
In der Nähe des Pariser Vororts Bercy Village befindet sich in einem ehemaligen Weindepot das Musée des Arts Forains. Im Museum erwarten die Besucher Tausende von Gegenständen, die die Einzigartigkeit des Kulturgut Volksfestes präsentieren.
1972 hatte Johannes Paul Favand, ein ehemaliger Schauspieler und Antiquar, Objekte von Jahrmarkt und Show zu sammeln begonnen. Schnell füllte sich das private Depot, sodass Favand schon bald in einem Atelier in Gentilly, dann in der Rue de l’Église im 15. Arrondissement seine Funde der Öffentlichkeit zugänglich machte.
Im Jahr 1996 eröffnete Jean-Paul Favand seine Sammlung in den Pavillons von Bercy, die von dem Architekten Louis-Ernest Lheureux, einem Schüler Gustave Eiffels, erbaut worden waren.
Das Museum ist ein vollständig in Eigenfinanzierung geführtes Privatmuseum. Inzwischen soll dort die größte Sammlung Europas zusammengetragen worden sein.
Anerkennung findet das Museum auch beim Ministerium für Wirtschaft, Industrie und Arbeit, welches das Jahrmarktsmuseum mit dem Preis „Unternehmen für lebendiges Kulturerbe“ für die Aufbewahrung und Präsentation der Gegenstände aus Jahrmarkt und Show ausgezeichnet hat.
Im Jahre 2006 folgte eine Delegation europäischer Historiker und Kunsthistoriker der Einladung von Jean-Paul Favand und besuchte das Museum.
Galerie I
Jean Paul Favand wollte seine Exponate lebendig präsentieren und eine Verbindung von Tradition und Neuem als Fortbestehen des Vergänglichen erreichen, was ihm perfekt gelungen ist. Dazu nutzte er die neuesten Technologien im Bereich Ton- und Bildprojektion, um die gesammelten Objekte zum Leben zu erwecken.
Jährlich besuchen über 200.000 Personen anlässlich von Empfängen sowie Besichtigungen durch Einzelpersonen und Gruppen das wunderschöne Museum und lassen sich in eine Traumwelt entführen.
Um die Vielfalt übersichtlich darzustellen richtete Favand sein Museum in vier unterschiedliche, sich ergänzende Themenbereiche mit differenzierten Funktionen ein:
Das Musée des Arts Forains (Jahrmarktsmuseum)
Das Théâtre du Merveilleux (Theater der Wunder)
Die Salons Vénitiens (venezianische Säle)
Das Théâtre de Verdure (Theater im Grünen)
Musée des Arts Forains
Im dem Jahrmarktsmuseum, erwartet den Besucher ein Velocipedes-Carousel, ein Fahrradkarussell. Es wurde 1897 in Gent – Belgien, von Caillebaut & Decanck nach dem Patent der englischen Firma Savage gebaut und dann viele Jahre in Frankreich von den Gebrüdern Limonaire betrieben. Inzwischen wurde das Karussell im Museum restauriert und ist wieder voll funktionstüchtig. Die Malerei des Trichters (Verkleidung der Mittelkonstruktion) und der Decken-Plafonds sind noch im Original erhalten.
Die Fahrräder erreichen bei vollem manuellem Antrieb eine Geschwindigkeit von fast 60 Stunden km. Das Veloziped-Karussell bot im 19. Jahrhundert dem einfachen Volk die Möglichkeit, Velocipedes (Fahrräder) auszuprobieren, deren Anschaffung sich bis dato nur die vermögende Gesellschaft erlauben konnte.
Heute wird das Fahren auf dem historischen Karussell als eine der beliebtesten Attraktionen des Museums von den Besuchern eifrig genutzt und damit die Vergangenheit wieder lebendig gemacht.
