rechtsprechung anerkanntes Mittel, um eine Auswahl zwischen gleichwertigen Anträgen zu entscheiden.
Somit sind wieder einmal die Würfel gefallen!
Wie es weitergeht, bleibt zurzeit noch offen…
© Margit Ramus
Liebe Frau Ramus ,
ich habe die schönsten Erinnerungen aus den 80ern auf dem alten Festplatz mit ihrer Jaguarbahn gehabt . Was war dieses Fahrgeschäft in Köln angesagt , wirklich eine tolle Zeit und dafür danke ich Ihnen .
Hallo Frau Dimitrijevic,
ich danke Ihnen auch für Ihren Kommentar. Unsere Jaguarbahn war wirklich Kult in Köln und wird vielen Menschen unvergessen bleiben.
Freundliche Grüße Margit Ramus