Firmendaten WILHELM HENNECKE Maschinenfabrik 1908-1974.
Die Firmenunterlagen der Karussellbaufirma Hennecke gelangten durch Zufall Anfang des neuen Jahrtausends an die Schreinerei „K & R Design“ aus Friedrichsdorf.
2001 kam es zum Tausch zwischen einem Schausteller und der Schreinerei „K & R Design. Ein altes Karussellauto aus Holz wechselte zur Bezahlung eines alten Möbelstücks den Besitzer. Zunächst nur abgestellt in den hinteren Raum der Werkstatt, erweckte das Auto, von dem man angenommen hatte, dass es von der Hennecke angefertigt worden war, 2003 das Interesse von Ruprecht Kronenberger.
Das Impressum eines alten Kataloges führte zu der Druckerei, die in jenen Jahren noch den Uelzener „Heidewanderer“ druckte und den entscheidenden Kontakt zur ehemaligen Karussellbaufirma Hennecke als Hersteller des alten Autos bestätigte. Später stellte sich jedoch heraus, dass es ein Produkt des ehemaligen Schreinermeister von Hennecke angestellten, Herrn Steigemann, war, der ein Konkurrenzunternehmen aufgebaut hatte.
Mehrere Treffen mit ehemaligen Mitarbeitern, einem ortsansässigen Schausteller und einem Verwandten brachten Rupert Kronenberger, Inhaber der Schreiner-Design Firma, ein komplettes Fotoalbum sowie eine Einkaufstüte voll mit alten Dokumenten ein.
Es reifte die Idee die Unterlagen und mündlich zusammengetragenen Information über die seit über 30 Jahren nicht mehr existierenden Karussellbaufirma aufzuarbeiten, zu bündeln und sie über eine eigene Internetseite zu veröffentlichen. Diese Seite besteht nun schon viele Jahre und diente zusammen mit vielen persönlichen Informationen der Familie Laube/Kaul als Quelle für den folgenden Bericht.
Im Jahre 1870 gründete Wilhelm Hennecke eine Firma für Bau, Handel und Reparaturen von Landmaschinen auf dem Grundstück der heutigen Veerßer Str. 56 in Uelzen.
1879 bekam das Ehepaar Hennecke ihren ersten Sohn Günter, zwei Jahre später 1881wurde Hans Hennecke geboren.
1908 teilte Wilhelm Hennecke seinen Betrieb. Die „Norddeutsche Landmaschinenfabrik Uelzen“, übernahm sein Sohn Günter und die „Maschinenfabrik Wilhelm Hennecke“, führte er gemeinsam mit seinem jüngeren Sohn Hans.
Nach Wilhelm Henneckes Tod im Jahre 1919 übernahm Hans die Maschinenfabrik, die mittlerweile in der Veerßer Landstr. 8 angesiedelt war.
Der Bruder, Günter Hennecke, war inzwischen verheiratet und seine Frau hatte am 14.10.1917 den Sohn Albert geboren.
1918 hatte Fritz Bothmann in Gotha eines der ersten Karussells speziell für Kinder gebaut. Es ist anzunehmen, dass in der Folgezeit einfache Kinderkarussells vielerorts in Eigenbau oder von Schreiner- oder Schlosserwerkstätten hergestellt wurden.
So kam es, dass im Jahr 1923 die Schaustellerfirma Dress aus Uelzen bei der Maschinenbaufirma Hennecke ein Kinderkarussell bauen ließ.
Es folgten weitere Aufträge für die kleinen Karussells. Schnell war die Nachfrage so groß, dass 1929 eine spezielle Abteilung für den Karussellbau in der Maschinenfabrik eingerichtet wurde. Im selben Jahr erhielt die Firma ein Patent zur Herstellung von Miniaturkarussells mit sogenannten „Springpferden“.
Noch vor dem Zweiten Weltkrieg spezialisierte sich Hans Hennecke auf den Bau von Kindersportkarussells und bot den Rundbau mit Zeltdach in vier verschiedenen Grundrissgrößen an. Die einzelnen Stützen, die den Laufgang und die Einstiegsebene des Karussells nach außen einfassten, trugen die Dachkonstruktion. Sie wurden mit hölzernen, offenen, individuell gestalteten Gittern verbunden. Diese Gitter, „Lichtgitter“ genannt, waren nach unten mit Lichtleisten in Bogenform gearbeitet.
Die Flächen der Schmuckdachkante nahmen die Achsen des umlaufenden Stützenkranzes auf. Sie waren individuell geformt und boten Möglichkeiten zur Bemalung. Zusätzlich schmückten florale Schnitzereien, Voluten oder sonstiges Rankwerk die einzelnen Tafeln oder deren Übergänge.
