Historische Schaustellergeschäfte A - Z

1883 Etagenkarussell Stey

Etagenkarussell der Familie Stey. Foto 2003 © Archiv Ramus
Name(n) des Geschäftes Etagenkarussell
Typologische Bauaufgabe Kindergeschäft
Bauform Rundbau
Baujahr 1883
Hersteller Bothmann
Maler unbekannt
Dekorationsstil Neubarock
Dekorationsthema Florales Schmuckwerk
Bauherr / Inhaber Stey
Baugeschichte

Die erste Erwähnung dieser Doppelkarussells geht in die 1860er Jahre zurück. Vermutlich führte der hohe Besucheransturm zur formalen Aufstockung der einfachen Bodenkarussells zum Etagenkarussell. Die ersten professionell gebauten doppelstöckigen Karussells sind Fritz Bothmann zuzuschreiben, der jedoch erst im Mai 1883 seinen Betrieb gegründet hat.

Baubeschreibung

Zweigeschossiger Rundbau mit Zeltdach. Die kleinen Bildtafeln der umlaufende Schmuckdachkante alternieren nach oben mit leicht und stark gerunderten Abschlüssen.
Die obere Plattform ist durch ein umlaufendes Ziergitter gesäumt. Eine Treppe führt in die obere Einstiegsebene.
Als Sitzmöglichkeit für den Fahrgast, die sogenannte Besatzung sind die Karussells mit klassischen Pferden und floralem Dekor reich verzierten Pferdekutschen, Trillergondeln und beweglichen venezianische Gondeln ausgestattet.

Erhaltungszustand: Das Etagenkarussell ist weit gehend im Originalzustand erhalten. Die Malerei der hölzernen Bildtafeln der Schmuckdachkante war in den 1980er Jahren von einem unbekannten Maler nach alten Vorlagen erneuert worden. Plafond- und Trichtermalerei sind noch im originalen Zustand.

Konstruktion

Das Fundament eines ein- oder zweigeschossiger Rundbaus mit Zeltdach bildet eine kreuzförmig, waagerecht ausgelegte Konstruktion, auf die ein von vier Holzbalken abgestützter Mast aufgestellt wird.
In zweidrittel Höhe wird ein drehbarer Zahnkranz/Narbe am Mast montiert. In der Mastspitze werden 16 Zugstangen eingehängt und mit den in Zahnkranz horizontal eingeschobenen Holzbalken, den sogenannten Auslegern verbunden.
Die einzelnen Ausleger werden am äußeren Ende durch Kranzlatten zu einem Kreis von etwa 10-11 Metern Durchmesser verbunden. Zwischen den Auslegern werden horizontale Befestigungsbalken für Besatzungsteile und Transmissionsstangen für Auf- und Abbewegung der Schiffe und Gondeln geschraubt.

32 bzw. 48 Messing- oder Holzpfeiler werden je 16 innen und 16 außen vertikal in die Ausleger eingehängt. Sie tragen die gesamte Zeltdachkonstruktion, welche mit einem Tuch bespannt und mit einer Krone abschließt.
Bei zweigeschossigen Rundbauten werden weitere kürzere 16 Pfeiler/Rohre im innersten Kranz eingehängt. Beide Säulengänge werden durch Holzbalken miteinander verbunden und darauf konisch zugeschnittene Fußbodenbretter eingelegt.
Bei zwei Etagen, wird obere Plattform durch ein umlaufendes Ziergitter gesäumt und durch zwei um 180° versetzt angeordnete Treppen vom unteren Boden erreicht.
Am Außenkranz des unteren Fußbodens wird eine umlaufende Treppenstufe eingehängt.
Der hölzerne Dachstuhl über dem kreisrunden Säulengang wird mit einer Flachdecke und der Mittelbau mit einem trichterförmigen Umbau verkleidet.
Der Trichter ist unterteilt in einen feststehenden und einen mit der Karussellkonstruktion drehenden Teil. Der feststehende kelchförmigere Teil, Orgelstube genannt wird mit Panneaux umschlossen. Die Verbindung zwischen der Flachdecke und dem feststehenden Innenraum durch 16 kelchförmig gebogene Plafonds geschaffen. Die Bögen der inneren Arkatur teilweise im Palladiomotiv ausgerichtet. Weitere Lichtbögen werden jeweils vom Kapitell des hinteren Arkadenbogens zum vorderen eingepasst.
Über dem Gesims schließt ein, die vertikale Achse der Arkadenbögen aufnehmender Schmuckfries die Fassade ab. Aufgrund der Konstruktion des Karussells bieten Schmuckfries, Flachdecke und Trichter Möglichkeiten zur Bemalung und Dekoration. Form und Bemalung unterscheiden sich bei allen Karussells dieser Bauweise.

Der Antrieb erfolgte ursprünglich mittels Pferden, die im Innenbereich des Karussells ihre Runden drehten. Später nutzte man die Dampfmaschine. Heute werden diese Karussells elektrisch angetrieben.

Dekoration

Die Kartuschen der Schmuckdachkante zeigen antikisierende Fruchtkörbe, die von Voluten und Rankwerk gesäumt und mit aufgemalten Engelsköpfchen bekrönt werden. Die Übergänge der einzelnen Bildtafeln sind mit ornamentierten Blenden verdeckt. Darauf sind Stadtwappen dargestellt und geflügelte jugendliche Köpfe aufgesetzt.
Kleine Engelsköpfchen bekrönen die Vierpassbögen der inneren Arkatur, die die untere Etage nach innen abgrenzt.
Antikisierende Fruchtkörbe schmücken auch die konisch zugeschnittenen Decken- und Trichterbildtafeln. Sie alternieren mit Engeldarstellungen. Dekoration und Besatzung weisen historisierende Stilelemente auf.

Die Zuschreibung der Besatzung zur Firma Friedrich Heyn wird auf einer kleinen Tafel der Schmuckdachkante dokumentiert. Sie ist noch im Original erhalten. Im unteren Säulengang sind drei Pferde, zwei Elefanten, ein Löwe, ein Geißbock, ein Hirsch, zwei Trillergondeln und zwei venezianische Gondeln montiert. Auf der oberen Etage befinden sich vier bewegliche Schiffe.

Provenienz und Verbleib

Seit drei Generationen besitzt die Familie Stey aus München das Etagenkarussell. Gegenwärtig ist es noch auf dem Münchner Oktoberfest im Einsatz. Das Etagenkarussell ist weit gehend im Originalzustand erhalten. Die Malerei der hölzernen Bildtafeln der Schmuckdachkante war in den 1980er Jahren von einem unbekannten Maler nach alten Vorlagen erneuert worden. Plafond- und Trichtermalerei sind noch im originalen Zustand. © Margit Ramus

Galerie Etagenkarussell der Firma Stey

Zurück zu den 1860er Jahren Etagenkarussells