Galerie II
Neben dem Fahrradkarussell sind auch weitere Karussells und Spielgeschäfte ausgestellt. In den 1980er Jahren kamen in Deutschland sogenannte Pferderennen auf die Volksfestplätze. Interessant ist, dass in Frankreich diese Art von Spielgeschäften bereits viel früher auf dem Markt war. Im Museum wird ein solches Spielgeschäft gezeigt, anstelle von Pferden oder Kamelen transportieren dort jedoch kleine schwarze Kellner ihre Tabletts von einer zur anderen Seite. Die Spieler warfen von außen Bälle in Löcher und die höhere Lochzahl entschied über die Entfernung, die der Kellner zurücklegte. In Deutschland geschah dies, wie bereits erwähnt, mit Pferden und später auch mit Kamelen.
Galerie III
Beachtlich ist auch die Sammlung der Besatzungsteile, wie Pferde und andere Tiere, Autos, Boote, Fahrräder, Motorräder, Flugzeuge und andere Sitzmöglichkeiten auf Karussells.
Galerie IV
Dazu gibt es eine Vielzahl von Holzpferden, die überwiegend deutschen Schnitzer-Werkstätten zuzuordnen sind.
Galerie V
Ein besonderer Schatz der Sammlung sind unterschiedliche Spielgeräte, dazu gehören bunt bemalte Blechtafeln, auf die man mit Bällen in die vorgefertigten Öffnungen werfen oder auch mit Gewehren auf Hindernissen schießen konnte.
Galerie VI
Die Salons Vénitiens (Venezianische Säle)
Beim Betreten der venezianischen Salons fühlt sich der Besucher wie durch eine Zeitmaschine in das Venedig des 19. Jahrhunderts versetzt. Ein Karussell mit venezianischen Gondeln oder kleinen Booten laden zu einer Fahrt ein. Weitere Attraktionen fügen das Bild einer zauberhaften Scheinwelt zusammen.
Eine Ton und Licht Show lassen Venedig lebendig werden und kleiden die animierten Bilder immer wieder für ein paar Minuten in eine andere Farbenpracht.
Im zweiten Salon bewegt eine Show von Automaten mit Klängen und Lichtern viele Figuren, die von Charakteren aus der Commedia dell’arte inspiriert sind. Italienische Arien erklingen. Außerdem finden auf einer kleinen Theaterbühne mit rotem Vorhang bei einer gebuchten Veranstaltung weitere Shows statt.
Galerie VII
Als kunsthistorischer Lustgewinn entdeckt der Besucher eine Vielzahl von Bildtafeln, kleine Kartuschen mit neubarocken Rahmungen und unzähligen Exponate von Dekoration mit barocken Stilelemente, die in allen Hallen des Museums die Wände schmücken.
Galerie VIII
Théâtre de Verdure
Das Theater im Grünen bezeichnet Freiflächen von insgesamt etwa 2500 m² zwischen den einzelnen Museums-Hallen. In dem alten Baumbestand hängen Kristall-Kronleuchter und andere antike Leuchten, die bei Einbruch der Dämmerung eingeschaltet werden. Eine mystische Atmosphäre schaffen u.a. angestrahlte Skulpturen, die zwischen den Bäumen arrangiert sind und an Alice im Wunderland oder den Roman von Lewis Carroll erinnern.
Auf einem der Wege finden regelmäßig Animationen und musikalische Events statt. Für das leibliche Wohl der Besucher wird an kleinen Fast-Food-Ständen gesorgt.
Galerie IX
Inzwischen ist die Werkstatt aus dem Museum nicht mehr wegzudenken. Hier werden Neuanschaffungen gesichtet und restauriert. Auch größere Objekte, wie ein Wohnwagen dessen Innenausstattung Stilelemente des Jugendstils aufweisen, werden aufgearbeitet. Manchmal werden auch technische Geräte, wie die Mittelkonstruktion eines Karussells, angekauft oder von Schaustellern überlassen.
Galerie X
Mit den Bildern in der letzten Galerie soll der erste Eindruck auf dieses außergewöhnliche Museum abgerundet werden. Das Musée des Arts Forains Paris ist für alle Interessierten der Volksfest-Kultur ein unbedingtes Muss.
Galerie XI
© Margit Ramus