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1962 Köln Von der Stadt die Schau gestohlen

1962.12.05 Von der Stadt die Schau gestohlen KSTA

Noch weniger Platz für Buden und Karussells

Sein Gesicht ist krebsrot. Seine Adern schwellen beängstigend an. Zornig ruft er in den Saal: „Wir sind keine Wännläpper. Wir sind ehrliche Steuerzahler. Wir gehören zur Elite der Bürger.“
Noch ehe der kleine, stämmige Mann mit dem pechschwarzen Schnurrbart Luft geholt hat, um weiterzusprechen, prasselt der Beifall wie ein Platzregen durch die Ehrenfelder Gaststätte. Rund hundert Kölner Schausteller haben sich versammelt, um gegen eine Entscheidung der Stadtverwaltung zu protestieren: Die fahrenden Unternehmer sollen Karneval 1963 auf die Plätze am Bollwerk und am Sassenhof verzichten.

Kommentar des Leiters der Kölner Schaustellervereinigung, Wilhelm von der Gathen: „Nicht auszudenken, welcher Schaden uns da trifft.“

Die Gesichter hinter den Tischen sind ernst. Die Absage, die man vor wenigen Tagen im Briefkasten fand, war deutlich genug:     „(…) trotz allem Verständnis, das die Stadt Köln für Ihre Wünsche aufbringt, ist es nicht möglich, Ihnen das Gelände am Sassenhof [heute Standort vom Maritim Hotel] und am Bollwerk zur Verfügung zu stellen. Ich kann daher nur auf das Gelände an der Maximinenstraße verweisen …“

Die Schausteller schütteln verständnislos die Köpfe: „Es ging doch in den vergangenen Jahren. Warum will man uns wirklich die Existenz nehmen?“

Wilhelm von der Gathen: „Gerade durch das Karnevalsgeschäft haben viele Kollegen die Möglichkeit, ihre Schulden zu begleichen. Bedenken Sie doch, dass wir durch den Winter praktisch ein halbes Jahr lang ohne Verdienst dastehen.“

Die Schausteller haben keineswegs resigniert. In einem Schreiben an Oberbürgermeister Theo Burauen, Oberstadtdirektor Dr. Max Adenauer, Stadtdirektor Berge und die drei Fraktionen heißt es: „. . wir weisen darauf hin, dass seit nahezu 100 Jahren im Stadtgebiet von Köln an Karnevalstagen Schaustellergeschäfte aufgebaut worden sind“, und ganz besonders möchten wir an die Nachkriegsjahre erinnern, als die Karnevalsgesellschaften noch keine städtischen Zuschüsse erhielten und uns händeringend darum gebeten haben, die Geschäfte aufzubauen, um mit den von den Schaustellern gezahlten Platzgeldern den Karneval zu finanzieren.

Als die Stadt nach diesem Schreiben die kalte Schulter zeigte, trommelten von der Gathen und der Leiter der Fachgemeinschaft des ambulanten Markt- und Schaustellergewerbes für die Regierungsbezirke Köln—Aachen, Theo Rosenzweig jr., die Zunftbrüder zu einer Protestkundgebung zusammen.

Fast zwei Stunden lang machen sie ihrem Ärger Luft. „Ich musste 1560 Mark Steuer nachzahlen“, schreit einer der Männer in den Saal. Hat die Stadt das Recht, uns das Brot zu nehmen? Da kann ich nur Pfui zu sagen. „Der Karneval spielt sich in der Innenstadt ab. Wenn man uns nach Deutz spielen würde, dann ist das genauso, als würde ein Geschäftsmann seine Schaufenster in den Hof verlegen.'“

Sie können es einfach nicht begreifen, warum die Stadt das Gelände am Sassenhof und am Bollwerk als Parkplätze reservieren will. Das Zentrum ist doch während der Hauptfesttage für Autos gesperrt.

Als Rosenzweig jr. verkündet: „Die Stadt hat über unsere Köpfe hinweg beschlossen, dass wir vom nächsten Jahr an in der Innenstadt keinen Platz mehr bekommen sollen“, fällt das Wort Protestmarsch. „Wir schließen uns dem Rosenmontagszug an“, ruft einer der erregten Zuhörer. „Vor dem Rathaus sollten wir aufmarschieren.“

Der Plan scheint perfekt. Schon hat man beschlossen, im Polizeipräsidium einen Antrag zu stellen, als der Kölner SPD-Vorsitzende Hans-Jürgen Wischnewski (MdB) ins Lokal eilt und die Wogen wieder glättet. Als er erfährt, dass seine Parteifreunde es bisher abgelehnt haben, eine Delegation der Schausteller zu empfangen, verspricht er:
„Selbstverständlich bekommen Sie vor Weihnachten einen Termin, bei dem die Angelegenheit vernünftig besprochen wird. Wenn Sie jahrelang Platz gefunden haben, wieso dann 1963 nicht?“
Voller Hoffnung machen sich die Kölner Schausteller auf den Heimweg.

Kölner Stadt Anzeiger 05.12.1962

Abschrift vom originalen Zeitungsartikel © Margit Ramus

 

 

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