Gründung der
„Arbeitsgemeinschaft Kölner Schausteller“
Köln kann, genau wie andere Städte Deutschlands, mit seiner Großveranstaltung zu Ostern auf ein Volksfest mit einer fast tausendjährigen Tradition zurückblicken.
Der zweite Teil beginnt mit der Gründung der „Arbeitsgemeinschaft Kölner Schausteller“ im Winter 1960/61. Sie bestand aus dem amtierenden Fachschaftsleiter der Fachgruppe I des „Bezirksverband des Ambulanten Markt- und Schaustellergewerbes“, damals Theo Rosenzweig, und dem 1. Vorsitzenden des „Schaustellerverband e.V. Sitz Köln“, damals Walter von der Gathen.
Zu den Gemeinschaftsversammlungen, zu denen die Arbeitsgemeinschaft einlud, hatten alle Schausteller der Region ohne spezifische Vereinszugehörigkeit Zugang.
Aufgrund der Überlieferung alter Protokolle und Zeitungsausschnitte ist es möglich die großen Probleme und Existenznöte der Kölner Schaustellerfamilien in den 1960er und 1970er Jahren aufzuzeichnen. Neben diesen Quellen geben Jahresberichte des Schriftführers Josef Milz (Großvater der Verfasserin) und Erzählungen von Zeitzeugen viele Informationen über diese unruhigen 20 Jahre der „Arbeitsgemeinschaft Kölner Schausteller“. Überliefert sind originale Dokumente von 1967 bis 1979, die im Kulturgut Volksfest-Archiv nachzulesen sind.
Die Rückschau zeigt, dass die damaligen Vorsitzenden gemeinsam mit ihren Vorständen alles versucht haben, die Entwicklung der Kölner Kirmes-Veranstaltungen zu Karneval und zu Ostern voranzutreiben. Aber schon in jenen Jahren des allgemeinen Aufbruches und des beginnenden Wirtschaftswunders vermisst man in Köln die wünschenswerte Anerkennung der Volksfeste als ein zu schützendes traditionelles Kulturgut, dessen Wert und Bedeutung andere Städte in Deutschland damals bereits erkannt und gefördert haben. Auch den Schaustellerinnen und Schaustellern als Träger der Volksfestkultur, die auch in Köln auf eine fast 1000-jährige Geschichte zurückblicken kann, fehlte damals, vielleicht sogar bis heute, der nötige Respekt.
Daher ist es unsagbar wichtig, die alten Geschichten aufzuschreiben und zu bewahren. Dazu gehören auch die aus heutiger Sicht durchaus kritisch zu betrachtenden Ereignisse in der Vergangenheit.
Karneval in Köln, für die ortsansässigen Schausteller ein Fest der Superlative
Nachfolgende Generationen haben keine Vorstellung davon, welchen Stellenwert die Kirmes-Veranstaltungen zu Karneval für die Existenz vieler Kölner Schausteller hatten, deshalb stehen deren Probleme und Sorgen zu Karneval in Vordergrund dieses Beitrages.
An wenigen Tagen, beginnend mit der Weiberfastnacht bis Karnevalsdienstag riss der Andrang an den Fahrgeschäften und den anderen Volksbelustigungen kaum ab. Für einige Schaustellerfamilien waren es die umsatzstärksten Tage der ganzen Saison und jeder wollte nach Möglichkeit von dem Kuchen abhaben.
Die heutige Schaustellerjugend, die nach der Jahrtausendwende geboren wurde, kann sich nicht vorstellen, dass die damaligen Veranstaltungen zu Karneval mit dem Erfolg der jetzigen Weihnachtsmärkte zu vergleichen sind. Die traurige Entwicklung der Plätze zu Karneval, bis zum völligen Aus, ist auch fast niemanden mehr präsent.
Aufgaben der Arbeitsgemeinschaft Kölner Schausteller
Kaum eine Stadt in Deutschland bot den Schaustellern in den 1960er/70er und 80er Jahren so lukrative Einnahmequellen wie Köln. Aber es waren auch Jahre der Forderung nach Anerkennung und Sicherheit für die Volksfestkultur.
In jener Zeit traten die allgemeinen Berufsfragen der Vereine HADG (später BSM) und DSB oft in den Hintergrund, denn der Focus lag ab 1960 in der Ausrichtung des Ostervolksfestes sowie den „Vorarbeiten“ für die Karnevalsplätze.
Die Verträge wurden nämlich weiterhin vom Liegenschaftsamt direkt an die einzelnen Schausteller ausgegeben. Aber die Auswahl der Anträge und die daraus resultierende Zuordnung der Beschicker zu den einzelnen, lukrativ erheblich unterschiedlichen Plätzen sowie die Verantwortung für die Unterbringung aller Kölner Schausteller hatte die Stadtverwaltung der neu gegründeten Arbeitsgemeinschaft übertragen.
Diese ungewohnte, aber eingeschränkte Selbstverwaltung vereinfachte die Situation für die Schausteller keineswegs. Denn zu Karneval war die Bebauung der innerstädtischen Plätze beschränkt. Die Flächen waren teilweise klein und fielen durch Baumaßnahmen oft kurzfristig weg. Folgende Flächen standen zu Beginn der 1960er Jahre zur Verfügung: Sassenhof (heute Maritim-Hotel), Fleischmengergasse/Josef-Haubrich-Hof (heute Zentralbibliothek), Am Bollwerk (heute Event Location), St. Apern (heute Dorint-Hotel), ein Streifen rechts neben der Deutzer Brücke (heute Zufahrt zum Parkhaus) und ein Trümmergrundstück direkt hinter dem Bahnhof (später Busbahnhof am Breslauer Platz).
