Albert Ritter, Präsident des Deutschen Schaustellerbundes e.V.

Albert Ritter, DSB
Albert Ritter, DSB

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kirmesfreunde und Volksfestbesucher, liebe Schaustellerkolleginnen und -kollegen,

in unserer heutigen von Umbrüchen, Hektik und ständigen Neuerungen geprägten Gesellschaft bilden Volksfeste, Jahrmärkte, Kirmessen und Weihnachtsmärkte mit ihrer fortwährenden Beständigkeit mehr denn je einen wichtigen Bestandteil des kulturellen Lebens in Deutschland.

Nach wie vor ist das Volksfest die größte Brauchtumskultur mit weitreichenden wirtschaftlichen Aspekten – und das vom kleinsten Dorffest bis zum Münchener Oktoberfest.
Deutschland ist dabei das Volksfestland Nr. 1 in der Welt: In keinem anderen Land finden so viele Volkfeste  und Weihnachtsmärkte statt wie hier.
Schon seit Jahrhunderten bieten wir Schausteller den Menschen auf den bunten Festen landauf, landab eine kleine Auszeit von den Sorgen ihres Alltags – oder um es mit den Worten von Papst Franziskus zu sagen: „Schausteller bringen Licht in das Dunkel der Welt!“.

Die einzigartige Historie, die Vielschichtigkeit und das breite Spektrum unserer Volksfestkultur zentral zu erfassen, damit Ansprechpartner für Wissenschaft, Kultur und Medien zu sein, ist von großer Bedeutung für unseren Berufsstand, aber auch für jeden einzelnen Schausteller. Um die Volksfestkultur erfolgreich in die Zukunft zu tragen, ist es wichtig, die Geschichte und die Vergangenheit unserer Volksfeste sowie der Schaustellerei zu verstehen.
Das Schausteller-Archiv bietet den idealen Rahmen, um diesen wichtigen Wissensaustausch zwischen den Generationen voranzutreiben.
Wir Schausteller sprechen Frau Dr. Margit Ramus für ihre wichtige Initiative, ein erstes deutsches, digitales Schausteller-Archiv zu schaffen, daher aus vollem Herzen unseren Dank aus.

Im Namen des Deutschen Schaustellerbundes wünsche ich allen Besuchern des digitalen Schausteller-Archivs viel Spaß beim Stöbern und dem Entdecken der lebendigen Welt der Volksfeste und Schausteller!

Albert Ritter
Präsident des Deutschen Schaustellerbundes e.V. 

 

In einem Schreiben vom 23.12.2015 verspricht der Deutsche  Schaustellerbund e.V. volle Unterstützung.

 

 

In der FAZ vom  25.01.2020 stand Albert Ritter dem Journalisten Timo Feksch Rede und Antwort.

„In der Mitte der Gesellschaft“ 
Albert Ritter, der Präsident der europäischen Schausteller, über das Geschäft mit Volksfesten

Herr Ritter, in München findet der Delegiertentag statt. Sie sind dessen Präsident. Wie kommen Sie zu der Ehre?
Man muss dafür laut Satzung selbst Schausteller von Beruf sein, besser noch: von Berufung. Ich bin in meiner Familie die fünfte Generation. Mein Opa hat noch die schwebende Jungfrau vorgeführt. 1971 sind wir dann in den Ausschank nach Schaustellerart eingestiegen. Im Sommer Biergarten, im Winter Weihnachtsmärkte.

Wer führt nach Ihnen die Tradition fort?
Meine beiden Kinder.

Die wollen in der Branche bleiben?
Fast alle Schaustellerkinder wollen wieder Schausteller werden.

Sie haben keine Nachwuchssorgen?
Wir haben keine Nachwuchssorgen, was die Betreiber anbelangt, aber einen Mitarbeitermangel. Wir brauchen Leute, die Fässer rollen oder Stände auf- und abbauen, nicht nur saisonal, sondern dauerhaft.

Auf welche Art von Leben muss man sich da einstellen?
Die wenigsten Schausteller reisen in ganz Europa herum, die meisten haben eine gewisse Nähe zu ihren Lebensmittelpunkten. Ich bin hauptsächlich im Ruhrgebiet unterwegs. Ich habe Mitarbeiter, die abends nach Hause fahren, aber auch welche, die einen mobilen Sozialraum sprich Wohnwagen, haben. In der Sommersaison muss man sich darauf einstellen, dass man alle 14 Tage in einer anderen Stadt ist.

Was heißt das für schulpflichtige Kinder? 
Deutschland ist ein föderaler Staat, gerade im Bildungsbereich. Sehr kompliziert. Wir würden uns da bundeseinheitliche Regeln wünschen, die wir eben auch bundeslandübergreifend reisen.

Was ist attraktiv am Kirmesleben? Man muss arbeiten und dabei auch mit ansehen, wie andere das Leben genießen. 
Das ist wie in der Gastronomie. Wenn Sie Wirt aus Leidenschaft sind, haben Sie Freude daran, anderen Menschen Freude zu bereiten.

Schausteller sehen sich auch Kritik ausgesetzt. Etwa von Tierschützern.
Wir arbeiten kaum noch mit Tieren. Das Pferdereiten, das vielleicht noch ein Dutzend Veranstalter betreiben, wird streng von den Veterinärämtern überwacht.

Wie passen Sie sich den modernen Zeiten an, Stichwort Digitalisierung? 
Wir verschließen uns dem nicht, aber wir stellen auch eine Rückbesinnung aufs Traditionelle fest. Denken Sie an die Oldie-Wiesn auf dem Oktoberfest. Auch der moderne Mensch weiß, wenn er jemanden wirklich kennenlernen möchte, ein nettes Mädel oder einen jungen Mann, dann muss er das ab einem bestimmten Zeitpunkt nach wie vor sehr analog anstellen. Was ist denn schöner, als zu einer jungen Dame am Autoscooter zu sagen: Na, fährste mit?

Wie sehr ist das Thema Nachhaltigkeit auf der Kirmes angekommen?
Wir haben grünen Strom, wir haben längst die Umstellung auf LED-Beleuchtung, wir haben Mehrweg und Mülltrennung. Unsere Fahrzeuge stehen die meiste Zeit nur herum. Was die Leute aber nicht wollen, ist Bevormundung. Ich habe Bioglühwein angeboten – der war so gering in der Nachfrage, dass ich es wieder gelassen habe.

Wie sehr ist die Terrorgefahr in den Köpfen der Leute?
Auf den Weihnachtsmärkten werden die Sicherheitspoller mittlerweile als Glühweintische benutzt. Ich finde, das sagt alles.

Kennen Sie den Begriff „Schiffschaukelbremser?“
Ja, das ist aber despektierlich.

Fühlen Sie sich als Berufsstand von der Gesellschaft angemessen gewürdigt?
Viel hat sich zum Positiven verändert. Ich selbst durfte in der Bundesversammlung den Bundespräsidenten mit wählen. Wir erwirtschaften Milliardenumsätze. Alle, die da dranhängen, Taxifahrer, Bäcker, Hoteliers, wissen sehr wohl, dass ohne die 10 000 Volksfeste im Jahr manchem an Wirtschaftskraft fehlen würde. Natürlich hat ein Schausteller eine andere Reputation als ein Apotheker. Schon wegen der großen Klappe, die er haben muss. Aber ich werde permanent eingeladen, um was über mein Gewerbe zu erzählen. Die Zeiten, dass der Gauklerkarren grün angestrichen werden musste, damit die Stadtwache das Stadttor schließen konnte, sind vorbei. Wir sind in der Mitte der Gesellschaft angekommen. © Timo Feksch