Autoskooter Pfosten Distel und Barth

Autoskooter der Firma Eugen Distel. Hersteller Heinrich Mack. Foto 1940er Jahre. ©Archiv Opitz/Mack

Eugen Distel gab das Baujahr seines Autoskooters mit 1938 an. Einige Erkenntnisse sprechen für ein späteres Baujahr oder dafür, dass der Autoskooter bereits kurz nach dem Zweiten Weltkrieg umgestaltet wurde und neue Autos der Firma Ihle angeschafft worden waren.
Aufgrund weiterer Recherche ist bekannt geworden, dass Eugen Distel während den Kriegsjahren seinen ersten Autoskooter bei Mack hat bauen lassen.
Willi Thoma schreibt dazu:

„Heinrich Mack [ist] noch eine Meisterleistung mitten im Krieg gelungen.
Er baute für Eugen Distel die erste Skooterbahn, deren Fassade vom Kunstmaler Specht gestaltet wurde.
Distel hat dieses Fahrgeschäft in den Jahren 1942/43 auf Vorrat bauen lassen für die Nachkriegszeit. Er wollte seinem Sohn, wenn er aus dem Krieg zurück käme, damit den Start ermöglichen.
Am Stadtrand hatte damals der Schausteller Wilhelm Schäfer, Inhaber des Zirkus „Liliput“, eine Halle aufgestellt, in der er seine Fahrzeuge aus den bombenbedrohten Großstädten gelagert hatte. Hier wurde auch das für Distel gebaute Autoscooter-Geschäft eingelagert.
Nach 1945, als Waldkirch von französischen Truppen besetzt war, trug ein elsässischer Schausteller namens Fetcher das Ansinnen an Heinrich Mack heran, ihm dieses Fahrgeschäft kostenlos zu überlassen – gewissermaßen als Wiedergutmachung für angebliche NS-Verbrechen, die Herr Fetcher von irgendwelcher Seite erlitten haben wollte.
In der gleichen Nacht hat Heinrich Mack, dem nichts Gutes schwante, mit Eugen Distel telefoniert, und es kam wieder einmal zu einer der berüchtigten Blitzaktionen. Das Fahrgeschäft wurde bei Nacht und Nebel aus der Halle nach Freiburg transportiert und dort auf einen Eisenbahnwaggon, der inzwischen gechartert worden war, verladen und nach Frankfurt in die amerikanische Zone geschafft.
Dies geschah gewissermaßen „fünf Minuten vor Zwölf“, denn drei Tage später kam Herr Fetcher wieder und überbrachte eine Beschlagnahmeverfügung des französischen Generals aus Baden-Baden. Als Heinrich Mack ihm eröffnete, dass das Fahrgeschäft nicht mehr da sei, stürzte Fetcher mit erhobener Faust auf den Fabrikanten los. Der entzog sich geistesgegenwärtig der körperlichen Misshandlung dadurch, dass er in der alten Malerei die Treppe hochlief, die Falltür hinter sich zuschlug und verriegelte. Fetcher konnte nur noch mit seinen Fäusten an die Tür trommeln.
Der Gerechtigkeitssinn von Heinrich Mack hat sich auch hier durchgesetzt, sagte er sich doch: ‚Da will sich ein Fremder ohne eine Mark ein Fahrgeschäft unter den Nagel reißen, dass ein anderer schon längst bezahlt hat.‘ Dies war für Heinrich Mack undenkbar.“

Ohne Zweifel fallen beim Vergleich der Dekoration mit dem Autoskooter von Otto Barth aus dem Jahre 1949 deutliche Ähnlichkeiten zum Modell der Firma Distel auf. Der Autoskooter von Otto Barth wurde von Herbert Sommer und Heinz Opitz sen. gestaltet. Die beiden arbeiteten erst ab 1947 für Mack und nutzten damals zum ersten Mal die neuen Neon-Beleuchtungskörper.
Auch bei Betrachtung der Skooter-Chaisen, fällt auf, dass die Chaisen auf der Abbildung von Distel bereits von der Firma Ihle aus Bruchsal sein müssen. Die jedoch erst ab den 1940er Jahren Autoskooter-Chaisen herstellte. Otto Barth hatte das gleiche Modell.

