Entwicklung von Volksfesten A - Z

Kölner Volksfestkultur wie sie einmal war Teil I

Blick auf den Volksfestplatz in Köln-Deutz © Margit Ramus

Was ist denn da in Köln los?

Diese Frage stellten sich sicherlich viele Schausteller in ganz Deutschland im Frühjahr 2024 und schauen irritiert nach Köln und sein großes Frühlings-Volksfest am rechten Rheinufer mit Blick auf den Kölner Dom. Viele Schaustellefamilien haben seit Jahren ihren Saisonauftakt in Köln eingeplant.
Ein Fest zu Ostern, das in Hunderten von Jahren gewachsen ist und inzwischen jährlich über eine Million Besucher zu einem Bummel auf dem Platz zwischen den beiden Rheinbrücken lockt, steht plötzlich im Focus der allgemeinen Öffentlichkeit. 
Viele Menschen unterschiedlicher Länder, Religionen und Kulturen, Menschen aller sozialer Schichten und aller Altersgruppen kommen auf dem Kölner Frühlingsvolksfest zusammen.
Neben dem kulturellen und sozialen Austausch entdecken die Menschen dort den spannenden Dialog von bunten Bildern, Geräuschen, Nervenkitzel und Geschmacksreizen. Die Besucher genießen besonders am Abend den Reiz von Dynamik und einer fast vergessenen Romantik, die ein Volksfest bietet.
Immer wieder schön, dass so zu lesen, denn auch die Schaustellerinnen und Schausteller fasziniert diese besondere Welt.

Was ist passiert?

In der Presse war zu lesen, dass die Stadt Köln im Herbst 2023, aufgrund mehrerer Bewerber, entschieden hatte, eine Ausschreibung für die Oster- und Herbstkirmes in Köln-Deutz durchzuführen. Zur Überraschung aller, denn die Gemeinschaft Kölner Schausteller e.V. kurz GKS, veranstaltete sozusagen bereits in der dritten Generation, als Vertreter der Kölner Schausteller, das Kölner Frühlingsvolksfest und das Herbstvolksfest.
Vor der Gründung der GKS im Jahre 1980, hatte die Arbeitsgemeinschaft Kölner Schausteller diese Aufgabe jahrzehntelang erfolgreich gemeistert.
Nun zum ersten Mal ein Auswahlverfahren, bei dem ein junger Schausteller aus Leverkusen den Zuschlag bekommen hatte. Die GKS klagte gegen diesen Beschluss, ging aber bei dem sich anschließenden Losverfahren leer aus. Der Losentscheid ist ein von der Rechtsprechung anerkanntes Mittel, um eine Auswahl zwischen gleichwertigen Anträgen zu entscheiden.

Dennoch macht sich Unverständnis breit, wie es soweit kommen konnte.
Dies wurde zum Anlass, einmal in die Geschichte des Ostervolksfestes einzutauchen.
Viel zu wenig bekannt ist, dass auch Köln, genau wie andere Städte Deutschlands mit seiner Großveranstaltung zu Ostern auf ein Volksfest mit einer fast tausendjährigen Tradition zurückblicken kann. Beigetragen zur Entwicklung dieser Tradition haben die Schaustellerinnen und Schausteller als Träger dieser Feste. Nicht ohne Grund erheben sie den Anspruch, wichtigster Teil der deutschen Volksfestkunst zu sein.

Blicken wir einmal fast 1000 Jahre zurück

Bereits im Jahre 1075 wird in der Vita Annonis, der Lebensbeschreibung des Erzbischofs Anno II von Köln, der ‚weltberühmte Jahrmarkt, wie folgt erwähnt:

„Nahte endlich die einzigartige und freudige Feier des Osterfestes, an dem in Köln nicht nur aus allen Städten am Rhein, sondern auch aus überseeischen und noch entfernteren Provinzen zahllose Völkerscharen zu dem in der ganzen Welt berühmten Jahrmarkt zusammenströmten, so war dieser Zulauf für die Kölner Anlass zu doppelter Freude“ (Fuchs, 1990. Bd. I. S. 111)