Ohne Zweifel wollte jeder Kölner Schausteller zu Karneval einen Platz haben und nach Möglichkeit auch auf einem der beiden Hauptplätze, Sassenhof und Fleischmengergasse.
Es gab keine kontinuierliche Sicherheit für die jährlich stattfindenden Karnevalsveranstaltungen. Jedes Jahr stellten sich die gleichen Fragen, ob die Plätze zu Karneval von der Stadt Köln überhaupt wieder zur Verfügung gestellt werden würden und warum die schriftlichen Zulassungen zur Bebauung der einzelnen Kölner Plätze immer erst in letzter Minute erfolgten? Es wurde nie eine konkrete Begründung seitens der Stadt bekanntgegeben. Eine frühzeitige Planung hätte viele Emotionen mindern können.
Schon vor Weihnachten begann das Warten auf die Zulassung. In der Regel kam sie erst kurz vor Karneval. Nervosität und Aggressionen stiegen von Woche zu Woche an. Auf den in kurzen Abständen erfolgenden Gemeinschaftsversammlungen der beiden Vereine ging es hoch her und es kam zu verbalen Auseinandersetzungen. Aufgrund der überlieferten Anwesenheitslisten ist zu belegen, dass meist weit über 100 Kollegen teilnahmen.
Als Theo Rosenzweig im Dezember 1962 auf einer Gemeinschaftsversammlung folgendes bekannt gab: „Die Stadt hat über unsere Köpfe hinweg beschlossen, dass wir vom nächsten Jahr an in der Innenstadt keinen Platz mehr bekommen sollen“, war der Schock groß! Es schrien alle durcheinander!
Wut und Verzweiflung machten Unverständnis Platz. Rufe nach einem Protestmarsch wurden laut. Im Protokoll dieser Versammlung ist zu lesen, dass der Kölner SPD-Vorsitzende Hans-Jürgen Wischnewski (MdB) in diesen Tumult hineinplatzte. Er habe versucht die Wogen ein wenig zu glätten, indem er die Anwesenden mit den Worten beruhigte, „Wenn Sie jahrelang Platz gefunden haben, wieso dann 1963 nicht?“
Die Hoffnung zerschlug sich schnell. Schon wenige Tage später, am 05.12.1962 war im Kölner Stadt Anzeiger zu lesen:
„Von der Stadt die Schau gestohlen
Noch weniger Platz für Buden und Karussells
„[…] Rund hundert Kölner Schausteller haben sich versammelt, um gegen eine Entscheidung der Stadtverwaltung zu protestieren: Die fahrenden Unternehmer sollen Karneval 1963 auf die Plätze am Bollwerk und am Sassenhof verzichten.
Kommentar des Leiters der Kölner Schaustellervereinigung, Wilhelm von der Gathen: ‚Nicht auszudenken, welcher Schaden uns da trifft.'[…]
Die Absage, die man vor wenigen Tagen im Briefkasten fand, war deutlich genug: „[…] trotz allem Verständnis, das die Stadt Köln für Ihre Wünsche aufbringt, ist es nicht möglich, Ihnen das Gelände am Sassenhof und am Bollwerk zur Verfügung zu stellen. Ich kann daher nur auf das Gelände an der Maximinenstraße verweisen …“
Die Schausteller schütteln verständnislos die Köpfe: „Es ging doch in den vergangenen Jahren. Warum will man uns wirklich die Existenz nehmen?“
Wilhelm von der Gathen: „Gerade durch das Karnevalsgeschäft haben viele Kollegen die Möglichkeit, ihre Schulden zu begleichen. Bedenken Sie doch, dass wir durch den Winter praktisch ein halbes Jahr lang ohne Verdienst dastehen.“ KST. 05.12.1962
Die Arbeitsgemeinschaft der Schausteller reagierten auf diesen Artikel mit einem Schreiben, adressiert an den Oberbürgermeister Theo Burauen, an den Oberstadtdirektor Dr. Max Adenauer, an den Stadtdirektor Berge und an drei Fraktionen:
„[…] wir weisen darauf hin, dass seit nahezu 100 Jahren im Stadtgebiet von Köln an Karnevalstagen Schaustellergeschäfte aufgebaut worden sind, und ganz besonders möchten wir an die Nachkriegsjahre erinnern, als die Karnevalsgesellschaften noch keine städtischen Zuschüsse erhielten und uns händeringend darum gebeten haben, die Geschäfte aufzubauen, um mit den von den Schaustellern gezahlten Platzgeldern den Karneval zu finanzieren.“
Acht Tage später, am 13.12.1962 hatte sich die Situation um die Karnevalsplätze noch nicht entschärft. Ein weiterer Artikel im Kölner Stadt Anzeiger verdeutlicht die Existenznot der Schausteller.
„Kein Platz für Schausteller?
Protest gegen Rat und Verwaltung
‚Wir möchten auch einmal Weihnachten ohne Sorgen feiern können!‘ sagt Theo Rosenzweig. […]“
Beunruhigt durch den massiven, öffentlichen Protest der Schausteller schrieb der Kölner Stadt Anzeiger, dass im Rat ein „politisches Feuerchen aufzuflammen“ drohte. Der SPD-Bundestagsabgeordneter Hans-Jürgen Wischnewski stellte sich auf der nächsten Ratssitzung hinter die Schausteller und beteuerte, „[…] dass es sich um ein ehrbares Gewerbe mit hervorragenden Steuerzahlern handele, für deren Interessen man auch einstehen müsse.“
KSTA 13.12.1962
Im gleichen Artikel hieß es:
„Mit gutem Willen und etwas Herz muss die zufriedenstellende Lösung möglich sein. Oder sollten wir schon so unkölsch denken, dass Joseph Roesbergs Karussellchesleed“ stadtamtlich verschrottet wird und Pitt-Jüppche das Karussellchen nicht mehr drehen darf? Das wäre eine Blamage, auch für das vielgepriesene gute Kölner Herz.“ KSTA 13.12.1962
Letztendlich wurden die Plätze zu Karneval in letzter Minute doch wieder genehmigt. Was auch viele Kölner und Menschen aus der Umgebung freute, denn sie liebten ihren Straßenkarneval und das bunte Treiben auf den Volksfestplätzen, die in der ganzen Innenstadt verteilt aufgebaut waren.
