- Zustand der Schaustellergeschäfte
- Erste Nachkriegsvolksfeste
- Gründung der DDR veränderte das Schaustellergewerbe im Osten
- Galerie I Krieg wird thematisiert
- Karussellmaler-Familie Patzer
- Galerie II Arbeiten von Horst Patzer
- Die Presse berichtete über das Leben der Schaustellerfamilien in der ehemaligen DDR
- Gewerbeordnung in der DDR von Rolf Orschel
Schausteller und Volksfeste im Osten
In der sowjetischen Besatzungszone, kurz SBZ genannt, begann nach Kriegsende die Verstaatlichung von Eigentum und Produktionsformen, die als nicht sozialistisch angesehen waren. Viele Betriebsausstattungen wurden als Reparationsleistung in die Sowjetunion abtransportiert. Auch die Schausteller befürchteten, dass ihre Geschäfte konfisziert werden könnten. Doch die Sowjets hatten kein Interesse an Karussells und anderen Schaustellergeschäften. Aber sofort nach Kriegsende befahlen sie den Schaustellern kleine Volksfeste aufzuziehen, die allerdings nur den russischen Besatzungssoldaten zugänglich und am Abend für die Schaustellerinnen nicht ungefährlich gewesen sein sollen. „Schausteller der ersten Stunde“ setzten sich schon bald für die Auflösung dieser Zwangsveranstaltungen ein und es gelang ihnen Volksfestplätze vielerorts wieder aufzubauen, die für jedermann geöffnet waren.
„[…] die Situation des Schaustellergewerbes und der traditionellen Volksfeste [war] nach dem Krieg ziemlich hoffnungslos […].“ (Orschel Nachkriegszeit 2005. S. 6)
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurden in der sowjetischen Besatzungszone viele Betriebe als Reparationsleistung in die Sowjetunion transportiert. Die Schausteller befürchteten, dass auch ihre Geschäfte konfisziert werden könnten. Aber die Sowjets hatten kein Interesse daran.
Zustand der Schaustellergeschäfte
Obwohl einige Schausteller ihre Geschäfte während des Kriegs versteckt hatten, waren drei Viertel zerstört oder stark beschädigt. Außerdem war es fast aussichtslos, Farben, Glühlampen oder Zellstoffplanen zu beschaffen. (Orschel Nachkriegszeit 2005. S. 6)
Die Zugmaschinen waren teilweise beschlagnahmt worden oder nicht zu nutzen, weil der Diesel rationiert/zu knapp war. Die Eisenbahn war für Schaustellertransporte gesperrt.
Erste Nachkriegsvolksfeste
Dennoch wurde bereits im Mai 1945 in Berlin-Treptow das erste Nachkriegsvolksfest durchgeführt. (Orschel Nachkriegszeit 2005. S. 6)
Bald folgten weitere Volksfeste, so zum Beispiel in Magdeburg, Cottbus oder Zwickau. Im Gegensatz zu Westdeutschland, wo Schaustellerfirmen als Einzelunternehmen jeweils ihre eigene Reiseroute wiederaufnahmen, organisierten sich im Osten verschiedene Schausteller für eine gemeinsame Volksfesttournee. (Orschel Nachkriegszeit 2005. S. 8)
Rolf Orschel schreibt in einem „Sonderband über Schausteller und Volksfeste der DDR“
„Wie in Annaberg-Buchholz wurden die Schausteller damals in fast allen Städten und Gemeinden von der Bevölkerung mit offenen Armen empfangen und tatkräftig unterstützt.“ (Orschel Nachkriegszeit 2005. S. 11)
Von Zeitzeugen hatte Orschel erfahren, dass der Ansturm auf die wenigen Karussells auf den Volksfesten kaum zu bewältigen war. In Suhl habe sogar die Feuerwehr die Massen beim Bestürmen der Karussells nicht „bändigen“ (Orschel, Nachkriegszeit, 2005, S. 10) können.
