Schausteller Familiengeschichten A - Z

Willems

Raupe der Familie Hubert Willems. © Archiv Micha Willems

Familie Hubert Willems – Bonn

Schausteller-Tradition seit 1850

Die alte Bonner Schaustellerfamilie Willems ist in Bonn und auf dem Pützchens Markt in Vergessenheit geraten.

Als Hommage an die Familie, die durch den frühen Tod von Hubert und Marlies Willems so abrupt auseinander brach, soll die alteingesessene Bonner Schaustellerfamilie Willems noch einmal in Erinnerung gebracht werden.

Johann Willems I. sei um 1850 mit einem handbetriebenen Hängekarussell auf den Bonner Volksfesten gereist, erzählte Ria Kotzer geb. Willems der Verfasserin.
Er und seine Frau, deren Namen nicht mehr in Erinnerung ist, bekamen am 13. Juni 1868 den Sohn Hubert Willems II. (13.06.1868.-25.04.1951).

Hubert Willems II. heiratete die Schaustellertochter Maria Hardt (24.06.1876-13.07.1945) aus Köln.
Sie übernahmen um 1900 von den Schwiegereltern Hardt ein Pferdekarussell.

Überliefertes Bildmaterial belegt, dass Hubert und Maria Willems später auch mit einer Schiffschaukel reisten.

Auf einer Abbildung erkennt man Hubert Willems II. neben der Kasse stehend. Hinter der Kasse ist eine Orgel eingestellt. Die Ähnlichkeit mit seinem Enkel Hubert Willems IV. ist unverkennbar. © Archiv Micha Willems

Die Familie war sehr vermögend, sie besaßen auf der Endenicher Straße einen kompletten Wohnblock mit Mietwohnungen und einer Gaststätte namens Jägerklause. Erbstreitigkeiten und der Erste Weltkrieg führten zum Verkauf der Immobilien.
Das Paar bekam zwei Kinder: 
1901 Tochter Gertrud (30.07.1901-03.10.1948).  Sie heiratete den Schausteller Alex Gorman und bekam eine Tochter, Marly, die später den Schausteller Anton Sturm heiratete.
1902 Sohn Johann Willems III. (13.12.1902-07.09.1968). Er heiratete 1926 die Schaustellertochter Hanni Schäfer (21.05.1907-04.05.1982). (Ihr Bruder ist der Vater von Willi Schäfer, Sternchens Willi).

Johann und Hanni Willems übernahmen von seinen Eltern das Pferdekarussell.

In der Wintersaison 1931/32 ließen die junge Leute bei der Firma Albert Achtendung in Köln das Pferdekarussell zu einer Raupe umbauen. Der untere Teil wurde neu gebaut und die umlaufenden Stützen, der Dachstuhl des Zeltdaches und die Frontteile wurden von dem Pferdekarussell verwendet. Dazu sind in der Bildergalerie Fotos eingestellt.
Inzwischen hatten sie auch Kinder bekommen. 
Am 6. Mai 1927 den Sohn Hubert IV.
1932 folgte die Tochter Caroline, von allen nur Mutzi genannt. Sie heiratete 1951 den Schausteller Ferdy Pyllmann aus Köln. Im August 1984 starb sie nach einer kurzen Krankheit mit 52 Jahren.
Im Jahre 1936 folgte noch eine weitere Tochter, Ria (14.08.1936). Sie heiratete Erich Kotzer aus Olpe.

Schon 1932 standen die jungen Eheleute Willems mit der Raupe auf dem Pützchens Markt.

Am 10. August 1939, zur Kirmes in Mondorf, wäre die „legendäre Raupe von Willems“, wie die Zeitungen schrieben, beinahe bei einem Fährunglück bei Mondorf im Rhein verloren gegangen. Aber tatkräftige Helfer retteten die Existenz der Familie Hubert Willems.

 

1957 wurde Johann Willems für seine 30zigjährige Teilnahme am Pützchens Markt geehrt.

Im Jahre 1977 wird im Mitteilungsblatt der Gemeinde Beuel, angezeigt, dass die Raupe von Willems seit 45 Jahren auf dem Pützchens Markt anzutreffen ist. Irgendwo sind fünf Jahre hinzugefügt worden, aber es steht der Verfasserin nicht zu, dies zu korrigieren.