Im Innern war der Dachstuhl mit einem leuchtend bunten Tuch abgehängt. Individuell gebogene Lichtleisten schmücken und beleuchteten diesen Himmel
An einer sternförmigen Konstruktion waren die Sitzmöglichkeiten für die Kinder, die sogenannte „Besatzung“ befestigt. Sie wurden im geschlossenen Verbund im Kreis bewegt und bestand zunächst aus Tieren und Gondeln, ähnlich der Bodenkarussells, später kamen Autos, Feuerwehrfahrzeuge, Straßenbahnwaggons, Motorräder und Fahrräder hinzu. Die Auswahl der einzelnen Modelle traf der Bauherr. An einer Seite war ein Kassenhaus angegliedert.
Für die Firma Haberjan lieferte Hennecke einen Sonderbau, eine „Pony Bahn“ ein kleiner offener Rundbau, in dem Kinder auf lebendigen Pferden reiten konnten. Die Bauweise war die gleiche wie von den Kinderkarussells, nur auf eine Bodenplatte war verzichtet worden. Im Jahr 2000 wurde diese Pony-Bahn zur Nostalgiebar umgebaut.
Während des Krieges brach der Bau von Kinderkarussells ein und Hans Hennecke fertigte stattdessen Munitionskisten sowie weiteres Versorgungsmaterial für die Regierung.
Bald nach Ende des Krieges kamen die ersten Schausteller und ließen ihre Karussells reparieren oder bestellte ein Neues.
1952 übernahm Günter Henneckes Sohn Albert, der Neffe von Hans Hennecke, die Karussellbaufirma. Aber schon ein Jahr später gab es wirtschaftliche Schwierigkeiten, unter anderem weil einer der bisheriger Schreinermeister, Steigemann die Firma verließ und mit dem Gesellen Kapetzky nur etwa 300 Meter entfernt seine eigene Firma eröffnete. Steigemann baute in seiner Werkstatt genau die gleichen Karussells, bis auf die Ausleger, die er nicht in Kastenform, sondern in Rundform ausführte.
1955 starb Hans Hennecke und sein Neffe Albert Hennecke bemühte sich, die Firma durch die Durststrecke zu bringen. Da kam ihm 1956 unerwartet ein Auftrag des Schuhhauses Höber in Uelzen zum Bau eines Karussells mit einem Durchmesser von 2,80 Meter zu Hilfe. Nach Fertigstellung übernahmen auch weitere Schuhhäuser diese Idee, denn die kleinen Karussells lockten Kundinnen mit Kindern in die Geschäfte.
1957 baute Hennecke eine Berg- und Talbahn, den „Tiger-Rag“ für die Firma Burgdorfer aus Uelzen. Wie viele Karussells dieser Art Hennecke baute, ist nicht mehr bekannt.
Sicher ist, dass die Karussellbaufirma Hennecke die Krise überstand und den drei Jahrzehnten nach Ende des Zweiten Weltkriegs eine Vielzahl an Kinderkarussells baute. Hennecke lieferte auch ins nahe und ferne Ausland z. B. Dänemark, England, Frankreich, Holland, Schweden, Schweiz, und nach St. Petersburg. Außerhalb Europas fand er Kunden in Australien und Japan und für die USA gab es ab etwa1960 sogar einen eigenen Vertreter: Micky Hughes aus New York. Pro Jahr wurden etwa 10 Kinderkarussells fertiggestellt.
1965 beschäftigte die Firma 27 Fachkräfte der unterschiedlichsten Gewerke. Dazu kamen Zulieferer aus Uelzen und Umgebung, z.B. Gerhard Sorge als Polsterer und Hersteller der Polyestertiere, die Firma Sternikel als Schnitzer für diverse Figuren, der Drexler Günter Genkel sowie die Schreinerei Kaiser & Gärtner für die Holzarbeiten. Außerdem konnte der Kirchenmaler Fritz Laube aus Vienburg im Harz für die Bemalung der Schmuckdachkanten gewonnen werden.
Dies war ein besonderer Baustein für die Qualität der Hennecke Karussells.
In viele Schmuckdachkanten und Fassaden von Volksbelustigungen ließ Fritz Laube seine Erfahrungen als Kirchen- und Tiermaler einfließen. Er malte von 1952 bis 1974 als freier Mitarbeiter weit über 100 Schmuckdachkanten der Kinderkarussells der Firma Henneke. Genial war, dass die Bildträger der Schmuckdachkanten mit einer Spedition in sein Atelier liefert wurden. Seine Frau, Agnes Laube, übernahm während er andere Aufträge ausführte, die Grundierung mit einem Gehilfen. Fritz Laube kam zwischendurch nach Hause, um sie auszumalen. Den Lack der abschließenden Versiegelung wurde wiederum von Agnes Laube aufgetragen. Laube benutze dieselben Schablonen für die Schmuckdachkanten, die er für die neubarocken Formen und Ornamentvorlagen seiner Kirchenmalereien gefertigt hatte.