Sie haben richtig gelesen, „in der ganzen Welt berühmter Jahrmarkt“.
Es ergibt sich die Frage, warum in Köln nach dem Zweiten Weltkrieg der Anschluss an die „erste Liga“ der deutschen Volksfeste nicht geschafft worden war. Seit Jahrzehnten heißt es in Fachkreisen, dass beide Veranstaltungen in Köln zu Ostern und im Herbst zu den kommerziell lukrativsten Volksfesten in diesen Zeiträumen gehören. Die Besucherzahlen stützen diese Beobachtung.
Mag es an einem Desinteresse des gehobenen Bürgertums in Köln liegen, das eher im Kölner Karneval den Höhepunkt im närrischen Kalender sieht?
Mag es an einer fehlenden Lobby der Kölner Schaustellerinnen und Schausteller liegen?
Liegt es an den nicht vorhandenen Parkplätzen des Festplatzes? Denn der Standplatz des Volksfestes, ist einzigartig in seiner Infrastruktur und ein Filetstück am Rheinufer – begrenzt, aber dennoch mit dem Blick auf das wunderschöne Panorama Kölns sehr interessant.
Ein nicht zu unterschätzender Faktor sind ohne Zweifel die Öffnungszeiten.
Man kann sich kaum vorstellen, dass der Pützchens Markt, die Dürener Annakirmes, die Cranger Kirmes oder die Allerheiligen Kirmes in Soest, um nur einige wenige über die Region hinausbekannte Volksfeste in NRW zu nennen, um 21.30 Uhr schließen müssten.
Bis Mitte der 1995 Jahren flankierten die Menschen oft bis nach Mitternacht über den Festplatz in Köln und genossen das besondere Flair der Volksfestkultur bei nächtlicher Beleuchtung.

Historischer Kontext des Jahrmarktes zu Ostern in Köln
  •  Im 11. Jahrhundert erhielt Köln durch Kaiser Konrad II. das Recht, jährlich zu Ostern einen Jahrmarkt abhalten zu dürfen.
  • Das Privileg wurde von Kaiser Karl V. bei einem Besuch in Köln am 31. Oktober 1520 erneuert. Aus Akten, die vor dem Einsturz des Kölner Stadtarchivs gesichtet und kopiert wurden, kann eine fast kontinuierliche Folge, von dem in Köln um Ostern stattfindenden Jahrmarkt, vom Mittelalter bis zur Gegenwart, mit Ausnahmen bei Kriegen und Seuchen, festgestellt werden. 
  • Als Napoleon I. 1804 Köln besuchte, machte er Köln zur „Stadt erster Ordnung des Rheinlandes“ und erneuerte bei einem weiteren Besuch am 2. Juli 1808 das Jahrmarktrecht zu Ostern.
    Eine Urkunde Napoleon Bonaparte bestätigt die weitere Durchführung des bekannten Oster-Jahrmarktes. © Kölner Stadtarchiv Bestand 771 (Marktverwaltung) A66 Kirchweih und Schützenfeste. 
  • Am 15. Dezember 1852 wurde erstmalig  ein genauer Bebauungsplan und eine Vergabeverordnung des Oster-Jahrmarkts auf dem Alter Markt vorgeschrieben. Er ist durch eine überlieferte ordnungsbehördliche Bestimmung belegt.
  • Die Vergabe erfolgte über eine Verlosung der Standplatznummern. An der Verlosung durften nur Inhaber von fest gezimmerten Holzhütten teilnehmen. In den Buden durften weder Kaffee gekocht, noch Kohlen zum Erwärmen angezündet werden. Wenn ein Marktbeschicker gegen diese Feuerschutz-Verordnung verstieß, wurde dessen Bude sofort geschlossen.
  • In der ebenfalls überlieferten Polizeiverordnung werden auch Komödianten erwähnt. Gaukler durften Kunststücke mit dressierten Affen und Hunden in Kleinmenagerien zur Volksbelustigung vorführen.
  • Kleine Karussells waren auch schon früh anzutreffen.
  • Bänkelsänger, die bei den Besuchern besonders beliebt waren, durften Nachrichten und die schaurigsten Mordgeschichten verkünden.
  • Auch Barbiere oder Quacksalber gingen ihren Geschäften auf dem Jahrmarkt nach.
  • Schaubuden waren eine besondere und beliebte Attraktion. Ihr Repertoire reichte von der Schaustellung des dicksten, kleinsten oder größten Menschen hin, bis zu sonstigen Anomalitäten. Diese Dinge sind heute natürlich inakzeptabel.
  • Das Standgeld betrug 4 Pfennige pro Fuß (30,5 cm) der Frontlänge. Für kleine Buden bis 6 Fuß Front wurde ein Standgeld von 16 Pfennig und für einfache Tische 10 Pfennig berechnet. Das Standgeld für ein Karussell betrug 25 Pfennig am Tag.
  • Die Beschicker hatten vor der Teilnahme am Jahrmarkt, den Nachweis ihrer Gewerbesteuer-Unbedenklichkeitserklärung sowie die Quittung des bereits gezahlten Standgeldes im Polizeikommissariat und auf dem Marktamt vorzulegen. Firmen mit Steuerschulden wurden nicht zugelassen.

