Name(n) des Geschäftes | Bodenkarussell |
Typologische Bauaufgabe | Rundfahrgeschäft |
Bauform | Rundbau |
Baujahr | 1893 |
Hersteller | Friedrich Heyn |
Maler | Adam Hölbing > Ludwig Specht > Fritz Hilbert > Mike Tegen |
Dekorationsstil | Romantische Salonmalerei |
Dekorationsthema | Maritime Landschaften |
Bauherr / Inhaber | Vespermann > Helmut Mondorf & Michael Hempen |
Baubeschreibung
Eingeschossiger Rundbau mit Zeltdach, von umlaufender Schmuckdachkante und Arkaden abgeschlossen. Die Blendbögen der inneren Arkatur umschlingen den feststehenden Innenraum. Der Mittelbau ist mit einem trichterförmigen Umbau verkleidet. In der unteren Zone sind klassische Pferde, Trillergondeln, venezianische Gondeln und ein Elefant mit Sitzbank eingestellt.
Dekoration um 1900
Die Schwarzweiß-Aufnahme von 1900 belegt die erste Bemalung der Schmuckdachkante. Auf den einzelnen Tafeln sind bemalte Kartuschen aufgelegt. Die Übergänge sind mit schmalen Blenden und aufgesetzten kleinen Engelsköpfchen geziert. Die romantischen Bildinhalte lassen sich nur schemenhaft erkennen. Die höfischen Szenen entsprechen den im Puppenmuseum von München erhaltenen ursprünglichen Plafonds von 1893.
Die umlaufenden Stützen sind mit schmalen, stofflichen Vorhangbögen verbunden. Die Übergänge schmücken kleine Stoffzungen, die mit Frauenporträts bemalt sind.
Besonderheiten
Adam Hölbing (1855-1929), ein schleswig-holsteinischer Künstler und Schüler des Schaustellermalers Franz Speth, malte 1893 die Schmuckdachkante, den Trichter und die Plafonds der Flachdecke des Bodenkarussells.
Die Bilder der Plafonds wurden aus Geldmangel auf gebrauchte Karusselldachplane gemalt. Davon sind bis heute einige erhalten und befinden sich im Puppentheatermuseum München, Abteilung Schausteller. Sie gehören zu den ältesten erhaltenen, originalen Malereien eines Karussells. Eine der 16 Tafeln trägt die Signatur von Adam Hölbing von 1893.[1]
Restaurierungen
1928 malte der seit 1912 bei Bothmann in Gotha tätige Karussellmaler Ludwig Specht die zweite Ausführung der Schmuckdachkante. Er wählte Szenen aus der Nibelungensage.
Dekoration: 1968
1968 restaurierte Ludwig Spechts Schüler Fritz Hilbert die Schmuckdachkante des Karussells. Die Tafeln waren inzwischen erneuert worden, aber an der Form der aufgelegten Kartuschen und der Thematik wurde festgehalten.
Auf den Vorhangbögen der Arkaden rahmt ein floraler Dekor geschnitzter Halbrelieffiguren, die mit Pfaureliefs alternieren.
Dekoration 1975-1977
Zwischen 1975 und 1977 wurde die Schmuckdachkante von dem Hamburger Kunstmaler Mike Tegen erneut umgestaltet. Die Bildinhalte der feststehenden kelchförmigen Orgelstube sind dem Tanz gewidmet. Abwechselnd sind Einzelfiguren und Gruppen dargestellt. Auf den Bildtafeln der Decke sind Elfen und Nymphen artige weibliche Wesen gemalt
Besatzung
Ab 1937 wechselten die Inhaber Teile der ursprünglichen Besatzung aus. Zunächst mussten der Elefant und eine Gondel zwei Trillergondeln weichen. 1939/40 folgte die Eingliederung verschiedener Tiere in die traditionelle Besatzung. Känguru, Strauß, Giraffe, Kamel, Hahn, Eisbär, Löwe und Schwan gehörten zu den letzten Werken Friedrich Heyns und seinen Schnitzern, bevor diese zum Kriegsdienst eingezogen wurden
Antrieb
An diesem Karussell ist die Entwicklung des Antriebes besonders anschaulich nachzuweisen. Zunächst wurde das 1893 erbaute Bodenkarussell, wohl älteste erhaltene und noch in Betrieb befindliche mit der Hand von kräftigen Männern angeschoben und später von einem im Innenraum umlaufenden Pferd in Bewegung gesetzt. Erst 1921 erfolgte die Umstellung auf elektrischen Strom
Erhaltungszustand
Wie die Aufnahme aus dem Jahre 2009 zeigt, ist dieses mit viel Liebe zum Detail mehrfach restaurierte Karussell ein Juwel des Karussellbaus des 19. Jahrhunderts.
Provenienz und Verbleib
Vier Generationen lang war das Karussell im Familienbesitz Vespermann. Viele Jahre war das Reisegebiet auf die gesamte Bundesrepublik ausgedehnt, wie z.B. Cranger Kirmes, Dürkheimer Wurstmarkt, Wormser Backfischfest, Bremer Freimarkt und Münchner Oktoberfest. Heute dreht sich das Karussell nur noch im norddeutschen Raum. Am Ende der Saison 2005 wechselte das Karussell den Besitzer. Die beiden neuen Inhaber Helmut Mondorf und Michael Hempen pflegen weiterhin das alte Karussell.
© Margit Ramus
Quellen | Ramus 2013. Kat. Nr. 01. Dering, Volksbelustigungen, 1986, S. 181. |