Heute liest es sich fast wie eine Posse, damals war es trauriger Alltag. Für die Kölner Schausteller galt es ihre Existenz zu sichern, denn der Winter war lang und nur ganz wenige verdienten sich ein Zubrot z.B. mit dem Verkauf von Weihnachtsbäumen und direkt nach Weihnachten bei der Messe zum Sechstagerennen. Den Weihnachtsmarkt gab es in der Nachkriegszeit noch nicht wieder, er wurde erst ab 1970 auf dem Neumarkt abgehalten.
Der Kampf um die Plätze zu Karneval wiederholte sich jedes Jahr aufs Neue und es gab viele Unstimmigkeiten unter den Schausteller-Kollegen.
1969 Wechsel der Geschäftsführung
Während des Aufbaus zu Karneval 1969 war es auf dem Sassenhof zu einem Streit zwischen Josef Schoeneseifen und Theo Rosenzweig gekommen. Die Auseinandersetzung führte auf der nächsten Versammlung der Fachgruppe I im März 1969 zu Konsequenzen. Josef Schoeneseifen wurde mit Stimmenmehrheit zum neuen Fachschaftsleiter der Fachgruppe I gewählt und damit auch automatisch in den Vorstand der Arbeitsgemeinschaft Kölner Schausteller bestellt.
Vieles was sich damals hinter den Kulissen abspielte, drang nie nach draußen. Man zeigte sich meist als heterogene Berufsgruppe, die am gleichen Strang zog. Die Protagonisten dieser Zeit leben leider alle nicht mehr.
1974 auf dem Ball in der Flora hatten die beiden Männer längst ihren Streit vergessen. Links Theo Rosenzweig, r. Josef Schoeneseifen Foto Sammlung Ramus
Damals, nach dem turbulenten Führungswechsel in Köln, versuchte der Schriftführer, Josef Milz zu Beginn der nächsten Versammlung die Gemüter zu beruhigen:
„In diesem Sinne möchte ich Sie alle bitten, dafür zu sorgen, dass unsere Fachgruppe I sowie unsere Versammlungen keine Arena von sich gegenseitig bekämpfenden Kollegen wird. Wir wollen unter uns und in unseren Reihen Frieden halten, da es doch nur für uns alle zum Guten führen kann.“ (Josef Milz 1969)
Es folgten aufregende Jahre. Z.B. erinnert sich die Verfasserin Margit Ramus an jene ersten Jahre des neuen Vorstandes, die keineswegs immer reibungslos abliefen. Im Hause ihrer Eltern, Familie Schoeneseifen war im Keller ein Büro eingerichtet worden, dort spielten sich vor Karneval turbulente Szenen ab.
Einem Kölner Schausteller war es gelungen, in diesem Büro heimlich Wanzen zu installieren. In seinem in unmittelbarer Nähe stehenden Auto konnte er über sein Autoradio die internen Beratungen mithören. Nachdem die Wanzen entdeckt worden waren und der „Agent“ ermittelt war, erhielt dieser Schausteller den Spitznamen „Guillaume“.
Aber auch Streitigkeiten unter Freunden und innerhalb von Familien waren nicht selten. Jeder wollte den größtmöglichen Gewinn zu Karneval machen. Vorteile durch Familienbande oder Freundschaften zum Vorstand wurden ausgiebig genutzt.
Einige Kölner Schausteller, die zwei oder drei eigene Geschäfte hatten, überließen diese zu Karneval ihren Familienmitgliedern, sodass nicht mehrere Verträge von ein und derselben Person beansprucht wurden.
Karneval in den 1970er Jahren
Nach wie vor hielt die Stadt Köln die Zusagen für die Plätze, die zu Karneval bebaut werden konnten, bis kurz vor Karneval zurück. Außerdem wurden die Auflagen zur Teilnahme immer strenger.
Aber auch einige Schausteller wurden jedes Jahr kreativer im Bemühen, einen oder sogar zwei Standplätze für eigene oder geliehene Schaustellergeschäfte zu bekommen. Manche modernen Fahrgeschäfte, die hohe Umsätze erreichen konnten, waren in Köln nicht vertreten und wurden deshalb von Kölner Kollegen für Karneval geliehen oder zum Schein gekauft. Diese sogenannten Schein-Kaufverträge wurden nach Karneval wieder zerrissen.
Zum Beispiel kaufte ein Kollege, Inhaber einer „Raketenfahrt zum Mond“, vor Karneval plötzlich die „Achterbahn“ der Firma Groppengießer aus München und bekam damit als Kölner Platz auf der Fleischmengergasse. Nach Karneval platzte der Verkauf angeblich an der Finanzierung und die Bahn ging nach München zurück.