Durchweg jährlich wird die Familie Willems im Zusammenhang mit dem Pützchens Markt im Mitteilungsblatt der Gemeinde Beuel erwähnt oder besonders geehrt. So auch in der Ausgabe vom 15. September 1950, in der Jubilare genannt werden, unter anderem: „Der Ahnherr, der durch ihre Fahrgeschäfte bekannten Familie Willems, Hubert Willems, der bereits 83 Lenze zählt.“

Anzeigen aus den Jahren 1950 und 1951 bestätigen, dass die Firma Willems nicht nur mit der Raupe, sondern auch mit einer Benzin-Autorennbahn auf dem Pützchens Markt vertreten war.

Am 14.09.1951 steht im Mitteilungsblatt der Gemeinde Beuel: „Generaldirektor Hahn erwies sich in einem schnittigen Einsitzer als Meister vom Fach.“

Am 13.09.1952 heißt es im gleichen Blatt: „Gegenüber der Schule steht wie immer die Raupe.“

Am 10.09.1955 wird neben der Raupe noch einmal die Benzinbahn in der Beschreibung der Attraktionen und in einer Anzeige genannt.

Familie Willems reisten nur wenige Saisons mit der Benzinbahn. Dann wurde sie auf dem Grundstück am Pfaffenweiherweg eingelagert.

Die Raupe gaben sie Mitte der 1950er Jahre an den Sohn Hubert Willems IV. weiter. Nachdem sie die Benzinbahn eingestellt hatten, betrieben sie selbst nur noch ihr Schokoladen-Werfen.
Auf dem Tisch eines Pavillons waren unzählige Tafeln mit einem gewissen Abstand aufgelegt.
Die Besucher versuchten mit einem 10 Pfennig-Stück die Tafel Schokolade zu treffen. Wenn das Geldstück darauf liegen blieb, hatte der geschickte Werfer oder Werferin die Schokolade gewonnen. In den 1950er Jahren ein beliebtes Geschicklichkeitsspiel. Später wurde die Schokolade gegen Gebrauchsgegenstände wie Blumenvasen, Spirituosen usw. ausgewechselt.
Nachdem das Spielen mit Geld verboten war, wurde mit Ping-Pong-Bällen oder Ringen geworfen.

1964 heiratete Hubert Willems IV. (06.05.1927-28.06.1980) in zweiter Ehe die junge Marlies geb. Grün (04.05.1941-14.08.1980).

Hubert Willems IV. hatte sich bereits Anfang der 1960er Jahre einen Bier-Ausschank-Pavillon gebaut. Neben der Raupe, die zum festen Bestand des Pützchens Marktes gehörte, bekam er dort auch sofort mit dem Ausschank-Pavillon einen Standplatz.

1967 zur 600 Jahrfeier Pützchens Markt Anzeige wird im Beueler Mitteilungsblatt der Bebauungsplan von 1967 ausgestellt. Dort ist der Standplatz der Raupe auf dem Präsentierteller vom Pützchens Markt zu erkennen. © Archiv Micha Willems

Hubert und Marlies Willems bekam drei Kinder:

1965 Michael, Johann Willems V. genannt Micha, 1966 Marion und 1979 folgte die kleine Iris.

1969 entstand auf dem Pfaffenweiherweg ein Großfeuer. Die abgestellten Wagen mit der Benzinbahn, der alten Orgel, ein Spielwagen, zwei Zugmaschinen sowie ein alter Wohnwagen wurden völlig zerstört.
Der Verdacht der Brandstiftung wurde schnell fallen gelassen.
Nur ein Wagen der Benzinbahn konnte von der Feuerwehr gerettet werden, darin waren der umlaufende Pfostenkranz sowie die Lichtleisten- und Ketten verpackt.
Die Lichtleisten wurden später in das Zeltdach der Raupe eingehängt. Die Pfosten wurden den jungen Eheleuten Marcel und Anita Markmann überlassen, die davon einen Ping-Pong-Pavillon bauten.

