Historische Schaustellergeschäfte A - Z

1881 Schiffskarussell

Schiffskarussel von Hugo Haase. Foto 1905 © Dering S.166
Name(n) des Geschäftes Schiffskarussell
Typologische Bauaufgabe  Rundfahrgeschäft
Bauform Rundbau
Baujahr 1881; 1883; 1888
Hersteller Stuhr; Bothmann; Haase
Maler Ludwig Specht
Dekorationsstil Maritime Malerei
Dekorationsthema Maritime Landschaften
Bauherr / Inhaber Fritz Bothmann; Hugo Haase
Baugeschichte

Im Jahr 1881 präsentierte Wilhelm Friedrich Stuhr das erste deutsche Schiffskarussell auf dem Bremer Freimarkt. Stuhr soll es in Eigenbau nach dem Patent der englischen Hersteller Friedrich Savage und King’s Lynn gebaut haben. Es wurde noch von Pferden angetrieben. 
Zwei Jahre später, im Jahr 1883 konstruierte Fritz Bothmann im Gründungsjahr seiner Schlosserei und Maschinenbaufirma ein von Dampf angetriebenes Schiffskarussell nach dem englischen Vorbild.
Im Jahre 1888 folgte Hugo Haases. Sein erstes Karussell als selbstständiger Karussellfabrikant war ebenfalls ein Schiffskarussell.

Baubeschreibung

Feststehender Rundbau mit Zeltdach und umlaufender Schmuckdachkante. Die gesamte Dachkonstruktion wird von einem Mittelaufbau und der im Zentrum stationierten Dampfmaschine getragen. Eine umlaufende kleine Schürze schließt den Raum zwischen Dachstuhl und Antriebsbereich. Die kreisrunde Sockelzone, mit weit größerem Radius als die zurückgesetzte Dachkonstruktion, ist von Panneaux umschlossen. Sechs überdachte Schiffe mit Mast und Segel werden über eine Mechanik während der Kreisfahrt ins Schwanken gebracht. Für den Ein- und Ausstieg sind am Sockelaußenrand sechs Treppen montiert.

Dekoration

Beispiel des Schiffskarussells von Hugo Haase.
Über einem schmalen Zahnfries erhebt sich eine breite Schmuckdachkante, die den Rundbau nach oben abschließt. Sie ist horizontal in 16 Bildtafeln unterteilt. Kleine ovale, von floralen Verzierungen gerahmte Medaillons sind aufgelegt und mit halbrunden Bögen bekrönt. Unscharf lassen sich maritime Landschaften mit Schiffen erkennen. Die Dächer der Boote, die mit rot-weiß gestreiftem Segeltuch geschmückt worden sein sollen, sind mit kleinen Dreieckswimpelfahnen gesäumt. Die Malerei auf den äußeren Panneaux der Sockelzone ist auf der Aufnahme nicht mehr zu erkennen.

Im Jahre 2007 organisierte der Schaustellerverband Düsseldorf e.V.  auf der Frühlingskirmes am Tonhallen-Ufer in Düsseldorf die Historische Ausstellung Düsseldorf.
Es wurden Fotografien längst vergessener Karussells und sonstige Geschäfte von Schaustellerfamilien aus Düsseldorf ausgestellt.

© Foto 2007 Mark Schumburg

Mark Schumburg besuchte die Ausstellung und stellte dem Kulturgut-Volksfest-Archiv seine Aufnahmen der Foto-Ausstellung zur Verfügung. Darunter befand sich auch ein Schiffskarusell.  Es war datiert auf 1884 und wird Fritz Bothmann zugeschrieben. Die Malerei auf der geraden Schmuckdachkante und dem Sockel ist nur noch schwach zu erkennen.

 

Über Provenienz oder Verbleib sind von den Schiffskarussell nichts weiter bekannt.

Dazu ein Text von Fritz Peters:

Das Schiffskarussell — Eine epochemachende Erfindung
Mit einer Karussellneuheit traf Wilhelm Stuhr aus Hamburg zum Freimarkt 1881 ein: es war ein Schiffskarussell unter der Bezeichnung „Die See auf dem Lande“, das nach einem englischen Patent erbaut worden war und auf dem U. L. Frauen Kirchhof aufgestellt wurde. Die Jugend belagerte das Karussell förmlich, weil es den Reiz des Neuen hatte. Seine sechs Schiffe, die während der Fahrt regelmäßige Schwenkungen nach vor- und rückwärts und nach oben und unten machten, konnten rund 100 Personen aufnehmen. Die „brillante“ Erleuchtung des Unternehmens durch eine sogenannte Gaspfanne, wie sie früher bei festlichen Illuminationen benutzt wurde, zog überdies die Menschen an. Das Karussell, das bis 1889 alljährlich zum Freimarkt erschien, wurde in beiden ersten Jahren seines Bestehens von einem Pferd gezogen; ab 1883 sorgte eine Dampfmaschine, zu deren Transport allein sechs Pferde erforderlich waren, für den Antrieb. An Sonntagen konnte mit dem Karussell oft eine Einnahme von 1000 Mark erzielt werden. 
Die Stagnation, die bei den Belustigungsgeschäften seit langem geherrscht hatte, wurde durch die Nutzbarmachung des Dampfes und der Elektrizität beseitigt. „Die alles beleckende Kultur hat sich auch auf sie geworfen, ihre ursprünglich einfache Konstruktion modernisiert, verbessert und schließlich ein Dampfkarussell entstehen lassen, das allerdings Bedürfnissen von jung und alt, wie die reiche Frequenz bezeugt, ganz besonders zu entsprechen scheint“. Mit einem Dampf-Schiffskarussell kam 1882 und 1883 sogar der Sohn des Erfinders dieses Karusselltyps, Mr. Savage Meyer, nach Bremen. Es war bei Dunkelheit durch 200 Gasflammen „tageshell“ erleuchtet, und besonders in den Abendstunden wurde es viel benutzt, weil dann Schnellfahrten unter der Bezeichnung „Großer Seesturm“ durchgeführt wurden. (Peters S. 123)

© Margit Ramus

Ramus 2013. Kat. Nr. 01
Peters, Fritz: Freimarkt in Bremen Geschichte eines Jahrmarkts. Bremen 1962. S. 123 

Schreiben Sie uns einen Kommentar

Haben Sie ergänzende Informationen? Über sachdienliche Hinweise freuen wir uns.

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind markiert *