Dazu ein Auszug aus einer Versammlung 18.01.1971:
„Ob Eigentümer oder Nicht-Eigentümer von Fahrgeschäften, es dürfen keine Scheinverträge abgeschlossen werden. Es dürfen auch keine Kölner Schausteller vorgeschickt werden um Verträge abzuschließen. Der Sachverhalt wird genau überprüft und wenn ein vorgenannter Fall angetroffen wird, wird der Kollege 5 Jahre von der Stadtverwaltung ausgeschlossen.“ (Vers.18.1.1971)
Ein Jahr später, am 24.01.1972, sprach Walter von der Gathen zu den Anwesenden der Gemeinschaftsversammlung:
„Wie schon in der 1. Versammlung im Gertrudenhof gesagt, kann jede Familie mit einem Geschäft bauen. Wenn dies so gehandhabt wird, ist alles in Ordnung. Doch jeder glaubt, wenn er im Besitz einer Reisegewerbekarte ist und sich ein Geschäft leiht, die anderen verdrängen zu können. […]“
Die Ansprache wurde durch heftige Zwischenrufe immer wieder unterbrochen. Erst als wieder etwas Ruhe eingekehrt war, konnte Walter von der Gathen weitersprechen:
„Wir sind heute gezwungen an Ihre Kollegialität zu appellieren. Die Plätze werden immer weniger und die Kollegen immer mehr. […] Bei der Stadt sind eine Unmenge Anträge eingegangen. Viele werden enttäuscht sein, denn alle Kollegen können nicht untergebracht werden. Es ist sehr schwer. Ich bitte Sie, sich zur Diskussion zu melden, bitte bleiben Sie sachlich und ruhig. Ich bitte Sie um Vorschläge, wie wir die Sache am besten regeln können.“ (Vers. 24.01.1972)
Es kamen Vorschläge z.B. von Schaustellern, die nur ein kleines Geschäft besaßen, auf einen Standplatz zu verzichten und dafür mit einem größeren Geschäft Kippe zu machen. Dem widersprachen wieder andere. Es kam zu keiner Einigung.
Bei der Rückschau auf Karneval 1972 hieß es:
„Der Kollege Hans Kossmann verlas eine Liste von Kollegen, welche sich in Köln zu Karneval um einen Platz bewarben, aber in Köln nur eine Briefkastenadresse haben.“ [Wieder einmal wurde angedroht]: „wer zu Karneval unter verkehrten Machenschaften sich einen Platz besorgt, wird in Zukunft drei Jahre vom Kölner Karneval ausgeschlossen und keinen Platz mehr erhalten. (Vers. Fachgruppe I 22.04.1973)
Diese Drohungen wurden nie wahrgemacht.
Im nächsten Jahr führte die Stadt Köln ein weiteres Kriterium im Auswahlverfahren ein. Standplätze sollten nur an die Schausteller vergeben werden, die ihre Steuern in Köln abführten. Dies musste durch Vorlage einer Unbedenklichkeitsbescheinigung eines Kölner Finanzamtes nachgewiesen werden. Die Bescheinigung wurde allerdings nur ausgestellt, wenn die Firma keine Steuerschulden hatte, was sich für viele als Problem darstellte.
Als diese neue Bedingung auf der Versammlung vorgelesen wurde, kam die Wortmeldung:
„Anfrage von Frau Gerda Milz doch dafür zu sorgen, wenn die Möglichkeit besteht, die Unbedenklichkeitsbescheinigung fallen zu lassen. Begründung, wenn jedes Einzelhandelsgeschäft seinen steuerlichen Nachweis erbringen müsste, der größte Teil der Privatgeschäfte geschlossen sein würde.“ (Vers. 28.01.1974)
Es war jedoch der Verwaltung zugetragen worden, dass einige Autoskooter-Besitzer nur eine Kölner Briefkasten-Adresse hätten. Diese Schausteller würden sich zu Karneval als Kölner Schausteller bewerben und z.B. zum Bonner Pützchens Markt mit demselben Skooter als Bonner Steuerzahler oder in Euskirchen als Einheimischer bewerben. Das wollte man durch die Vorlage einer Unbedenklichkeitsbescheinigung unterbinden.
Bei der Recherche zum Thema Karneval fand die Verfasserin einige Schriftstücke aus der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg, die belegen, dass bereits damals dieses Dilemma nicht neu war.
So teilte die Stadtverwaltung Köln in einem Schreiben vom 2. 05. 1934 dem Regierungspräsidenten von Aachen mit, dass die in Köln ansässigen Schausteller verlangen würden, die einheimischen Unternehmungen den auswärtigen vorzuziehen.
In einem anderen Schreiben der „Wirtschaftsgruppe Ambulantes Gewerbe“ an die Marktverwaltung Köln vom 13.2.1936 wird darauf hingewiesen, „dass Heinrich Heindrichs nicht alleiniger Besitzer seiner Raupe sei, sondern gemeinschaftlich mit dem Kollegen Cronenberg aus Düsseldorf diese Raupe angeschafft habe. Kollege Cronenberg habe öffentlich auf einer Platzverteilung in Düsseldorf erklärt, dass er mit seiner zweiten Raupe in Köln auf dem Neumarkt platziert würde. Auch bei den Düsseldorfer Kollegen stieß dies auf Unmut, weil Cronenberg auch in Düsseldorf mit einer Raupe einen Hauptplatz beanspruchte.“
In den 1970er Jahren wiederholte sich dieses Szenarium Jahr für Jahr. Dies belegt eine Wortmeldung von Gerda Milz auf der Versammlung der Fachgruppe I vom 13.01.1976 die zu einem heftigen Tumult führte:
„Frau Gerda Milz gab an, dass die Firmen Willi Kleiner, Hans Gormann, Hugo Franz, Willi Schäfer und Hans-Herbert Hoche keine Kölner sind und trotzdem zu Karneval zugelassen würden. Sie wüsste, dass Willi Kleiner seinen Autoselbstfahrer in Euskirchen abrechnete.“
Dieser Redebeitrag von Gerda Milz erforderte sehr viel Mut. Damals kam das nicht so gut an, wenn sich eine Frau zu Wort meldete. Denn Frauen hatten keinerlei Rechte und waren bei Gründung der einzelnen Vereine ausgeschlossen worden. Sie durften allenfalls als Gast an einer Versammlung, ohne jegliches Mitspracherecht, teilnehmen. Gerda Milz, damals eher schräg angesehen, ist aus heutiger Sicht als Vorreiterin der Frauen anzusehen, die in der noch heute männerdominierenden Schaustellerwelt ihren “Mann“ stehen.