Speziell für den Weihnachtsmarkt hatte Hubert Willems IV. zwei Jahre lang von der Kurfürsten Brauerei einen Berliner Bus geliehen.
1971 kaufte er einen ausrangierten Linienbus und baute ihn von innen und von außen um. Der Bus, inzwischen zur Almhütte umbenannt, wurde bald zum beliebten Treffpunkt vieler Bonner Bürger zum Plausch bei Glühwein und anderen Getränken.

Außerdem hatte die Familie 1974 eine Gastwirtschaft mit darüberliegender Wohnung, auf der Kölnstraße angemietet, die von Marlies Willems bis 1978 geführt wurde. Die verwitwete Mutter, Hanni Willems blieb bei ihrem Sohn Hubert und war noch immer an der Kasse der Raupe anzutreffen.

Im Jahre 1979 war die Familie Hubert Willems IV. in Stadt und Land mit der inzwischen zu Kult avisierten Raupe und den beliebten Bier-Ausschank-Pavillons auf vielen Bonner Gemeinden-Festen und auf dem Pützchens Markt bekannt.

Getrübt war die Familie, durch eine Virus-Erkrankung des 12-jährigen Sohnes Micha. In Folge dieser er ein langes Hüftleiden erdulden musste.

Micha war 14 Jahre alt, Marion 13 Jahre und Iris acht Monate alt, als im Jahre 1980 die Eltern, Hubert, an einem Herzinfarkt und Marlies, an einem Krebsleiden kurz hintereinander starben.
Die Mädchen kamen zur Schwester von Hubert Willems, Ria Kotzer.

Micha Willems durchlief mehrere Stationen:
Nach dem plötzlichen Tod der Eltern blieb Micha bei seiner Oma an der Raupe, die mit Hilfe der Familie Markmann die Raupe bis Ende der Saison betrieb.
Als die Schule wieder anfing, kam Micha ebenfalls zur Tante Ria. Weg von der Reise, den Verlust der Eltern kaum begreifend, wechselte er kurze Zeit später, zu der Cousine Marion Kropp nach Düsseldorf.
Anfang der Saison 1981 bekam er, aufgrund seiner Hüfterkrankung einen Platz in einer Langzeit-Reha in Heidelberg Neckar-Gemünd, um dort auch die Schule zu beenden.
Nach wenigen Wochen verließ er unerlaubt die Klinik und erreichte Bad Godesberg zur Pfingstkirmes. Dort wurde er in der Familie Markmann aufgenommen.

Familie Markmann hatte zum Saisonende 1980 von der Großmutter Hanni Willems die Raupe und den Ausschank-Pavillon gekauft.

Die nächsten drei Jahre blieb Micha bei der Familie Markmann. 1984 heiratete er Else Hofmann, Rosie genannt. Die Schwiegereltern, Familie Schwarz betrieben auf kleinen Veranstaltungen, eine Schiffschaukel und einen Schiesswagen. Zuvor hatten sie auch einen Kettenflieger, der in den 1980er Jahren an die Familie Schaffrath, später an Günter Brock verkauft wurde.

Micha Willems V. übernahm 1985 den Betrieb der Schwiegereltern. Seine Frau Rosie ging jedoch weiter ihrer festen Arbeit nach.
Das Paar bekam vier Kinder: David, Angelina, Samantha und Celine-Marlies, die nicht im Schaustellerbetrieb tätig sind.

2003 stellte Micha Willems seinen Schaustellerbetrieb ein, bis dato hatte er auch immer mit der Schiffschaukel auf dem Pützchens Markt gestanden.

In den folgenden Jahren ging er verschiedenen Tätigkeiten nach.
Das Leben hat es nicht immer gut mit ihm gemeint.
Aber in seinem Herzen hat er nie aufgehört Schausteller zu sein.

© Margit Ramus

 

Alle Angaben zur Chronik der Familie Willems wurden von Ria Kotzer geb. Willems und Micha Willems in Gesprächen im Juni 2017 gemacht. Micha Willems hat den Inhalt der Chronik bestätigt. 
Das Fotomaterial sowie die Dokumente wurden aus dem Archiv © Micha Willems zur Verfügung gestellt und das Einstellen ins Archiv wurde schriftlich genehmigt.

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