Am 10. November 1876 wurden der kommende, jährlich stattfindende Nicolai- und Weihnachtsmarkt sowie der Oster-Jahrmarkt vom Alter Markt auf den Heumarkt verlegt.

  • Der § 32 der Polizeiordnung schrieb auch hier eine bestimmte Bebauung vor. Die Hütten mussten in gleichlangen Reihen an der Südseite des Platzes anfangen und durften nicht über den nach Osten verlängerten Straßenzug der Genergasse hinausgehen. Innerhalb der Budenreihen mussten an geeigneten Stellen Durchgänge freigehalten werden. Außerdem durften die Hütten nur eine offene Verkaufsseite haben. Sogenannte Schirmdächer oder Dachüberstände der Hütten hatten die Höhe von 2,20 Fuß einzuhalten.
  • Weiterhin wurden die beliebten Schaubuden zugelassen. Es sollen damals bis zu zehn Schaubuden in Köln zur Auswahl gestanden haben.
1885 erste Diskussionen um Aufhebung des großen Oster-Jahrmarktes 

Am 5. Februar 1885 wurde in einer Stadtverordnetenversammlung ein neuer innerstädtischer Bebauungsplan vorgelegt, der für den Heumarkt eine Promenade vorsah. 
Es folgte die Diskussion den Oster-Jahrmarkt und den Nicolai- und Weihnachtsmarkt vom Heumarkt auf den Domhof zu verlegen oder ganz aufzuheben.
Einer Verlegung auf den Domhof war man nicht abgeneigt. Der Platz am Dom sei groß genug und der Markt würde den Anblick des Domes nicht im Geringsten beeinträchtigen, argumentierten einige Ratsherren. „Auch sei der Verkehr durch den Jahrmarkt am Dom nicht beeinträchtigt.“
Ebenfalls wolle man nicht darüber streiten, ob der Jahrmarkt „der Würde des Gotteshauses entspräche.“