Auf fast jeder Versammlung wurde erneut darüber diskutiert, dass grundsätzlich für die Erlangung eines Vertrages zu einem der Karnevalsplätze gültige Baupapiere für Fliegende Bauten verpflichtend waren (und heute noch immer sind). Das sogenannte „Baubuch“ musste auf den Fahrgeschäftsinhaber ausgestellt sein und in Verbindung mit einer in Köln ausgestellten Reisegewerbekarte vorgelegt werden.
„Kollege Josef Schoeneseifen weist nochmals darauf hin, dass jeder ein Kölner Gewerbe haben muss und drei Jahre in Köln gemeldet sein muss.“ (Vers.26.01.1975)
Nachdem immer wieder Schlupflöcher gefunden wurden, den Nachweis Kölner zu sein zu umgehen um Karneval bauen zu dürfen, stellten einige Kollegen im Jahr 1975 zur eindeutigen Klärung dieser Gretchenfrage, Kölner ja oder nein, folgenden Antrag:
„Von Frau Gerda Milz, Otto Milker und Theo Rosenzweig wurde der Antrag gestellt, um in Zukunft in Punkto, wer ist Kölner und wer nicht, nur Verträge auszustellen, an die Kollegen, welche einen Personalausweis von Mann und Frau vorzeigen können. Daraus wird dann ersichtlich, wer seinen gesamten geschäftlichen und steuerlichen Betrieb von Köln aus verwaltet. Der Antrag wurde mit Stimmenmehrheit angenommen.“ (Vers. 17.11.1975)
Dieser Beschluss wurde auch vom Liegenschaftsamt akzeptiert und als neue Voraussetzung bestimmt.
„Um in Zukunft feststellen zu können, wer Kölner Bürger ist und seinen geschäftlichen und steuerlichen Betrieb von Köln aus verwaltet, muss bei der Vergabe der Karnevalsplätze durch das Liegenschaftsamt bei der Entgegennahme des Platzvertrages, den Kölner Personalausweis von Mann und Frau vorlegen.“ (Vers. 10.12.1975)
Daraus entwickelte sich der Ausdruck „Einbeiniger Kölner“, der zur allgemeinen Belustigung bei auswärtigen Kollegen beitrug.
Das Prinzip der „Einbeinigkeit“ traf auch seriöse Kollegen, die sich in den letzten Jahren außerhalb der Kölner Stadtgrenze Haus und Hof angeschafft hatten und trotzdem der Verpflichtung einer „Ersten Meldeadresse vor Ort“ nachgekommen waren.
Also auch wieder keine optimale Lösung, aber zunächst mal Fakt.
Ein weit größeres Problem waren jedoch damals und sicherlich in jüngster Vergangenheit erneut, die Alleingänge einzelner Schausteller beim Liegenschaftsamt, wo sie ihre Beschwerden und Wünsche vortrugen. Dies wurde durchgängig auf vielen Versammlungen angesprochen.
„Der Kollege Otto Milker sprach über die Nöte der Kollegen, welche den Kollegen dadurch entstehen, dass Kollegen andauernd nach den Behörden laufen und über einzelne Kollegen herhalten. Dadurch entstehen bei den Behörden Zwiesprachen und schwärzt das Ansehen des gesamten Berufsstandes.“ (Vers. 26.01.1975)
1976 war es nicht mehr abzuwenden, dass alle Kollegen zu Karneval Kippe machen mussten. „Der Fachschaftsleiter Kollege Josef Schoeneseifen eröffnete die Versammlung und gab den Anwesenden bekannt, dass alle Kollegen zu Karneval die Geschäfte zusammenlegen müssen.“ (Vers.05.02.1976)
Diese Bekanntmachung schlug wie ein Blitz ein und die Aufregung war groß. Jeder schrie in den Saal, gleichzeitig entstanden in Windeseile Wünsche zur Zusammenlegung. (Vers. 05.02.1976)
„Nach einer nochmaligen Debatte über die Einteilung wurden 10 Minuten Pause eingelegt um die Anwesenden zu beruhigen.“ (Vers. 05.02.1976)
Um dies heute nur im Ansatz nachzuvollziehen, muss man wissen, dass damals die Umsätze mancher Kollegen während den fünf Tagen zu Karneval mit den heutigen Einnahmen eines kompletten Weihnachtsmarktes zu vergleichen sind. Deshalb kämpfte jeder um sein Recht, manchmal auch mit unfairen Mitteln. So wollte auch niemand mit seinem eigenen umsatzstarken Geschäft Kippe mit einem Kindergeschäft machen. Zum Beispiel ein Verkehrskindergarten mit einem großen Schienengeschäft.
Eine weitere Schwere bedeutete die Bedingung der Stadt Köln, bereits bei Entgegennahme der Verträge das nicht unerheblich hohe Standgeld zahlen zu müssen.
Erfreulicherweise fanden sich immer Kollegen, die für andere das Standgeld vorlegten. Dazu ein persönliches Erlebnis: Nachdem Josef Schoeneseifen 1984 verstorben war, kam eine ältere Kölner Schaustellerin, Inhaberin einer kleinen Schaukel, und überreichte der Witwe Maria Schoeneseifen (Mutter der Verfasserin) ein Kuvert mit den Worten: „Bubi hat Karneval immer mein Standgeld bezahlt.“ Niemand hatte davon gewusst und schriftlich war nichts festgehalten worden. Auch dieses Verhalten ist den Schaustellern eigen…
Ohne Zweifel erzeugten die vielen Auflagen und der Umgang der Stadtverwaltung mit den Kölner Schaustellern Zwietracht und Streit. Trotzdem schafften es die Schausteller immer wieder diese internen Schwierigkeiten durch Verbundenheit nach außen zu bewältigen. Niemand wäre auf die Idee gekommen, das Wort „Diskriminierung“ aufzugreifen.