Gründung der DDR veränderte das Schaustellergewerbe im Osten
Mit der Gründung der DDR im September 1949 begann der Kampf um die gewohnte Ausübung des Schaustellergewerbes.
Die unter der Herrschaft der Nationalsozialisten aufgelösten Schaustellerverbände blieben weiterhin verboten. Es setzte eine Pressekampagne gegen Schausteller und Volksfeste ein. (Orschel 50er Jahre 2005. S. 14) Volksfeste sollten verstaatlicht werden. Ein langer Überlebenskampf der Schausteller begann.
Im Juni 1956 trat endlich eine „Verordnung über die Regelung der Gewerbetätigkeit in der privaten Wirtschaft“ (Orschel 50er Jahre 2005. S. 19) in Kraft. Orschel beschreibt die neue Situation wie folgt:
„[…] im September des selben Jahres wurden die Schausteller dem Bereich Kultur unterstellt und ihre Einbeziehung in die Planung und Gestaltung der sozialistischen Volksfeste sowie deren Eingliederung in das gesellschaftliche Leben beschlossen, um endlich klare Verhältnisse zwischen den Schaustellern und dem Staat zu schaffen. Obwohl diese Beschlüsse überfällig waren, dauerte es noch Jahre, bis sich das angespannte Verhältnis normalisierte.“ (Orschel 50er Jahre 2005. S. 19)
Dass die Volksfeste in das sozialistische System eingegliedert wurden, zeigte sich auch in der Bemalung der Schmuckdachkanten, die nicht selten auch den Krieg thematisierten.
Galerie I Krieg wird thematisiert
Karussellmaler-Familie Patzer
Im Gegensatz zu Westdeutschland galt in der ehemaligen DDR das Malen eines Karussells als seltenes und edles Handwerk. Die Berufsbezeichnung „Karussellmaler“ (Schaustellermaler) war anerkannt, wie einige Zeitungsartikel und die Erzählungen der Witwe von Horst Patzer bestätigen. Am 20. April 1985 hieß es in den „Neuesten Nachrichten“:
„Ein wahrlich ungewöhnlicher Beruf, ist doch Horst Patzer heuer seines Zeichens der einzige in der Zunft der Karussellmaler in der DDR!“
Galerie II Arbeiten von Horst Patzer
Über die Karussellmaler-Familie gibt es weitere Informationen:
Patzer Alfred
Patzer Karl
Patzer Horst
Patzer Andrea
Die Presse berichtete über das Leben der Schaustellerfamilien in der ehemaligen DDR
Nicht immer spiegeln die Berichte in der Presse die Realität der Schausteller, ihr Leben, ihre Arbeit oder ihre Sorgen um den Erhalt des Kulturgut Volksfest wider. Aber es gibt auch viele seriöse Berichterstattungen über die Schaustellerbranche, die außerordentlich wichtig sind. Insbesondere die Zeitungsartikel, die aus der Zeit vor der Wende zur Wiedervereinigung Deutschlands, aus der ehemaligen DDR überliefert sind. Sie vermitteln das authentische Leben, Arbeiten und Reisen der Schaustellerfamilien in der DDR.
Die Zeitungsartikel liegen im Original vor und wurden von Margit Ramus abgeschrieben und teilweise kommentiert.
Um den Beitrag abzurunden, hier die Abschrift der:
Gewerbeordnung in der DDR von Rolf Orschel
„GEWERBESCHEIN
Gewerbeausübung der privaten DDR-Unternehmen wurde umfassend überwacht. Um den Verwaltungsaufwand zu minimieren und Eigenverantwortlichkeit der staatlichen Organe stärken zu können, trat am 1. Januar 1957 eine überarbeitete Verordnung über die Regelung der Gewerbetätigkeit in Kraft. Sie diente als Grundlage für die einer Gewerbegenehmigung. Anträge zur Ausübung eines Gewerbes wurden grundsätzlich nur genehmigt, wenn dafür ein volkswirtschaftliches Bedürfnis bestand.
Der Antragsteller musste seine Eignung und persönliche Zuverlässigkeit nachweisen können.