Gegen eine eventuelle Aufhebung des Oster-Jahrmarktes sprachen der jährlich rege Besucherstrom der Bürger aus Köln und dem nahen Umland. Die Existenzgefährdung der Kölner Schaustellerfamilien scheint bereits damals gar nicht von belang gewesen zu sein. 
Allerdings war durch die Standgeld-Einnahmen die volkswirtschaftliche Bedeutung der Volksfeste für die Stadt nicht unerheblich. Zahlte z.B. nur eine einzige Schaubude 2299 Mark, brachte der gesamte Töpfermarkt an St. Gereon nur 168 Mark ein.
Die anwesenden Ratsherren konnten zu keiner Einigung kommen, wollten noch einmal die Wirtschaftlichkeit des Oster-Jahrmarktes für die Stadt prüfen.
Die Diskussion wurde am 19. Februar 1885 in der 5. Stadtverordneten Versammlung wieder aufgenommen. Zunächst sah es so aus, dass der Oster-Jahrmarkt und der Nicolai-Markt beibehalten würden.
Man überlegte jedoch auch den Standort der Volksfeste wegen ihrer „kulturhistorischen oder internationalen Bedeutung“ auf den Ubierring oder den Salierring zu verlegen.
Heftige Kontroversen entbrannten. Aus den amtlichen Listen geht hervor, dass von den 92 Budenbesitzern 42 Kölner Geschäftsleute waren, die ihre Existenz bei Aufhebung der beiden Jahrmärkte bedroht sahen. Wieder werden in den überlieferten Dokumente die Schausteller, damals bereits Träger der Volksfeste nicht erwähnt.
Man erinnerte sich jedoch, dass der Stadt erhebliche Steuereinnahmen verloren gingen. Deren Höhe  bereits Otto von Bismarck erkannt hatte, als er in einer Parlamentssitzung einmal gesagt haben soll: „Hände weg vom Wandergewerbe, das sind meine besten Steuerzahler“. (Lehmann 1952. S.28.)

Ende des Oster-Jahrmarktes

Man konnte sich nicht einigen und verschob die Angelegenheit.
Am Nachmittag des Silvestertags 1885 ergab, völlig überraschend, eine Abstimmung mit der Mehrheit von einer Stimme, die Aufhebung des Oster-Jahrmarktes und des Nicolai-Marktes. Der Beschluss der Rat der Stadt, den bereits im 11. Jahrhundert als „in der ganzen Welt berühmten Jahrmarkt“ genannten Oster-Jahrmarkt abzuschaffen stieß auf Bedauern und Unverständnis bei den Kölner Bürgern und Bürgerinnen. (Fuchs, 1990. Bd. I. S. 111) Die Würfel waren gefallen!

Im Herzen der Stadt bangten die Kölner Bürger und -Schausteller nun auch um ihre kleinen Volksfeste in den Stadtteilen und Vororten. Aber Kirchengemeinden, Gesang- und Schützenvereine bemühten sich erfolgreich in den eigenen Kölner Stadtteilen um den Erhalt ihrer Feste.
Es sollte aber auch nicht das völlige Aus des Oster-Jahrmarkts in Köln sein.
Denn die Entwicklung der Volkfeste war, auch durch die übereilt getroffene Entscheidung in Köln am Silvestertag des Jahres 1885, nicht mehr aufzuhalten.
Bereits im anbrechenden 19. Jahrhundert hatte sich der Jahrmarkt durch die wachsende Bevölkerungszahl und die industrielle Revolution allerorts verändert. Der ehemalige Ort des Handels war längst zum Ort des Vergnügens geworden, indem aus Spielgeräten höfischer Gärten Karussells für das ganze Volk geworden waren und zur Verbreitung vieler technischer Innovationen erheblich beitrugen wie z. B. der Phon- oder Kinematograph und vieles mehr.

Aufgrund des Drängens der Kölner Bürger und der ortsansässigen Schausteller gestattete das städtische Marktamt, weiterhin das Osterfest mit einem Jahrmarkt zu feiern.
Es ergaben sich kleine Plätze an der Neusserstraße/Agneskirche, am Venloerwall/West-Bahnhof, in Mülheim/Oskarplatz, Sions Thal/Spielplatz in Longerich und in Ehrenfeld/Neptunplatz.

Kölner Schausteller organisierten sich

In vielen deutschen Großstädten hatten sich Ende des 19. Jahrhunderts die Schausteller in eigenen Interessenverbänden zusammengefunden, so auch in Köln. 
Am 2. Januar 1897 wurde der „Verein reisender Handelsleute, Schausteller und Berufsgenossen“ gegründet. (Protokollbuch vom 12. März 1897)
Zu den Gründungsmitgliedern gehörten die Schausteller:
Josef Ganssen; Jean Dorff; Peter Eberich; Martin Kalenberg; Josef Krämer;
Everhard Plien; Theodor Rechmann; Karl Saas; Karl Scholten; Jakob Spiro;
Heinrich Zimmermann; Franz Weindorf.
Im Jahre 1891 wurde der Verein dem „Zentralverband deutscher Händler, Markt- und Messereisender“ angeschlossen.