Mitte der 1970er Jahre bahnte sich eine Zeitenwende an.
Bisher immer verdrängt, stellten sich nun allen die Frage: Was würde geschehen, wenn die Plätze am Sassenhof und an der Fleischmengergasse / Josef-Haubrich-Hof wegfallen?
Dazu schreibt am 5. März 1976 die Kölnische Rundschau:
„Wohin mit dem Rummelplatz?
Wo soll demnächst in Kölns Mitte noch Kirmesbetrieb mit Karussells, Achterbahnen, Autoscootern möglich sein?
Diese Frage wird bei der Bezirksvertretung 1 am 9. März erörtert.
Die CDU erwartet von der Stadtverwaltung Auskunft darüber, ob diesem „Grundbedürfnis“ für einen innerstädtischen Festplatz Rechnung getragen werde.
Nachdem auf dem Josef-Haubrich-Hof die Zentralbücherei errichtet wird und demnächst auch der Parkplatz am Sassenhof […] wegfällt, ist guter Rat teuer. Der Versuch der Schausteller, als Ersatz für den Josef-Haubrich-Hof vor Karneval den Neumarkt zum Rummelplatz zu machen, ist noch einmal abgewehrt worden. Nach Meinung der CDU sollten Alternativen innerhalb gefunden werden.“ si. 05.03. 1976
Schon die Aussage „ist noch einmal abgewehrt worden“ lässt an der Haltung der Bezirksverwaltung und der Kölner Rundschau keinen Zweifel.
Im gleichen Artikel bezog man sich auf ein Gespräch des Funkenpräsidenten Hans-Georg Brock und der Kölnischen Rundschau, welches am 15.01.1976 geführt worden war, dort heißt es unter anderem:
[…] Was sind das für überraschende Nachrichten aus dem Rathaus: Das herrliche Biwak der Roten Funken am Karnevalssamstag soll vom Neumarkt weichen, weil die Stadt den Platz dem Schaustellergewerbe vermieten will, nachdem auf dem Josef-Haubrich-Hof gebaut wird? Was sagen Sie als Präsident des Traditionskorps dazu?“ […] „Die Funken halten gar nichts davon. Ein Platzwechsel ist für uns einfach nicht zu schaffen. Schließlich haben wir monatelange Vorbereitungen getroffen.“
„Haben Sie denn vertragliche Zusagen von der Stadt für den Neumarkt, wo das Funkenbiwak seit 1973 doch eine ganz große Sache geworden ist?“
[…] „Haben Sie, Herr Brock, denn eine Vermutung, wieso die Schausteller, die ja im Grunde mit dem Fasteleer gar nichts zu tun haben, Ihnen den Samstag auf dem Neumarkt streitig machen können?“
„Es gibt so viel Einhelligkeit bei den Fraktionen im Rathaus zugunsten des Rummelplatzes, dass man fast den bösen Zungen glauben möchte, die da von Wahlspenden reden. Da können die Funken natürlich nicht mithalten.“
„Nun, die Schausteller werden eben Platzmiete auf dem Neumarkt zahlen müssen, und die Funken hatten den Platz gratis. Es liegt eben immer wieder am Geld.“
Dem Bericht folgte eine weitere Meldung, am 28.01.1976 mit der Schlagzeile:
„Doch Funkenbiwak auf dem Neumarkt
Aber wohin mit dem Schaustellergewerbe?
Der Rechtsstandpunkt der Roten Funken, dass ihnen der Neumarkt wie in den Vorjahren von einem städtischen Amt verbindlich als Standort des „Funken-Biwaks“ am Karnevalssamstag zugesichert sei, könne nicht bestritten werden, erklärte Stadtdirektor Dr. Josef Baumann nach einer Mitteilung des Nachrichtenamtes in der Verwaltungskonferenz. Deshalb wird das Biwak auch in diesem Jahr auf dem Neumarkt stattfinden. […]“
1976 war der Ernstfall eingetreten. Es konnte nicht mehr am Josef-Haubrich-Hof gebaut werden, weil dort die Bauarbeiten für die Zentralbücherei begonnen hatten.
Aber wohin denn jetzt mit den Schaustellern, die ihre Karnevalsplätze nicht erst seit 1973 in Köln beantragten, sondern bereits seit 1825 also, über 150 Jahre.
Aber das bereits dreimal auf dem Neumarkt stattfindende „herrliche Biwak“ konnte man nicht auf den Heumarkt verlegen.
[Bereits] „die französischen Besatzer (1794-1814) hatten an der Wende zum 19. Jahrhundert, trotz Abschaffung aller wesentlichen politischen und sozioökonomischen Strukturen, den Karneval als eine kölnische Tradition anerkannt. Die von Kaufleuten, Juristen und Besatzungsoffizieren, separiert vom Volk, durchgeführten Maskenbälle im Gürzenich galten als gesellschaftliche Ereignisse. Die Teilnahme konnte sich jedoch nur der bürgerliche Mittelstand aufgrund der von den Franzosen erhobenen „Maskierungsgebühren“ leisten.
Nach Abzug der Franzosen, unter der preußischen Regierung, zog auch das 1823 gegründete Festordnende Comité‘, das heutige Festkomitee Kölner Karneval, von Beginn an eine klare Schranke zum einfachen Volk wie auch zu den Handwerkern.
Die Aufnahme ins Festkomitee kostete drei Taler, die etwa 60% eines Wocheneinkommens eines Handwerker-Meisters bedeuteten und somit nur von der Oberschicht der Kölner gezahlt werden konnten. Dadurch blieben die wohlhabenden Kölner innerhalb der Vereinigung und der Organisation des Zuges unter sich.
