DSB Delegiertentagung in Düsseldorf 2024

Das war der 73. Delegiertentag des Deutschen Schaustellerbundes 2024 in Düsseldorf!

Vom 13. – 16.01.2024 fand in Düsseldorf die 73. Delegiertentagung des Deutschen Schaustellerbundes e.V. Sie war ein voller Erfolg.
Sie wurde von Schaustellerinnen und Schaustellern aus ganz Deutschland besucht wurde. Zu der Großkundgebung am 14. Januar fanden sich auch zahlreiche prominente Vertreter aus Politik und Kultur ein, die besonders in Düsseldorf einen engen Kontakt zu den Schaustellerfamilien haben.

Der DSB schreibt dazu auf seiner Website:

Über 400 Delegierte aus insgesamt 72 Regionalverbänden tagten zu Schaustellerthemen, Herausforderungen der Branche und der Ausrichtung des Bundesverbandes in Zeiten politischer und gesellschaftlicher Herausforderungen. In ihren Grußworten im Rahmen der feierlichen Großkundgebung, die von stimmungsvollen, typisch rheinländischen Karnevalelementen begleitet wurde, sicherten hochrangige PolitikerInnen, darunter André Kuper, Präsident des Landtages Nordrhein-Westfalen, Mona Neubaur, Ministerin für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen, Kerstin Griese, Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesminister für Arbeit und Soziales, Mahmut Özdemir, Parlamentarischer Staatssekretär bei der Bundesministerin des Innern und für Heimat und Dr. Stephan Keller, Oberbürgermeister der Stadt Düsseldorf, der Schaustellerbranche ihre Unterstützung zu.“ Quelle Website DSB

Auch Margit Ramus nahm die Einladung an, zum Thema „Immaterielles Kulturgut Volksfest“ zu referieren. Ihre Ausführungen stieß auf große Zustimmung bei den Zuhörerinnen und Zuhörern, insbesondere bei vielen jungen Schaustellern. Einige haben ihr im persönlichen Gespräch für ihren Vortrag, ihre Arbeit und ihr  Engagement für den Berufsstand gedankt.

Hier die Abschrift ihrer Rede:

Guten Abend meine sehr verehrten Damen und Herren,

mein Name ist Margit Ramus, ich bin gebeten worden, über meine Arbeit zum Thema „Immaterielles Kulturgut Volksfest“ zu sprechen.
Dank an Albert Ritter, dem dies ein besonderes Anliegen war!
Die meisten hier im Saal kennen mich, Denjenigen, die mich noch nicht kennen, möchte ich mich kurz vorstellen.
Ich bin Schaustellerin und die Familienchroniken meiner beiden Eltern führen bis ins Reisegewerbe Anfang des 19. Jahrhunderts zurück.

Mit 44 Jahren bin ich noch einmal zur Schule gegangen und habe nach dem Abitur Germanistik, Geschichte und Kunstgeschichte an der Uni Bonn studiert.
Nebenbei habe ich auf Volksfesten und seit 50 Jahren auf den Kölner Weihnachtsmärkten „Gebrannte Mandeln“ verkauft.
Was ich — bis heute vor einer Woche, gemeinsam mit meinem Enkel Peter Winter — noch gemacht habe.

Ich bin Deutschlands einzige wissenschaftliche Schausteller-Fachfrau, denn ich beschäftige mich seit fast 20 Jahren intensiv mit dem Kulturgut Volksfest und habe 2013 über die Architektur und Dekoration von Schaustellergeschäften promoviert.
In meiner Doktorarbeit untersuchte ich die Bauformen — Rund- Hallen- und Skelettbau der Fahrgeschäfte im Vergleich zur klassischen Architektur — sowie die Malereien auf den Fassaden der unterschiedlichsten Schaustellergeschäfte, auf denen vom Barock bis zur Pop Art, alle Stilepochen der bildenden Kunst festzustellen sind.

2017 gründete ich die Kulturgut Volksfest gUG, als Trägerin einer wissenschaftlichen Enzyklopädie, in Form eines historischen digitalen Archivs für das Kulturgut Volksfest, unter den Schirmherrschaften von Frau Prof. Dr. Hiltrud Kier, als Vertreterin der Friedrich-Wilhelm-Universität Bonn, Albert Ritter und der bereits verstorbene Hans-Peter Arens, beide Präsidenten der beiden Schausteller Dachorganisationen DSB und BSM.

Seit 2019 bin ich eingebunden in die Bemühungen um die Anerkennung der Volksfestkultur in Deutschland als immaterielles UNESCO-Kulturerbe, denn die deutschen Volksfeste gehören zu den ältesten, immateriellen Kulturgütern in Europa.
Sie sind älter als Oper- oder Schauspiel-Aufführungen,
älter als Museen oder Sportveranstaltungen,
älter als alles, was das heutige Freizeitangebot ausmacht.
Volksfeste verbinden schon über ein Jahrtausend die Menschen.
Sie haben Kriege, Epidemien und auch Corona überstanden.

In unserer schnelllebigen und unruhigen Zeit — stärken sie das Heimatgefühl, stehen für Tradition und Brauchtum —
fördern den kulturellen länderübergreifenden Austausch und —
was gerade in unserer Zeit so von Bedeutung ist — die Integration.

Deshalb hoffe ich, — dass nach 2 Absagen — der von mir erneut verfasste Antrag zur Aufnahme der deutschen Volksfestkultur in die Liste des immateriellen Kulturerbes, bei der nächsten Entscheidung der UNESCO, Zustimmung finden wird.
Er wurde im Namen des DSBs, des BMS und der Kulturgut Volksfest gUG im Oktober 2023 eingereicht.