Zwischen 1921 und 1933 folgten weitere Vereinsgründungen, die die unterschiedlichsten Interessen vertraten. Aufgrund überlieferter Anschreiben an die Stadt Köln ist zu belegen, dass die nun erstmals gegründeten Berufsorganisationen sich mit Anträgen um die Organisation der nach 1885 entstandenen kleinen Oster-Jahrmärkte bemühten. Spätere Zeitzeugen berichteten, dass das Marktamt schon damals eng mit diesen Kölner Schaustellerorganisationen zusammenarbeitete und sie in die Vergabe der Plätze einbezog, aber sich die Vergabe, mittels Versteigerung oder Auslosung der einzelnen Schaustellergeschäfte, vorbehielt.

1. Verein Rheinischer Fahrgeschäftsinhaber und Schausteller Köln – Sitz Berlin – Gau Rheinland
2. Verband der Spielbudenbesitzer, Sitz Köln, Ortsgruppe Köln
3. Vereinigung der Kölner Spezialisten
4. 1926 Frauenbund Colonia

Alle diese Vereine waren dem Reichsverband Ambulanter Gewerbetreibender Deutschlands e. V. unterstellt oder angeschlossen. Der später, 1951, als Hauptgeschäftsführer des Deutschen Schaustellerbundes (DSB) gewählte Walter Oeser, galt als maßgeblicher Funktionär des Reichsverbandes Ambulanter Gewerbetreibender Deutschlands e. V. Oeser vertrat schon damals die These, dass eine Berufsvertretung nur dann stark sein kann, wenn ihr alle Gruppen oder Sparten — in diesem Falle „alle ambulanten Gewerbetreibenden“ — angeschlossen sind.

Schaustellerfrauen hatten, wenn überhaupt, nur als Gäste Zugang zu den Versammlungen, ohne Stimmrecht. Deshalb gründete die Großmutter der Verfasserin, Hubertine Schoeneseifen 1926 den Frauenbund Colonia, als Rheinischer Frauenbund „Colonia“ Wohltätigkeits-Verein Sitz Köln. Dieser Verein gab den Schaustellerinnen eine gewisse, wenn auch kleine Plattform für ihre eigenen Anliegen und soziale Aufgaben.

Neben den bereits erwähnten Vereinen gab es in Köln in den 1930er Jahren weitere Berufsorganisationen. Über die Gründung konnte bisher nichts herausgefunden werden. Einige Mitglieder konnten aufgrund der Unterschriften auf den Schriftstücken ermittelt werden.

1. Reichs-Union reisender Schausteller und Berufsgenossen
2. Reichsverband ambulanter Gewerbetreibender Deutschlands, Sitz Berlin + Ortsverwaltung Köln, Fachgruppe der Händler, Schausteller und Berufsgenossen
3. Wirtschaftliche Vereinigung Kölner Lustbarkeitsunternehmer (WVKL), Sitz Köln
4. Verein reisender Handelsleute, Schausteller und Berufsgenossen gegründet am 02.01.1897, fand 1899 den Anschluss an den 1891 gegründeten Zentralverband deutscher Händler, Markt- und Messereisender.
5. Volkswohlfahrt e.V. Bezirksleitung Köln
6. Wirtschaftsgruppe ambulantes Gewerbe in der Reichsgruppe Handel, Gau: Köln-Aachen

