Schausteller-Nachrufe A - Z

Oscar Bruch

Alpina Bahn - Bruch Düsseldorfer Rheinwiese 2002 © Mark Schumburg
Oscar Bruch senior — eine Hommage an einen großen europäischen Schausteller und Menschen

„In der Nacht vom ersten auf den zweiten Weihnachtstag ist Oscar Bruch senior im Alter von 77 Jahren von uns gegangen. Sein Leben galt der Schaustellerei und seiner Familie.

Rückblick

Familie Bruch ist seit 1848 auf Reisen und eng mit Düsseldorf verbunden. Die fünfte Generation – d.h. Oscar (*1940), seine Brüder Franz (*1937), Willi (*1938) und Harry (*1952) – beschicken seit den sechziger Jahren Volksfeste in Deutschland und anderen europäischen Ländern. Während Franz und vor allem Willi an die Riesenradtradition anknüpfen, Harry sich den Fahrgeschäften und der Reisegastronomie widmet, wagt Oscar den ganz großen Schritt ins Schienengeschäft der Königsklasse!

Oscar Bruch erblickt am 17. Oktober 1940 in Oberhausen das Licht der Welt. Er wächst in der sowohl von Entbehrung als auch von Aufbruchsstimmung der Nachkriegszeit auf den Rummelplätzen einer noch sehr jungen Republik auf. Wirtschaftswunder und Rock’n Roll prägen ihn, wie so viele Jugendliche seiner Zeit. Hier wurzelt wohl auch sein mutiger Unternehmergeist, den ihn künftig zum « immer grösser, immer höher, immer schneller » antreiben wird.

1961 lernt er seine zukünftige Frau Inge auf dem Kirmesplatz kennen. Sie ist eine Tochter der Schaustellerfamilie Barth. Zwei Dynastien treffen sich. 1962 wird geheiratet. Oscar und Inge machen sich auch gleich mit dem « Helikopter » und einem Ringwerfen selbstständig. Inge wird nun zu seiner wichtigsten Stütze und Ratgeberin, welche ihn auch schon Mal auf den sprichwörtlichen Teppich zurückbringen muss, wenn der Erfindergeist zu sehr mit ihm durchgeht. Bereits 1963 kündigt sich die sechste Generation an. Sohn Oscar junior kommt zur Welt. Sieben Jahre später folgt Tochter Angela. Beide lernen früh Verantwortung zu übernehmen. Somit ist der Fortbestand der Schaustellertradition in der Familie gesichert.

Berufliche Entwicklung

Oscar Bruch versteht es recht früh in Sachen Beschickung der Volksfeste am Puls der Zeit zu sein. Er beobachtet aufmerksam die rasante Entwicklung der Freizeitindustrie in den fünfziger Jahren, um in den sechziger Jahren mit seiner frisch angetrauten Gattin, genau auf diesen Zug, der beide ganz nach vorne und ganz nach oben bringen wird, auf zu springen. In den folgenden vier Jahrzehnten gehen so zahlreiche bekannte Fahrgeschäfte unter ihrer Regie an den Start. « Hully Gully », « Bayern Kurve », « Love Bugs », « Cinema 180 », « Petersburger Schlittenfahrt », « Break Dance », « Rock’n Roller », « Top Spin 2 » sind einige der mehr als vierzig Rummelplatzattraktionen aus dem Hause Oscar Bruch.
Oscars Kurs ist stets auf Innovation ausgerichtet. Als leibhaftiger « Showman » sucht er unermüdlich das Karussellangebot – dabei ist Karussell hier im erweiterten Sinne zu verstehen – auf den deutschen und europäischen Festplätzen zu bereichern. Für ihn bedeutet dies jedes Mal eine neue Herausforderung, welcher er akribisch mit sehr viel Selbstdisziplin gerecht werden will. 1976 steigt er mit dem « Alpenblitz » in das Universum der Achterbahnen ein. Mit Schienen und der Firma Schwarzkopf hat er bereits seit 1970 durch die « Bayern Kurve » Erfahrung.

Einstieg ins Schienengeschäft

Vom Vorbild der dynamischen US-amerikanischen Freizeitindustrie angespornt, bringt Oscar Bruch die ersten großen transportablen Coaster auf den alten Kontinent. Ob 1978 der « Looping Star » (in Kooperation mit Fa Kinzler), 1979 der « Corkscrew » (in Kooperation mit Fa Kinzler), 1981 der « Colossus »(in Kooperation mit Fa Robrahn), 1983 die « Himalaya-Bahn » (seit 1998 Neugestaltung als « Alpina-Bahn »), 1989 der Vierer- Looping « Thriller » oder 1995 der « Euro-Star », es sind jedes Mal wahre Pionierleistungen in der Welt der Schaustellerei! Aber auch andere Bahnen, der « Cyberspace », die « Spinning Mouse » und der « Spinning Racer » gehören Anfangs des neuen Jahrtausends zum bunten Kirmestreiben.
Der « Euro-Star » setzt jedenfalls völlig neue Maßstäbe. Es ist der erste und grösste transportable Inverted Coaster der Welt. Namhafte Konstrukteure, das renommierte Ingenieurbüro Stengel sind an der Entwicklung dieses Projektes beteiligt. Oscar Bruch hat hierfür sein eigenes Konstruktionsbüro gegründet. 1996 überschattet ein Unfall auf dem Münchner Oktoberfest die Erfolgsstory. Aber Oscar glaubt an den « Euro Star » und die Fahrt kann weiter gehen. Mehr als ein Jahrzehnt lang feiert dieses monumentale Geschäft viel bestaunte und gut besuchte Auftritte. Getreu dem Firmenkonzept, wird es kontinuierlich auf dem neuesten Stand gehalten. Die Dimension: 1200 t Gewicht, 843,8 m Schienen, 126 Schienenelemente, 35 m Drophöhe werden in 90 Transporten von 18 Zugmaschinen von Grandplatz zu Grandplatz bewegt, aufwändig auf- und abmontiert!