Meine Damen und Herren,
der Name Volksfest steht für unterschiedliche Festformen:
Sakrale Volksfeste bewah­ren seit weit über 1000 Jahren die Erinnerung an Kirchweihen, Heiligenverehrungen oder Patronatsfeste.
Schützenfeste gehen auf die Schützengilden des 12. Jahrhunderts zurück.
Als Höfisches Fest wird erstmalig der Begriff „Volksfest“ 1810 genannt, anlässlich der Hochzeit des Kronprinzen Ludwig und seiner Braut Therese, bekannt als das größte Volksfest der Welt, das „Münchener Oktoberfest“ auf der Theresienwiese.

Die Träger und Trägerinnen dieser Volksfeste und damit der lebendigen deutschen Volksfestkultur sind wir, die Schaustellerinnen und Schausteller.
Ohne uns und unseren unermüdlichen Einsatz, der seit unzähligen Generationen zu belegen ist, gäbe es die modernen Volksfeste nicht.
Neben dem Erhalt und Pflege des Kulturgut Volksfestes, ist es uns auch wichtig, dass alle Menschen in ihrer Vielfältigkeit, gleich welcher Herkunft, Religion, Weltanschauung, körperlicher oder seelischer Verfassung an den Volksfesten teilhaben können.

Im Kulturgut Volksfest-Archiv ist zu lesen, wie sich z.B. die heutigen Schaustellerbetriebe durch Spezialisierung aus dem sogenannten „Fahrenden Volk“ des Mittelalters — das von je her ein unverzichtbarer Teil der Gesellschaft war, zum Gewerbetreibenden entwickelt haben.
Thematisiert werden auch das Leben und Wohnen der Schaustellerfamilien.
Welcher Religion sie angehören und wie sie Wissen und Können innerhalb der Familien meist auf nicht schriftlichem Wege weitergeben.
Auf diese Weise wird der Schausteller-Nachwuchs in eine Vielzahl unterschiedlicher handwerklicher Berufe eingeführt, aber auch im Erlernen der unterneh­merisches Verhandlungsgeschick und dem entsprechenden Now Hows, welches im Schaustellergewerbe von Nöten ist um den Erhalt der Volksfeste zusichern.

Im Archiv wird auch die Vielfalt der Schaustellergeschäfte beschrieben und aufgelistet nach Form und Funktion, Herstellern und Malern.
Meine Recherchen führten mich unter anderem ins Staatsarchiv von Gotha. Dort fand ich Dokumente, die bestätigen, dass Fritz Bothmann 1883 die erste professionelle Karussellbaufirma gegründet hatte und bereits um 1900 seriell gebaute Karussell und Luftschaukeln in großer Anzahl in viele Kontinente der Welt verschiffte.
Damit hat er schon damals einen großen Anteil zur Verbreitung der deutschen Volksfestkultur geleistet.
Einer seiner Karussells, eine Raupenbahn aus dem Jahre 1926 erfreut noch immer, auf dem Größten Schützenfest am Rhein in Düsseldorf, Fahrgäste aller Altersgruppen.

Zu erwähnen ist auch, dass die „Dresdner Galapferde“ der berühmten Holzschnitzers Friedrich Heyn weltweit exportiert wurden und viele von ihnen heute in Nord-Amerika in speziellen Museen geschützt werden.

Bei meinen Reisen zu noch lebenden Schausteller-Malern oder deren Nachkommen stieß ich ebenfalls auf interessante Informationen. Teilweise hatten sie eine akademische Ausbildung, waren Kirchenmaler, Werbedesigner usw., teilweise verschwiegen sie in ihren Viten die Arbeit für Schauteller.

Von unschätzbarem Wert für das Kulturgut sind auch Berichte mit Quellenangaben, Zeitungsartikel, Bilder und Erzählungen von Zeitzeugen zum Beispiel auch aus der ehemaligen DDR. 
Im Archiv sind auch Hersteller und Maler-Biographien zu lesen,

Schausteller Nachrufe sowie eine kritische Reflexion der Geschichte und der Entwicklung des Reisegewerbes im Zeitraum vor dem Zweiten Weltkrieg und danach im geteilten Deutschland.
Dazu fand ich wichtige Hinweise im Kölner Stadtarchiv, wenige Wochen vor dessen Einsturz. Aufgrund der mitgebrachten Mandeln durfte ich viele Dokumente scannen oder fotografieren, die im Original dann leider verloren gingen.

Es gäbe noch so viel zu erzählen. Aber meine Redezeit ist sicherlich schon überschritten. Vielleicht habe ich Sie ein wenig neugierig auf das Kulturgut Volksfest-Archiv gemacht?
Es wird inzwischen wöchentlich 4–5000-mal von Menschen aus ganz Europa, und darüber hinaus, aufgerufen und findet auch an Universitäten große Anerkennung und bietet oft Grundlage für die Forschungen zum Kulturgut.

Verehrte Damen und Herren,
es ist mir zur Lebensaufgabe geworden, die von Zeitzeugen meist mündlich überlieferten Traditionen und Ausdrucksformen, sowie die gesellschaftlichen Bräuche der Schaustellerinnen und Schausteller aufzuschreiben, und sie damit für die nächsten Generationen zu bewahren. Ich muss allerdings noch wenigsten 20 Jahre leben — um alle meine Quellen zu bearbeiten.

Ich hoffe sehr, dass mit meiner Arbeit ein wichtiger Beitrag zur Anerkennung der Volksfestkultur als immaterielles UNESCO-Kulturerbe geleistet werden konnte — und wir im kommenden Jahr endlich die verdiente Zustimmung bekommen werden.

Danke für Ihre Aufmerksamkeit

© Margit Ramus