Die Thematik der Malerei wurde vom Inhaber vorgegeben. Die individuelle Gestaltung unterlag Laube. Er malte lustige Fabeltiere, Märchendarstellungen der Gebrüder Grimm und band Landschaften in neubarocke Ornamente ein. Ein beliebtes Motiv der 1950/60er Jahre waren auch die zeitgenössischen Mecki-Abenteuer oder die des Hasen Langohr. Etwas Besonderes lag auch in Laubes Thematisierung von Kinderversen und deutschem Liedgut.
Obwohl auf fast allen kleinen und großen Volksfestplätzen ein Hennecke Kinderkarussell die Kinder begeisterte, schlief auch die Konkurrenz nicht und die Technisierung nahm ihren Lauf.
Im Jahr 1968 konstruierte die Firma Dietz das erste Kinderkarussell auf einem Wagen für den Schausteller Schickler. Die Innovation, ein Karussell auf einem Wagen zu konstruieren, vereinfachte und verkürzte den Auf- und Abbau erheblich. Es folgten viele Kindergeschäfte von Dietz bis zur technischen Weiterentwicklung zu den sogenannten „Kinderschleifen“.
1972 versuchte sich auch Hennecke mit seinem Konstrukteur Friedel Appuhn leider erfolglos am Bau eines modernen Sechs-Säulen-Karussells. In Folge schlug auch die Umstellung bestehender Konstruktionen auf die Vier–Säulen Variante fehl.
Leider konnte Albert Hennecke mit der fortschreitenden technischen Entwicklung und der Expansion seiner Konkurrenten nicht mithalten. Plötzlich waren die Pfosten-Karussells veraltet und das Interesse an einfachen hölzernen Motorfahrzeugen verlor sich. Außerdem drängten die Hersteller aus Italien mit leichteren und preiswerteren Konstruktionen auf den Markt. Albert Hennecke kam nach vielen erfolgreichen Jahren erneut in finanzielle Schwierigkeiten. Dazu kam, dass bei einem Exportgeschäft nach Südamerika die Zahlung ausblieb.
Schon 1973 wurden nur noch Reparaturen und Umarbeitungen von Besatzungsteilen der Firma Hennecke durch den Mitarbeiter Herbert Meyer ausgeführt.
1974 erfolgte die endgültige Schließung der Karussellfabrik Wilhelm Hennecke und Entlassung der noch verbliebenen Mitarbeiter.
Bis ins Jahr 2020, als die Corona-Pandemie die ganze Welt in vielen Bereichen lahmlegte, ließen die längst veralteten Holzpfosten-Karussells der Firma Hennecke und die wunderschönen Malereien von Fritz Laube unzählige Kinderaugen strahlen.
Dies sollte uns alle Hoffnung geben, dass es immer wieder weitergeht und die Schaustellerinnen und Schausteller sich nicht unterkriegen lassen und schon bald wieder Freude in die Herzen der Volksfestbesucherinnen und -besucher bringen werden.
In diesem Sinne, bleiben Sie gesund, schauen vielleicht mal wieder in das Kulturgut Volksfest-Archiv, indem viele interessante Geschichten eingestellt sind.
© Margit Ramus
Quellen | Hoffmann, Horst: Von Karussells und vom Hennecke-Virus. In: Heide Wanderer. Heimatbeilage der Allgemeinen Zeitung, Uelzen 13.05.2006. |
Sehr geehrte Damen und Herren,
ich möchte daran erinnern, dass der Maler & Grafiker Herbert Rausche (* 28.4.1914 in Uelzen , gest. 05.05.2012 in Wagenhoff bei Gifhorn) von 1951 bis 1964 freier Mitarbeiter als Designer und Maler tätig war. In einer Sonderbeilage der AZ Uelzen wurde an sein Wirken anlässlich seines 100. Geburtstages im Rahmen einer Ausstellung gewürdigt. Anspechpartner in der AZ ist Herr Hoffmann. Informationen zu Herbert Rausche in seiner Zeit bei Hennecke sind auch vom Sohn Birger Rausche 0228 18 42 746 zu erfahren.
Sehr geehrte Frau Rausche
Etwas verspätet möchte ich mich für Ihren Kommentar bedanken. Ich werde mich mit Herrn Rausche in Verbindung setzen. Freue mich über jede weitere Information.