Im § 3, Absatz c der Gewerbeordnung wurde festgelegt, „dass die Voraussetzungen zur Ausübung eines Gewerbes nur dann gegeben sind, wenn dem Antragsteller die erforderlichen Räumlichkeiten, Einrichtungen oder sonstigen Betriebsmittel zur Verfügung stehen und er die arbeitsschutzmäßigen, baugesetzlichen sowie hygienischen Voraussetzungen nachweisen konnte“.
Für die Ausübung des Schaustellergewerbes bedeutete das, dass der Antragsteller bereits bei der Antragstellung den Nachweis über ein vorhandenes Geschäft, mit genauen Angaben über den Erwerb und die Geschäftsart, erbringen musste. Dadurch wurden Genehmigungen für das Schaustellergewerbe ab 1957 eingeschränkt. Außenstehende hatten kaum noch eine Chance, einen Schaustellerbetrieb zu gründen, da die Antragsteller nun auch den Nachweis erbringen mussten, dass Familienangehörige bereits in diesem Gewerbe tätig waren.
Hierzu mussten genaue Angaben, seit wann welche Geschäfte betrieben wurden, gemacht werden. Für Schaustellerkinder war es bis in die siebziger Jahre auch nicht einfach, die Gewerbeerlaubnis zu bekommen, da die Gründung von neuen privaten Unternehmen bis dahin nur noch in Ausnahmefällen genehmigt wurde.
Ein makelloser Leumund und die richtige Geschäftsart waren wichtige Voraussetzungen für eine Genehmigung des Antrags. Der Gewerbeschein musste am Wohnort des Antragstellers beantragt werden. Der Rat des Bezirkes überprüfte dann genauestens die gemachten Angaben. Falls ein Überangebot der beantragten Geschäftsart bestand, wurde der Antrag abgelehnt. Die erteilte Gewerbegenehmigung war damals für jeweils ein Kalenderjahr gültig, konnte aber jederzeit widerrufen werden, falls die Voraussetzungen für die Genehmigung von vornherein nicht bestanden oder nachträglich wegfielen.
Falsche Angaben oder Nichteinhaltung der erteilten Auflagen sowie die Unterbrechung der Gewerbetätigkeit ohne Erlaubnis hatten ebenfalls den Entzug der Erlaubnis zur Folge. Nach dem Tod des Inhabers des Gewerbetriebes erlosch die Genehmigung automatisch nach sechs Monaten.
Der Ehepartner oder die Erben waren berechtigt, in diesem Zeitraum den Betrieb weiterzuführen. Konnte nur ein anderer Verwandter den Betrieb weiterleiten, musste dieser erst eine Ausnahmegenehmigung beantragen.
In den achtziger Jahren wurden die Regelungen zur Ausübung der Gewerbetätigkeit gelockert, da die staatlich gelenkte Industrie und der Handel immer weniger in der Lage waren, die Wünsche der Bevölkerung zu befriedigen. Für den Schaustellernachwuchs bedeutete die Lockerung zwar weniger Bürokratie und staatliche Gängelung, aber auch Einschränkungen, durch die das Gewerbe gar nicht ausgeübt werden konnte.
Lutz Hofmann erinnert sich beispielsweise, dass sein Gewerbeantrag in den achtziger Jahren nur „ohne Anspruch auf Dieselkraftstoff“ genehmigt wurde. Da allerdings die zuständige Behörde auf die Frage wie er mit seinem Laufgeschäft ohne Kraftstoff reisen solle, keine Antwort wusste, wurde sein Betrieb mit Anspruch auf Dieselkraftstoff genehmigt.“ © Rolf Orschel. Gewerbeschein In: Sonderband der Kirmes und Park Revue Kirmes Special. S. 37
Interessant sind auch die beiden Beiträge in der Schausteller-Fachzeitschrift DER Komet:
Quellen |
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Weitere Literatur | Sonderband der Kirmes und Park Revue, Schausteller und Volksfeste der DDR, 2005. |