Protest gegen Rat und Verwaltung
„Wir möchten auch einmal Weihnachten ohne Sorgen feiern können!“ Das war der allgemeine Wunsch der Kölner Schausteller, die sich auf der Protestversammlung in der Ehrenfelder Gaststätte Glasz über Benachteiligungen durch Rat und Verwaltung der Stadt beklagten. Es geht nämlich darum, ob die Schausteller von Weiberfastnacht bis Aschermittwoch auf dem Sassenhof und am Bollwerk weder ihren Vergnügungspark aufbauen dürfen.
Mit Hinweis auf den Parkplatzbedarf haben Stadtdirektor Berge UNI Liegenschaftsdirektor Professor Pirkel klipp und klar nein gesagt. Die Polizei hat aber keine Bedenken gegen den Schaustellerantrag. Das Geschäft in der Karnevalswoche ist für die 200 Kölner Betriebe mit 2500 Beschäftigten und Angehörigen im Winter die einzige Verdienstmöglichkeit. Mit dieser Einnahme werden laufende Verpflichtungen und Vorausleistungen für die kommende Saison beglichen.
Für die Stadt Köln bringt der Vergnügungsplatz nach Angaben der Schausteller mindestens 20 000 DM an Platzgeld, Steuer und Stromgebühren ein. Zudem bekommt die Stadt durch die Gewerbesteuer der 200 Kölner Betriebe den steuerlichen Ertrag, der im Laufe des Jahres in anderen Städten erzielt wurde.
Nun soll der Liegenschaftsausschuss am 3. Dezember rigoros beschlossen haben, den Schaustellern in keiner Weise entgegenzukommen. Dazu kam die offizielle Ablehnung der SPD-Rathausfraktion, sich mit den Antragstellern vor Weihnachten noch einmal über die Platzfrage zu unterhalten. Das brachte die Gemüter vollauf in Wallung. Kommentar: „Das sind die Stadtväter, die für die Bürger keine Zeit haben, obwohl wir einwandfreie Gewerbetreibende und gute Steuerzahler sind, keinen Vorbestraften unter uns haben. Hat die Stadt Köln das Recht, von uns Geld zu kassieren und uns auf der anderen Seite das Brot zu nehmen?“
Die Mitglieder der SPD empörten sich am meisten.
Es wurde hart gegen Stadtdirektor Berge argumentiert, noch härter gegen Stadtvertreter Erfen. Der Oberbürgermeister hatte den Schaustellern am 5. Dezember einen ausweichendzurückhaltenden Brief geschrieben, dessen Verlesung Hohngelächter auslöste.
Kommentar des Vorstands: „Dafür haben wir ihm nach den Wahlen immer Blumen und Glückwünsche geschickt!“
Die Meinung des Mitglieds der SPD:
„Die Stöhl. op denne die sitze, sin denne zo wärm, losse mer die em Rothuus ens opspringe losse!“
Unter anhaltendem Beifall aller Anwesenden wurden die Vorstände, der beiden Schaustellerverbände von der Versammlung verpflichtet, noch vor Weihnachten mit den Rathausfraktionen bzw. der Stadtverwaltung zu verhandeln und eine gütliche Einigung zu erzielen. Gelingt das nicht; so soll ein Protestmarsch die Öffentlichkeit für den Fall interessieren. „Wir machen kein Wildwest, aber wir zeigen dann, dass wir da sind!“
Der Ärger der Schausteller wurde noch begreiflicher bei der Feststellung, dass in der Sache bisher 74mal bei Rat und Verwaltung vorgesprochen worden sei, bis jetzt leider ohne Erfolg.
Weil nun den beruflichen Sorgen ein politisches Feuerchen aufzuflammen drohte, kam eiligst Bundestagsabgeordneter Hans-Jürgen Wischnewski aus anderer Versammlung herbei und versicherte, auch als Vorsitzender der Kölner SPD, dass es sich um ein ehrbares Gewerbe mit hervorragenden Steuerzahlern handele, für deren Interessen man auch einstehen müsse.
Jetzt bleibt abzuwarten, wie das Anliegen der Schausteller behandelt wird. Mit gutem Willen und etwas Herz muss die zufriedenstellende Lösung möglich sein. Oder sollten wir schon so unkölsch denken, dass Joseph Roesbergs Karussellchesleed stadtamtlich verschrottet wird und Pitt-Jüppche das Karussellchen nicht mehr drehen darf? Das wäre eine Blamage, auch für das vielgepriesene gute Kölner Herz.
Abschrift vom originalen Zeitungsartikel © Margit Ramus
Quellen | Kölner Stadt Anzeiger 13.12.1962
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