Reif fürs Museum: Der „Wasseranlasser“
Mit einer roten Wäscheleine startet Ewald Telsemeyer sein Bodenkarussell (im Schaustellerjargon „Bodenmühle“ genannt). Sie führt vom Kassenhäuschen zum museumsreifen „Wasseranlasser“: Das ist ein hölzerner Bottich mit einer Salzlösung, durch die elektrischer Strom fließen kann. Der Kreis ist geschlossen, sobald mit dem Deckel drei eiserne Messer in die Flüssigkeit gesenkt werden. Je tiefer, desto höher die Spannung, und desto schneller die Fahrt. Der Motor verbraucht nur wenig Energie, und wenn er abgeschaltet wird, läuft das Karussell noch drei bis vier Runden aus eigener Kraft.
Sicherheitsauflagen haben das Karussell im Laufe der Zeit verändert. Weil es nach dem Ersten Weltkrieg in verschiedenen Städten Unfälle gab, mussten alle Schausteller sogenannte Revisionshefte anlegen und ihre „fliegenden Bauten“ regelmäßig kontrollieren lassen. Aus dieser Zeit stammen die Zeichnungen und die statischen Berechnungen, die Ewald Telsemeyer noch verwahrt.
Das Bodenkarussell ist zwar sehr sicher, aber seitenwindempfindlich. Weil ihm einseitige Belastung schadet, muss es bei Sturm ständig gedreht werden – natürlich auch nachts. Und deshalb erleben nächtliche Besucher der Altstadt gelegentlich ein Geisterkarussell vor dem Rathaus, das mit halb heruntergelassenen Behängen einsam seine Runden dreht: Vor einigen Jahren auf dem Weihnachtsmarkt 13 Nächte hintereinander.
Stadt Osnabrück, 17. Dezember 1988
Abschrift vom originalen Zeitungsartikel © Margit Ramus
Quellen | Stadt Osnabrück, 17. Dezember 1988
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