1933 Wirtschaftsgruppe ambulantes Gewerbe

Die überlieferten und im Archiv eingestellten Dokumente der Kölner Berufsorganisationen schildern die Sorgen, Nöte und Erfolge einer Berufsbranche, die in Deutschland kaum ihresgleichen findet.
Dann veränderte sich alles.
1933 beschloss das damalige Reichswirtschaftsministerium im Zuge der ‚einheitlichen Benennung der Verbände der damaligen gewerblichen Wirtschaft‘ die Umbenennung des Reichsverbandes Ambulanter Gewerbetreibender Deutschlands in die Wirtschaftsgruppe Ambulantes Gewerbe.
Am 1. April 1936 wurden alle beruflichen Organisationen, in Köln gab es acht Berufsorganisationen, in der „Wirtschaftsgruppe ambulantes Gewerbe“ zwangsvereinigt. Von da an waren alle Schausteller der „Joseph Goebbels Reichskulturkammer“ unterstellt.
In der Wirtschaftskrise nach 1929 war es vielen Menschen, darunter auch den Schaustellern, nicht gut gegangen. Aber mit dem Ende der hohen Arbeitslosigkeit soll es wieder aufwärts gegangen sein.
Den Nationalsozialisten passten die Volksfeste gut in ihre Ideologie und sie nutzten sie zu Propagandazwecken, z.B. mittels Fahnen-Einmärschen. Zwar mussten die SchaustellerInnen keiner NS-Organisationen beitreten, aber gewisse Auflagen z.B. in der äußeren Gestaltung der Plätze und Geschäfte erfüllen, um ihre Betriebe fortführen zu können.

1945 lag Köln in Trümmern…

Vergessen war das Bummeln auf Jahrmärkten, der Geruch von gebrannten Mandeln, der Nervenkitzel der Achterbahn, das Schaukeln in kleinen Schiffen oder das Schwingen an Ketten bis in die Wolken, vergessen der erste scheue Kuss auf der Raupe.
Aber die Überlebenden des endlich zu Ende gegangen Krieges waren zuversichtlich. Auch die Schausteller räumten an vielen Stellen in der Stadt die Trümmer weg. Kleine Kirmesveranstaltungen schossen in den amerikanischen und englischen Sektoren wie Pilze aus dem Boden. So auch in Köln. Die Überlebenden begannen wieder zu riechen, zu schmecken, zu fühlen. Die bunten Karussells, Los- und Schießbuden inmitten der Trümmer sorgten bei Männern, Frauen und Kindern für neue Lebensfreude.
Die „Wirtschaftsgruppe ambulantes Gewerbe“ wurde wieder aufgelöst.

Vereinsgründungen nach dem Zweiten Weltkrieg
Neue Zeit ab 1950

1950 gründete der Kölner Schausteller Willi von der Gathen den Kölner Schausteller Verband e.V. Er wurde dem Deutscher Schaustellerbund e.V. abgekürzt DSB, mit Sitz in Berlin angeschlossen.
Nun schien die Zeit gekommen zu sein, die alte Tradition eines zentralen Oster-Jahrmarktes wieder ins Leben zu rufen. Es sollte etwas Großes, etwas Besonderes werden. Ein Ort zum Verweilen. Ein Ort, die Seele baumeln zu lassen. Die Menschen sollten auf Köln und ihr Volksfest schauen.
Außerdem galt das Anliegen, den aus dem Krieg heimkehrenden Schaustellern wieder eine Möglichkeit zu verschaffen ihre Familien zu ernähren. Einige Schaustellergeschäfte waren teilweise zerstört, viele aber auch auf dem Land versteckt gewesen. Von inzwischen verstorbenen Zeitzeugen wurde berichtet, dass fast alle Kölner Schaustellerfamilien den Krieg überlebt und ihre Geschäfte schnell wieder betriebsfähig gemacht hatten.

Nun sollte das Leben wieder pulsieren.

