Schaustellerbranche im Spiegel der Tagespresse A - Z

1974 Remscheid Volksfest-Schausteller sind im Laufe der Zeit Rechenkünstler geworden

Kein Kirmes-Spaß ohne Preis-Fragen

Auf dem Schützenplatz ist großer Wieder-Aufbau / Der RGA hörte sich um

Gestern bereits herrschte auf dem Schützenplatz Hochbetrieb. Die Schausteller hielten Einzug. Aus allen Himmelsrichtungen kommen sie auch diesmal zum Remscheider Schützenfest. Die Tage vor der offiziellen Eröffnung sind wie immer beherrscht von hektischer Betriebsamkeit. Überall wird gehämmert und gezimmert und alle Teile werden auf Hochglanz gebracht. Wie ist es aber um die finanzielle Situation des Schaustellergewerbes bestellt? Haben sie, die von ein paar Kirmestagen am Wochenende leben müssen, überhaupt eine Chance über die Runden zu kommen?
Unsere Interviews wurden zu Preis-Fragen.

Schon seit fünf Jahren kommt der Kölner Josef Schoeneseifen, mit seiner Achterbahn zum Remscheider Schützenfest. „Erfreulich ist, dass der Remscheider Veranstalter die Platzmiete in den letzten drei Jahren – im Gegensatz zu anderen Städten – nicht erhöht hat“, erklärt der Achterbahn-„Chef“. Sonst sind die Kosten für ihn und seine Kollegen jedoch enorm gestiegen. „Verwaltungskosten, Löhne und Strom laufen uns fast davon“, resümiert er. Auch bei der Anreise mit der Bundesbahn hat es Preiserhöhungen um etwa 40 Prozent gegeben. In den letzten drei Jahren konnte der Kölner Unternehmer seine Preise jedoch halten. Kinder können sich für eine und Erwachsene für zwei Mark einmal richtig durchrütteln lassen.

Josef Schoeneseifen: „Das Geschäft ist zur Zeit rückläufig. Schuld daran sind das schlechte Wetter und in den vergangenen Wochen die Fußballweltmeisterschaft gewesen.“ Die WM kommt den Schaustellern an diesem Wochenende mehr in die Quere, aber das Wetter spielt auch in Remscheid eine große Rolle.

„Schönes Wetter bestimmt unser Geschäft“, stellt August Störmer aus Witten fest. Er ist seit 20 Jahren ein richtiger Remscheid-„Fan“. So lange kommt er mit seinem Verlosungsgeschäft schon auf den Schützenplatz. Auch in seinem Bereich sind die Kosten gestiegen. Die Warenpreise (Teddybären und Puppen) sind bis zum Frühjahr stark geklettert, haben sich aber seitdem gehalten. August Störmer nimmt heute für fünf Lose eine Mark. Bis vor zwei Jahren bekam man noch für 50 Pfennig drei Lose.

August Störmer macht den Remscheidern jedoch ein großes Kompliment: „Ich habe in den vielen Jahren immer wieder festgestellt, dass die Menschen in dieser Stadt sehr kirmesfreudig sind. Ich komme stets gerne wieder und ich habe schon lange meine Stammkundschaft.“

Der Rheinländer Ludwig Mees machte gerade seinen Männern klar, wie er die „Bayern-Kurve“ aufgebaut haben möchte, als wir ihn nach seinen Problemen befragten: „Alle fixen Kosten sind in den letzten Jahren enorm gestiegen. Es ist uns jedoch unmöglich, diese erhöhten Ausgaben auf das Fahrgeld umzulegen.“

Ludwig Mees sieht seine einzige Überlebenschance darin, die Kosten umzulagern und spärlicher zu investieren. Vor fünf Jahren hat er zum letzten Mal die Preise erhöht. Seitdem kostet die Fahrt auf der „Bayern-Kurve“ eine Mark. Wie lange er diesen Preis noch aufrechterhalten kann, weiß er im Augenblick nicht.

Zwischen Tradition und Geschäft steht Kurt Oost aus Witzhelden mit seinem 114 Jahre alten Bodenkarussell. Neben diesem museumsreifen – aber in ausgezeichnetem Zustand befindlichen – Stück hat Kurt Oost noch zwei Kinderkarussells. „Das alte Stück baue ich im Jahr nur dreimal auf“, erklärt der Schausteller. Für ihn ist dieses Alt-Teil inzwischen zu einem Hobby geworden

Remscheider Stadtpost 12.Juli 1974

Abschrift vom originalen Zeitungsartikel © Margit Ramus

Remscheider Stadtpost 12.Juli 1974

Schreiben Sie uns einen Kommentar

Haben Sie ergänzende Informationen? Über sachdienliche Hinweise freuen wir uns.

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind markiert *