(Brog, S 64 f)
Die weniger wohlhabenden Kölner Bürgerinnen und Bürger konnten ohne Eintrittspreis an den Kirmesveranstaltungen im Straßenkarneval mit Karussells, Schaukeln, Schaubuden, Schieß- und Verlosungsbuden und leckeren Speisen und Süßigkeiten, die nur auf dem Volksfest angeboten wurden, teilnehmen. Obwohl diese Festform bei der Bevölkerung über Jahrzehnte so viel Begeisterung fanden, wird sie in der Kulturgeschichte der Stadt Köln nicht erwähnt.
Unberufen kann durch die Sicherung des Aktendeckels der „Registratur der Marktverwaltung“ mit der Signatur 725/25 vor dem Einsturz des Historischen Archivs der Stadt Köln fundiert belegt werden, dass bereits in dem Zeitraum von 1825 bis 1869 vom Marktamt der Stadt Köln Kirmesveranstaltungen zu Karneval durchgeführt wurden. „Karneval“ Acten der Stadt Köln Marktverordnung und die Organisation der Marktverwaltung. Angefangen 1825. Geschlossen 1869.
Bei den Recherchen wurden auch Anfragen aus den 1930er Jahren gefunden. Sie geben Auskunft über den Bildungsstand der damaligen Kölner Schausteller und ihre Bedeutung für die Kölner Wirtschaft.
Die Texte sind höflich, fehlerfrei, in einer der Zeit entsprechenden Hochsprache, fast durchweg auf Firmen-Briefpapier und formal in der damaligen Sütterlinschrift mit Füllfederhalter verfasst. Einige sind mit der Maschine geschrieben. Teilweise werden Bankverbindungen und Telefonanschlüsse angegeben. Sie sind im Archiv alle eingestellt.
Hier einige Beispiele:
Friedrich Delcour unterstreicht seine Anfrage zu Karneval mit dem Hinweis, dass die Genehmigung seines Gesuches ihn in die Lage versetzen würde, einer Anzahl von Arbeitern Brot zu verschaffen und außer bereits ausgeführter Arbeiten an seinem Hausbesitz Dürener Str. 98 und Klosterstr. 43 wie Hausanstrich, Pflasterarbeiten etc. weitere Aufträge an Kölner Handwerksmeister vergeben zu können. (Anfrage vom 24.11.1934)
Am 23. Januar 1936 schreibt Delcour erneut, dass er bereits den überwiegenden Teil [das höchste Standgeld] der größeren Geschäfte getragen habe, damit die minderbemittelten Bewerber zu angemessenen Preisen aufbauen können. Er zahle bereits 700 RM als Platzgeld für seine Raupenbahn, 300 RM als Spende für das Winterhilfswerk sowie 3000 Freikarten zum unentgeltlichen Besuch seines Unternehmens für die ‚Volksgenossen‘. (Anfrage vom 23.01.1936)
Alex Gormanns schreibt am 22.01.1934, dass er bereits seit fünf Jahren in Köln ansässig sei und sich immer mit seiner Schiffschaukel beworben habe und nun endlich auch berücksichtigt werden wolle.
Schon damals scheint die Voraussetzung einer Teilnahme an der Karnevalskirmes ein Kölner Wohnsitz gewesen zu sein.
Zurück ins Jahr 1976, als der KSTA schrieb:
„Dass Köln kein freies Gelände für Kirmes- und Volksfestveranstaltungen in der Stadtmitte anbieten kann, wenn eines Tages auch das Gelände am Sassenhof bebaut ist, gehört zu den Fehlern einer vorausschauenden Stadtplanung. Ein mit Platten belegter Architekturplatz wie dar Neumarkt sollte von vornherein für eine längerfristige Belegung mit Achterbahnen, Losbuden und Karussellen ausscheiden.“ KSTA. 28.01.1976
Am 29.01.1976 schrieb die Kölnische Rundschau:
„Funkenbiwak doch auf dem Neumarkt
Das schon traditionelle Funkenbiwak der „Kölsche Funke rut-wieß“ wird auch in dieser Karnevalssession am Karnevalssamstag auf dem Neumarkt stattfinden. Wie Funken-Präsident Hans Georg Brock der „Kölnischen Rundschau“ mitteilte, habe ihm Stadtdirektor Dr. Josef Baumann jetzt die feste und endgültige Zusage gegeben. Wie berichtet, sollten die Funken den Schaustellern weichen, die durch die Baustelle vor der Volkshochschule in diesem Jahr ihren Festplatz verloren haben.“ gr.
Ganz anders die Reaktion des Kölner Stadt Anzeigers. Am Dienstag, den 10. Februar 1976 war wieder einen Bericht über die Sorgen der Schausteller zu lesen. Man stellte sich ziemlich eindeutig auf die Seite der Kölner Schausteller, zeigte Verständnis und betont ihre Daseinsberechtigung.
„Im Hafen soll es rundgehen
Schausteller auf Jahre hinaus ohne Gelände
Köln soll einen Platz für Volksfeste, Kirmes und Zirkusvorstellungen auf dem Rheinauhafen-Gelände bekommen. Bis es soweit sein wird, müssen sich die Schausteller einschränken. Zum ersten Male jetzt zu Karneval: Der Neumarkt bleibt ihnen endgültig versagt.“
Die Meldungen in den Kölner Zeitungen waren niederschmetternd für die Schausteller.
Die letzte Hoffnung galt nun der Sitzung in der Bezirksvertretung 1 der Stadt Köln am 9. März 1976. Aber Stadtdirektor Dr. Baumann hatte die im Gespräch mit der Rundschau geäußerte Bemerkung „die Schausteller, die ja im Grunde mit dem Fasteleer gar nichts zu tun haben,“ im Raum stehen lassen und auch das Gerücht von geleisteten Wahlspenden seitens der Schausteller nicht abgewehrt.