Aber wo? Alle in Frage kommenden Plätze in Köln lagen noch voller Schutt. Da kam der rettende Gedanke, die Kölner Messe in Deutz zu nutzen. Sie war 1924 gegründet worden und zählte zu den bedeuteten Messen in Deutschland. Auch war man dem Schaustellergewerbe wohlwollend gesonnen, denn zur Pressa 1926 hatte der Karussellbauer Fritz Bothmann eine durch das ganze Gelände führende Schienenbahn eine Art Bummelzug gebaut und damit einen wichtigen Kontakt zwischen den Schaustellern und den Verantwortlichen der Messe geknüpft. Nun hoffte man, dass die Messe schnell wieder freie Flächen schaffen würden um eine Menge Besucher nach Köln zu locken und ein Platz für die Schausteller zur Verfügung stellen würden.
1950 startete das erste große Oster-Volksfest in der Kölner Messe in Deutz; Initiator war Willi von der Gathen, aber der Veranstalter wieder das Marktamt der Stadt Köln, denn die Einnahmen der Standgelder waren sicherlich nicht unerheblich.
Im Übrigen hätte damals niemand die finanziellen Mittel gehabt, den kompletten Platz anzumieten und für alle Kosten in Vorkasse zu gehen. So war dies die einfachste Lösung. Erfreulicherweise strömten die Menschen in Scharen, obwohl man die Rheinseite gewechselt hatte.

Die originalen Beschicker-Listen der Oster-Volksfeste der 1950er Jahre gingen mit dem Einsturz des Kölner Stadtarchivs verloren. Überliefert sind jedoch Anträge zu Karneval und Oster-Veranstaltungen der Vorkriegszeit von Kölner Schaustellerfirmen für ihre Geschäfte.
Übersicht der Geschäfte Kölner Schausteller aus den Jahren 1931-1939, die auch noch nach dem Krieg relevant waren:
• Drei Auto-Skooter von Rosenzweig, Hartkopf und Kusenberg
• Eine Achterbahn von Hartkopf
• Drei Raupe (n) von Schiffer, Heindrich, und Delcour
• Karussells von Buntenbroich, Hardt, Schüle, und Bauermeister
• Zwei Schaukeln von Schiffer und Rosenzweig
• Eine Schaubude von Walter von der Gathen
Lauf- und Belustigungsgeschäfte von Baese und Schäfer
• Verlosung (en) von Köhler u.a.
• Schießbuden von Milz u.a.
Spielgeschäfte von Schoeneseifen u.a.
Imbiss von Sessenhausen
• Eis von Keim, sowie Verkauf von Bröhl

Nach dem großen Erfolg des ersten Oster-Volksfestes in Deutz beschloss die Stadt das Konzept einer großen einheitlichen Osterkirmes in Köln fortzuführen. Die kleinen Standplätze der Vorkriegszeit wurden teilweise für Karnevalsveranstaltungen beibehalten.
Bildung der Arbeitsgemeinschaft Kölner Schausteller

Gründung der Arbeitsgemeinschaft Kölner Schausteller

Am 7.12.1960 beschloss die Stadt Köln, die Organisation der inzwischen Oster-Volksfest genannten Veranstaltung den beiden ortsansässigen Berufsverbänden zu übertragen, dem „Deutschen Schaustellerbund e.V.“ kurz DSB genannt, Ortsverband Köln, und der damaligen Hauptvereinigung des ambulanten Gewerbes und der Schausteller in Deutschland e.V.‘, HAGD.

Es wurde eine „Arbeitsgemeinschaft Kölner Schausteller“ gebildet, die sich aus zwei Personen zusammensetzte, dem Fachschaftsleiter der Fachgruppe I des Bezirksverbands, Theo Rosenzweig, und dem 1. Vorsitzenden des Kölner Schausteller Verband e.V., Willi von der Gathen. Die Arbeitsgemeinschaft hatte jedoch keine Rechtsfähigkeit. Es war ein Kompromiss, denn der DSB durfte und darf bis heute laut Satzung keine Volksfeste veranstalten. Das gleiche galt für die Fachgruppe I des Bezirksverbandes. Den Landesverbänden der HAGD dagegen war dies erlaubt. Deshalb war die Bildung einer Arbeitsgemeinschaft das Mittel der Wahl.
1960 war der sich bis dato jährlich verlängernden Vertrag mit der Kölner Messe, die dem immer mehr expandierenden Ostervolksfest einen Teil ihrer Parkplätze zur Durchführung überlassen hatte, nicht mehr verlängert worden. Endlich entschied die Stadt den Schaustellern einen angemessenen Festplatz zur Verfügung zu stellen.

