Feminismus in der internationalen Kunstszene
Im Jahr 2018 begannen die kritischen Blicke des Feminismus in die internationale Kunstszene, zu den Galerien, Bibliotheken und Museen der westlichen Welt, durchzudringen. Die Kuratorin Clare Gannaway der Manchester Art Gallery hatte das 1896 entstandene Gemälde „Hylas und die Nymphen“ des englischen Malers John William Waterhouse abgehängt, weil es, wie die griechische Mythologie überliefert, zeigt, wie Hylas von Nymphen, die nackt in einem Teich baden, in den Tod gezogen wird. Dabei schauen die Oberkörper aus dem Wasser und bei vier von sieben Nymphen sind die Brüste zusehen.
Obwohl es ein performativer Akt gewesen sein soll, um die Reaktion der Besucherinnen und Besucher des Museums zu ergründen, hatte die Entscheidung der Manchester Art Gallery, das Gemälde aus ihrer Sammlung zu entfernen, in der Kunstwelt für helle Aufregung gesorgt. Von Zensur und Puritanismus war die Rede. Der Kunstkritiker Jonathan Jones fragte: „Warum wurden leicht erotische Nymphen aus einem Museum in Manchester verbannt? Was kommt als Nächstes? Die Nackten von Tizian und Picasso?“
Nach nur zehn Tagen kehrte das Gemälde wieder in den Ausstellungsraum zurück.
Damit war das Thema aber nicht beendet. Im Umfeld der Debatte soll es auch geheißen haben, dass die Museen bald ziemlich leer sein würden, wenn z.B. auch die Tugendhaftigkeit des Künstlers zum Maßstab gemacht würde.
Den Blick auf Werke der älteren Kunst, die noch in einem ganz anderen ästhetischen, aber auch gesellschaftlichen Wertesystem entstanden sind, sollte nicht die Augen vor dem Politisch-Inkorrekten verstellen; aber ohne die Bereitwilligkeit, moralische Bedenken zurückzustellen und den Rausch und die Ausschweifung eines Künstlers anzunehmen, wäre Vieles in der Bildenden Kunst, in der Bildhauerei, in der Literatur, im Theater und Film nicht mehr hinzunehmen.
Die Züricher Zeitung schrieb am 04.12.2019 einen Bericht über das Museum Ludwig in Köln. Dort versuche man, sich dem Problem zu stellen und herauszufinden, wie man in Zukunft mit Kunstwerken umgehen könne, die Menschen auf die eine oder andere Art und Weise diskriminieren würden. Zunächst ging es um ein Bild des Künstlers Otto Mueller, der 1926/27 zwei junge Frauen mit dunklen Haaren, dunkler Haut und entblößten Brüsten in einem Haus an einem Tisch mit einer roten Tischdecke stehend, hinter dem eine Katze in einem Fenster sitzt, malte und das Gemälde „Zwei Zigeunerinnen mit Katze“ nannte. Aufgrund der entblößten Brüste wurde das Bild als sexistisch und die Namengebung als rassistisch eingestuft und aus der Ausstellung entfernt.
Beispiele aus der Bildenden Kunst
Längst hängt das Bild „Zwei Zigeunerinnen mit Katze“ wieder im 3. Obergeschoss des Museums Ludwig, in unmittelbarer Nachbarschaft zu Werken des Expressionismus von August Macke oder Karl Schmidt-Rottluff, vis-à-vis von zahlreichen anderen Darstellungen von nackten oder wenig bekleideten Frauen von Max Pechstein, Ernst Ludwig Kirchner und Erich Heckel.
Kaum noch vorzustellen ist, dass Peter Paul Rubens im Jahre 1607 ankündigte, er werde die biblische nackte Susanna im Bade malen und von dem englischen Diplomaten, Sir Dudley Carlton, mit den Worten ermutigte wurde, er hoffe, diese Susanna werde so betörend ausfallen, dass sie selbst die Sinne eines so alten Mannes wie ihn noch in Wallung bringen könne.
In Paris hängt das Bild „Der Ursprung der Welt“, 1866 von Gustave Courbet gemalt, im Musée d’ Orsay. Ein Bild, welches als Provokation gegen den damaligen Kunstsalon entstanden war, überschreitet sicherlich für viele Betrachterinnen und Betrachter die Grenze der Ästhetik oder Kunst und wird fast schon für Pornografie gehalten.
Aber es gab auch andere Situationen, z.B. weigerten sich 2008 die Betreiber der Londoner U-Bahn ein Plakat mit der nackten Venus von Lucas Cranach dem Älteren in ihren Zügen auszuhängen. Das Kunstwerk sei sexistisch. Die Royal Academy hatte damit für eine große Ausstellung mit Werken des deutschen Künstlers werben wollen.
© Margit Ramus