Autoskooter der Firma Otto Barth. Foto Anfang der 1950er Jahre © Archiv Opitz/Mack

Nach dem Zweiten Weltkrieg begann eine formale und dekorative Veränderung der Gestaltung von Autoskooter. Wie hier beschrieben wird:

Baubeschreibung

Langgestreckter rechteckiger Hallenbau mit Walmdach. Auf das kassettenförmige Fundament waren Eisenplatten aufgelegt, die von einem hölzernen Laufgang und einer Treppenstufe umgeben waren. 24 kannelierte Pfeiler mit geradem Gebälk trugen die gesamte Dachkonstruktion mit einem großzügigen Dachüberstand. Das Walmdach wurde von einer umlaufenden Schmuckdachkante verdeckt. Die Ecken waren mit aufwendigen Blendkonstruktionen betont. Der Einblick zum Dachstuhl zwischen Gebälk und Schmuckdachkante war mit Plafonds geschlossen. Der Sockelbereich war teilweise mit Gitterzäunen verbunden. Auf die Fahrbahn waren Elektroautos eingestellt. Ein Kassenhaus war an der Kopfseite platziert.

Dekoration

An der Schmuckdachkante erkennt man den ersten Stilwandel in der Dekoration von Autoskootern. Auf Zitate von Barock wurde verzichtet. Eine klare, sachliche Dachkante mit starker Betonung der Eckelemente ist zu sehen. Die Aufschrift Distels Autoskooter in elektrischen Leuchtbuchstaben ist gegenüber den verbindenden Bildtafeln mit geradem Abschluss deutlich hervorgehoben. Landschaften mit Infrastruktur und Automobilen sind in Anlehnung an die Funktion des Baukörpers dargestellt. Neu waren nebem dem Verzicht auf neobarocke Stilelemente auch die elektrischen Leuchtstoffröhren als Dekorationselement an der Schmuckdachkante. Außerdem schlossen Fahnen verschiedener Nationen die Fassade ab.

Nachtaufnahme des Autoskooters von Distel. Erstmalig wurde Neonbeleuchtung eingesetzt. Foto 1950er Jahre © Archiv Opitz/Mack

Erhaltungszustand

1952 wurde die Schmuckdachkante bei der Firma Mack neu gestaltet und von Werner Sommer und Heinz Werner Opitz gemalt. Die figürliche Malerei musste geometrischen Mustern und elektrischen Innovationen weichen. Für die neue Bemalung der Plafonds wählte man ein schuppenähnliches Design. Die einzelnen Übergänge wurden mit gelben Neonröhren akzentuiert. Darüber erhob sich eine Wulst. Eine Schmuckdachkante schloss die Fassade nach oben ab. Sie war treppenförmig gestaltet mit einem niedrigen, plastisch zurückgesetzten Mittelteil, dem der Firmenname in Neonleuchtschrift aufgesetzt war. An der Betonung der Eckelemente wurde festgehalten. Die Malerei war gänzlich zurückgenommen und durch senkrecht stehende, farbige Neonröhren ersetzt. Auf Fahnen wurde verzichtet. Das Innere der Skooterhalle wurde mit einem umlaufenden Lichtband und im Dachstuhl mit montierten Lichtleisten beleuchtet.

1952 wurde der Autoskooter von Distel bei Mack umgestaltet. © Archiv Opitz/Mack

Über den Verbleib ist nichts bekannt.

© Dr. Margit Ramus

Ramus 2013. Kat. Nr. 29.
Zahlreiche Gespräche der Verfasserin mit Heinz Werner Opitz 2009-2016.
Gespräch der Verfasserin mit Eugen Distel 2005.