1960 Neuer Standplatz für das Ostervolksfest in Köln

Es war das Gelände des Verkehrsübungsplatzes an der Constantin Straße im Herzen von Köln-Deutz (heutiger Standort der Lanxess-Arena).
Es begann eine interessante Zeit für die Entwicklung des Kölner Ostervolksfestes. Bis ins 19. Jahrhundert hatte die Veranstaltung ‚Oster-Jahrmarkt‘ geheißen, später wurde sie in ‚Oster-Volksfest‘ und ab 1980 in ‚Kölner Frühlingsvolksfest‘ umbenannt.
Eröffnet wurde am Ostersamstag und geendet am ersten Sonntag nach dem 1. Mai. Manchmal ergab sich eine Spielzeit über fünf Wochen. Irgendwann war ein Zeitraum von 16 Tagen, beginnend mit dem Ostersamstag, festgelegt, wobei 2024 die Veranstaltung erstmalig nur bis zum Weißen Sonntag stattfinden soll.
Leider wurde über das Ostervolksfest in diesen Jahren nichts konkret dokumentiert. Die einzigen überlieferten schriftlichen Quellen sind unter Arbeitsgemeinschaft Kölner Schausteller und der Fachgruppe I der Kölner Schausteller nachzulesen. Die Quellen wurden ergänzt mit den Erinnerungen der noch lebenden Zeitzeugen. Somit lässt sich ein buntes Bild beschreiben.
Köln wurde damals Anziehungspunkt vieler Schausteller aus Nah und Fern. Premieren wie die vom größten reisenden Zeppelin–Karussell wurden in Köln gefeiert. Die größten Achterbahnen und Riesenräder sorgten schon in jenen Jahren für erheblichen Nervenkitzel.
Bis weit nach Mitternacht konnten die Besucher damals über das Volksfest bummeln, alle Fahrgeschäfte benutzen, sich den herrlichsten Gaumenfreuden hingeben und beim Spiel ihr Glück versuchen. Schließzeiten waren damals in Köln noch nicht vorgeschrieben, wie auch heute noch in vielen Großstädten Deutschlands.

Gründung der Gemeinschaft Kölner Schausteller kurz GKS

Ende der 1970er Jahre wurde das Drängen der Stadt Köln immer stärker aus der „Arbeitsgemeinschaft Kölner Schausteller“ eine juristische Person zu machen, die Rechte und Pflichten selbst trug.
1980 wurde die Genossenschaft „Gemeinschaft Kölner Schausteller“ kurz GKS gegründet und im Dezember des gleichen Jahres beim Amtsgericht Köln in das Genossenschaftsregister eingetragen.
Der Vorstand wurde von den beiden Kölner Berufsorganisationen gestellt. Josef Schoeneseifen, Vorsitzender der Fachgruppe I (HAGD) und Willi Kleiner, 1. Vorsitzender Schaustellerbund Köln e.V.
Seitdem war die GKS Vertragspartner der Stadt Köln und in ihrer Hand lag die Durchführung und Ausrichtung vieler Kölner Volksfestveranstaltungen. Das ‚Frühlingsvolksfest Köln‘ bildet einen der beiden Volksfest-Höhepunkte im Jahr, denn seit 1980 wurde auch ein Herbstvolksfest in Köln von der GKS veranstaltet.

Standortwechsel

Durch den Bau der Köln-Arena ergab sich 1996 ein Standortwechsel. Zunächst trauerten viele Schausteller dem alten und bewährten Volksfestplatz an der Constantin Straße nach, aber es sollte anders kommen.
Der neue Standort am rechten Rheinufer zwischen den beiden Rheinbrücken wurde zum vollen Erfolg für die beiden Volksfeste im Frühling und im Herbst.

© Margit Ramus

 

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