Der Fachberater Oscar Bruch

Oscar Bruch gilt als viel geschätzter Fachmann in der Branche. Nicht umsonst wird er vom DSB zum Bundesfachberater für Fahrgeschäfte ernannt. Auch in der ESU hat seine Stimme Gewicht. Mit seinem gewieften Auge für Technik, Mechanik und Logistik kennt er seinen Fuhrpark und seine Geschäfte bis ins Detail. Das hat damit zu tun dass er sich für das was er tut interessiert und sich mit dem auch identifiziert. Selbstbewusst und verantwortungsvoll prägt er auch das Bild des modernen Schaustellers in unserer Gesellschaft. Jeder Handgriff, jeder Arbeitsschritt an seinen Anlagen sind ihm vertraut.
Perfekte Wartung genießt bei ihm oberste Priorität. Das macht auch das Prädikat « bekannt und bewährt » im Bezug auf die Fahrgeschäfte aus dem Hause Bruch aus.

Der Veranstalter Oscar Bruch

« Ein Mann, ein Wort! », so funktioniert sein Geschäft oder sagen wir seine Geschäfte, für welche er ohne Rast und Ruhe tausende und abertausende Kilometer im Auto oder im LKW zurücklegt. Er ist vielerorts ein gern gesehener Gast und Beschicker. An Visionen mangelt es nun wahrlich nicht. Auch der Trierer Weihnachtsmarkt (1980) und das « Französische Dorf » (1992) gehen auf sein Konto.

In der folgenden Galerie sind Detailaufnahmen vom Französischen Dorf der Familie Bruch auf dem Düsseldorfer Schützenfest 2007. Fotos 21.07.2007 © Margit Ramus

 

Bruchs zeigen aber auch noch Veranstaltertalent: das Europa-Volksfest in den Trierer Moselauen, an welchen Oscar Kollegen aus ganz Europa teilnehmen lässt, ist Anfang der neunziger Jahre ein Stelldichein der Superlative. Vorsitzender und Ehrenvorsitzender des Vereins reisender Schausteller Trier e.V., Ehrenmitglied des Düsseldorfer Schaustellerverbandes, Träger des Ehrenbriefes der Stadt Trier, Träger der Jan-Wellem-Statuette der St. Sebastianer und der Stadt Düsseldorf, dies alles zeugt von Anerkennung für ein geleistetes Lebenswerk.

Aber auch wenn er den großen Fahrgeschäften verschrieben ist, den Konstrukteuren und Zulieferern der Branche ein leibhaftiger Begriff ist, Oscar Bruch verliert nie den Kopf. Er respektiert jeden Schausteller ganz gleich welches Geschäft er betreibt. Er respektiert und mag die Menschen, kennt jeden seiner Mitarbeiter. Trotz seiner Verpflichtungen findet er Zeit für Geselligkeit, kommentiert er die Sportaktualitäten, singt er, hat er stets ein nettes und großes Lächeln, eine gute Packung Humor und ein großes Herz mit dabei! Hilfsbereit greift er so manchem Kollegen mit Rat und Tat unter die Arme. Solidarität unter Kollegen ist ihm wichtig.

Abschied

Oscar Bruch, « Onkel Oscar », wie man ihn liebevoll im Kreise seiner Vertrauten nannte, hat uns nun verlassen. Von seinem Schlaganfall im Jahre 2000 hat er sich nie richtig erholt. Trotz seiner Krankheit versuchte er dabei zu sein. Seine Frau Inge war immer an seiner Seite und leitete zusammen mit den Kindern die Geschäfte weiter. Der Weihnachtsmarkt in der Römerstadt ist zu einer Referenz in Europa geworden. Der « Spinning Racer » ist auch heute noch Publikumsliebling auf den Festplätzen. Die « Alpina-Bahn » wird von Tochter Angela mit Erfolg weiter betrieben. Ossi Bruch hat dem Französischen Dorf wieder neues Leben geschenkt und bleibt mit seinen Riesenrädern der Familientradition treu. Wie sein Vater geht er – um die Zukunft der Schaustellerei besorgt – neue Geschäftsideen an.
Oscar Bruch hat sicherlich – das darf man jetzt schon hervorheben – Geschichte geschrieben. Er, der jede Kirmes-Veranstaltung, ob groß oder klein liebte, hat die Freizeitindustrie geprägt.

Oscar Bruch, das ist ein Name der für so vieles steht, das uns heute auf den Festplätzen Freude bereitet. Ein regelrechtes Label. Wer kennt ihn nicht, den markanten gelben Schriftzug auf grünem Hintergrund? Ein Name der verpflichtet: Tradition, Ideen, Können, Arbeit, Sicherheit und Qualität einerseits; Spaß, Spannung, Nervenkitzel und Schaulust andererseits. Einfach: Kirmes.“
 © Steve Kayser

 

Steve Kayser schrieb diesen Nachruf für den im Dezember 2017 verstorbenen Oscar Bruch. Freundlicherweise stellte er den Original-Text dem Archiv zur Verfügung.
© Steve Kayser

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