Im „Kölschen Klüngel“ hatten die Schausteller keine Chance. Deshalb kam das Ergebnis der Sitzung nicht mehr so überraschend. Der Neumarkt war nun in Zukunft den Roten Funken sicher.
10. März 1976
„Festplatz gesucht
Ob der Neumarkt in der Karnevalssession 1977 als Festplatz dienen soll, wird die Stadtverwaltung „erneut erörtern“. Das kündigte Stadtdirektor Dr. Baumann gestern vor der Bezirksvertretung 1 an. In diesem Jahr habe man den Markt nicht den Schaustellern zur Verfügung stellen können, da die Roten Funken bereits eine schriftliche Zusage erhalten hätten und nicht bereit gewesen seien, zugunsten von Karussells und Geisterbahnen zu verzichten.
Allerdings wies Baumann darauf hin, dass der Neumarkt in etwa vier bis fünf Jahren als möglicher Festplatz wegen des weiteren U-Bahn-Baus völlig ausfalle. Zwar gebe es Überlegungen, bei der Neugestaltung des Rheinufers am Rheinauhafen einen Festplatz einzubeziehen, aber solche Gedanken seien noch weit von ihrer Verwirklichung entfernt. […] KSTA. 10.03.1976
1977 Endlich Plätze unter eigener Regie
1977 übertrug das Liegenschaftsamt der Stadt Köln die Vergabe der Plätze zu Karneval der Arbeitsgemeinschaft Kölner Schausteller. Dies war den unschönen Vorkommnissen während der Vertragsausgaben im vergangenen Jahr 1976 geschuldet.
Am 24.01.1977 wurde in einer Versammlung von Willi Kleiner, dem neuen Vorstandsvorsitzende des deutschen Schaustellervereins und Nachfolger von Walter von der Gathen, bekannt gegeben:
„Der 1. Vorsitzende des Kölner Schaustellervereins Kollege Willi Kleiner verlas den Mietvertrag, den die Arbeitsgemeinschaft von der Stadt Köln erhalten hatte. [Er machte] auf Grund des Inhaltes die Kollegen besonders auf die schärferen Bedingungen aufmerksam, den Vertrag genau einzuhalten und sich danach zu richten, um es dadurch möglich zu machen, den Platz im kommenden Jahre 1978 nochmals zu erhalten.
Der Kollege Willi Kleiner gab an Hand von Rechnungsvoranschlägen bekannt, dass die Kosten den Betrag von 30.300.-DM, ohne die noch nachträglich zu erwarteten Rechnungen übersteigen werden. Auf Grund dieser enormen Kosten wurden die Standgelder für die einzelnen Geschäfte gleichmäßig verteilt.“ (Vers. 24.01.1977) 1977 Abrechnung Sassenhof
Die Arbeitsgemeinschaft war keine juristische Person und auch die Fachgruppe I durfte nicht kommerziell in Aktion treten durfte. Deshalb liefen die Verträge bisher über den „Bezirksverband des Ambulanten Markt- und Schaustellergewerbes für den Regierungsbezirk Köln-Aachen e.V. Sitz Köln“.
1978 Zulassung für die Domplatte
Nachdem 1977 das letzte Mal vor dem Baubeginn des Maritim Hotels der komplette Sassenhof von den Schaustellern genutzt worden war, hatte die Stadt dem jahrelangen Werben, eine Karnevalsveranstaltung auf der Domplatte, dem Roncalliplatz, durchzuführen, entsprochen. Endlich führte die Geduld der Schausteller zum Erfolg.
„Nach einer längeren Verhandlung wurde uns die Zusicherung für den Roncalliplatz gemacht, wenn die einzelnen Stellen einverstanden sind.“ (Vers. 13.01.1978)
Der Vertrag traf tatsächlich ein.
1978 wurde das erste Mal auf der Domplatte eine Karnevalskirmes aufgebaut und der Erfolg war enorm.
1980 Auflösung der Arbeitsgemeinschaft Kölner Schausteller
Ende der 1970er Jahre war das Drängen der Stadt Köln immer stärker geworden, aus der Arbeitsgemeinschaft Kölner Schausteller eine juristische Person zu machen, die Rechte und Pflichten selbst trug.
Zum Jahresende 1980 wurde die „Arbeitsgemeinschaft Kölner Schausteller“ aufgelöst und eine Genossenschaft unter dem Namen: „Gemeinschaft Kölner Schausteller e.G.“, kurz GKS, gegründet.
Das Ende der großen Karnevals-Kirmes-Veranstaltungen unter der Führung der GKS
1991 fiel wegen des Golfkrieges der Rosenmontagszug in Köln aus. Auch der Vertrag für die Durchführung der Karnevalskirmes auf der Domplatte wurde von der Stadt Köln zurückgezogen.
In letzter Minute wurde der Neumarkt für die Karnevalstage freigegeben und die GKS baute dort eine kleine Kirmes ohne größere Fahrgeschäfte auf.
Nachdem einige Beschwerden des Domhotels zum Ordnungsamt drangen, dass sich einige Gäste durch das bunte Treiben auf dem Domplatz, während ihres Aufenthaltes in Köln zur Karnevalszeit, gestört gefühlt haben sollen, entschied die Stadt im Jahre 2003 den Schaustellern nach vierundzwanzig Jahren keine Zulassung mehr für den Domplatte/Roncalliplatz zu erteilen.
Damit endete ein Stück traditionelle Kulturgeschichte, welche fast zweihundert Jahre der allgemeinen Bevölkerung der Stadt Köln viel Freude bereitet hat.
© Margit Ramus