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2019 Volksfeste: Es wird nostalgisch

Im Mai 2019 gibt Frank Hakelberg Hauptgeschäftsführer des DSB der VDK Zeitung ein Interview. Hakelberg thematisiert den Ursprung und die Tradition, der über Jahrhunderte gewachsenen, kulturell und kirchlich beeinflussten Volksfeste. Ihre Entwicklung ist zukunftsorientiert. Ohne Zweifel bilden die 9750 Volksfeste mit bundesweit rund 190 Millionen Besuchern das wichtiges Segment im  deutschen Freizeitangebot.
Kommentar der Verfasserin © Margit Ramus

Artikel in der VDK Zeitung vom  Mai 2019

Volksfeste: Es wird nostalgisch.  Nur in Deutschland gibt es so eine starke Tradition mit Schützenfesten und Jahrmärkten

Jetzt beginnt die Saison der Volksfeste: Bis Ende des Herbstes reihen sich Schützenfeste, Jahrmärkte und Oktoberfest aneinander. Dann liegt der Duft von Bratwurst und gebrannten Mandeln in der Luft, in den Bierzelten herrscht fröhliches Gedränge zu Stimmungsmusik.
In den Fahrgeschäften wird man durch die Luft gewirbelt, bis einem schwindelig wird. Volksfest, das ist für Klein und Groß ein Stück Geselligkeit. Und der Trend geht hin zur Nostalgie – ein bisschen weg vom „Höher, Schneller, Weiter“.

„Volksfeste und Kirmessen – und dazu gehören auch die Weihnachtsmärkte – sind über Jahrhunderte gewachsene, kulturell und kirchlich beeinflusste Veranstaltungen“, sagt Frank Hakelberg, Hauptgeschäftsführer beim Deutschen Schaustellerbund (DSB). So leite sich das Wort Kirmes ab von Kirchmesse oder Kirchweihe. Und die Verleihung von Stadt- oder Marktrechten habe oft in Verbindung mit Volksfesten gestanden.
„Dort, wo Markt gehalten wurde, kam das Amüsement mit Gauklern, Geschichtenerzählern, Puppenspielern und Stelzenläufern dazu“, sagt Hakelberg. Das älteste Volksfest ist das 1200 Jahre alte Lullusfest in Bad Hersfeld, das vom 14. bis 21. Oktober stattfindet. Es erinnert an den Gründer Bonifatius-Schüler Erzbischof Lull.

Mehr als 190 Millionen Besucher gingen im vergangenen Jahr auf deutsche Volksfeste, auf Weihnachtsmärkte rund 160 Millionen. „Die meisten Volksfeste werden von Städten und Kommunen abgehalten“, sagt Hakelberg. Diese seien nicht irgendein Angebot im Freizeitsektor, sondern mit Tradition und mit Brauchtum verbunden.
Hakelberg: „Sie sprechen alle Generationen und alle Einkommensschichten an, alle sind willkommen und müssen keinen Eintritt bezahlen.“

In keinem anderen Land der Welt finden so viele Volksfeste statt wie in Deutschland, rund 9750 sind es derzeit. 25 Euro werden im Durchschnitt pro Gast und pro Besuch ausgegeben, auf Weihnachtsmärkten sind es 18 Euro. 
 „Volksfeste sind in unserer Gesellschaft ein wichtiger Bestandteil der Freizeitgestaltung und Orte des sozialen Miteinanders“, betont Hakelberg. Ein Volksfest sei Ausdruck der Lebensfreude und habe einen regionalen Charakter.

Lokaler Charme

Viele Ortschaften achten darauf, dass ihre Volksfeste nicht übermäßig „Oktoberfestifiziert“ werden und ihren lokalen Charme bewahren. Er sehe nicht erst seit der „Oidn Wiesn“ auf dem Oktoberfest einen Trend hin zur Nostalgie:
Die Schiffschaukel kommt gerade wieder, vor allem die Überkopfschaukel, wo man noch etwas leisten muss. Das alte Kettenkarussell, die Berg- und Talbahn, der klassische Wellenflug – das ist pure Kirmesstimmung.“
Die Schausteller würden auch immer professioneller. Auf Trends und Erwartungen werde genau geschaut. Die Speisen gebe es Bio, vegetarisch und vegan. Auch sehe man, dass Oma und Opa mit den Enkeln oft zu den Volksfesten gehen. Da müsse für Jung und Alt ein Programm geboten sein. Etwa das Kinderfahrgeschäft und gleich gegenüber ein gemütlicher Kaffeestand mit Kuchen.

Als Beispiel für Kreativität nennt Hakelberg das Nürnberger Volksfest: Frankens Vorzeigefest bietet neben dem Standardprogramm mit Bierzelt, Zuckerwatte und Fahrgeschäften ein Azubi-Speeddating.
Regionale Unternehmen informieren am und im Riesenrad über Berufe und freie Ausbildungsplätze. Und sogar der Physikunterricht wird auf dem Volksfest abgehalten: Dort lernen die Schüler direkt am Objekt, was es mit Beschleunigung und Luftwiderstand auf sich hat.

Mit den Wirtschaftsdaten ist Hakelberg zufrieden, auch wenn für viele Schausteller die Transport- und Personalkosten hoch sind. Zwischen den Jahren 2000 und 2012 habe man einige kleine Feste wie Frühjahrs- und Herbstmärkte sowie Schützenfeste verloren, doch insbesondere bei den Weihnachtsmärkten laufe es wieder gut. Und mit den mittleren und großen Festen sei man sehr zufrieden.
„Bei Volksfesten kommt es stark darauf an, wie sie gestaltet sind. Wenn das ganze Dorf dahintersteht, gelingt es. Da wird dann sogar der Urlaub entsprechend gelegt“, sagt Hakelberg.
Das Miteinander der Vereine und der Festumzug seien wichtig. Auch sieht er eine gewachsene Bereitschaft der Kommunen, die Volksfeste zu unterstützen, um sie so attraktiv wie möglich zu gestalten.

So kann der große Reigen der Volksfeste wieder beginnen, der auf dem Münchner Oktoberfest, dem weltweit größten Volksfest, seinen Höhepunkt findet. Schmucke Tracht, rasante und altehrwürdige Fahrgeschäfte sowie die bayerische Tradition und Lebensart werden dann zelebriert

Abschrift vom originalen Zeitungsartikel © Margit Ramus

VDK Zeitung, Mai 2019

 

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