Liebe Newsletterleserinnen und -leser ,
das ganze Jahr über fand kein traditionelles Volksfest statt. Inzwischen wurden auch Weihnachtsmärkte in vielen Städten abgesagt. In anderen wird noch an Konzepten gearbeitet für die Durchführung der Weihnachtsmärkte in diesen Corona-Zeiten. Kevin Kratzsch, Vizepräsident für Marketing des DSBs, sagte am 09.09.2020 auf der Bühne in Berlin anlässlich der Veranstaltung „Alarmstufe Rot“ in einer emotionalen Rede über Schausteller und Schaustellerinnen:
„Wir sind relevant! Wir bringen Leute zusammen! Wir erzählen Geschichten! Wir holen Menschen zurück, die schon gar nicht mehr da sind!“
Diese Sätze bestätigen mich in meiner Arbeit, die ich tagtäglich mit viel Freude für das Kulturgut Volksfest-Archiv mache. Gerade in diesen Zeiten ist es wichtig zu zeigen, dass die Tradition der Schausteller und Schaustellerinnen etwas ganz Besonderes ist und nicht mit Geld zu bezahlen. Deshalb dürfen sie nicht müde werden ihren Kindern und Enkelkindern die eigenen Geschichten zu erzählen und über die Vergangenheit des Schaustellergewerbes zu berichten.
Die Aussage von Kevin Kratzsch, „Wir holen Menschen zurück, die schon gar nicht mehr da sind!“, inspirierte mich, Ihnen die Familie Siebold aus Essen und Bremen noch einmal „zurückholen“. Ihr besonderer Beitrag zur Entwicklungsgeschichte der Schaustellergeschäfte hierzulande ist auch in der Schaustellerbranche selbst viel zu wenig bekannt.
Das Schaustellerunternehmen Siebold hat zwei Weltkriege überstanden, ist beispielhaft für das know how, die Willens- und die Schaffenskraft einer „relevanten“ Branche, die sich mit der Industrialisierung neue Antriebstechniken und die Elektrik zu eigen machte. Länderübergreifend wurden Erfindungen und Erfahrungen ausgetauscht und Menschen aus allen Teilen der Welt zusammengebracht.
Schauen wir nur einmal 120 Jahre zurück, in das Jahr 1900. Damals reisten die (Ur)Ur-Großeltern der heutigen Schaustellerinnen und Schausteller noch mit Pferd und Wagen, hatten keine elektrische Beleuchtung und die Karussells wurden von Hand angetrieben. Wanderkinos brachten die ersten beweglichen Bilder auf die Volksfestplätze. In München kämpften Brauereien und Wiesnwirte mit allen Mitteln um Schanklizenzen auf dem schon damals größten Volksfest der Welt. In Schaubuden wurden Abnormalitäten, Kleinwüchsige, übergroße Menschen, Menschen anderer Hautfarben und Kulturen dem Publikum vorgeführt.
Von diesen fast vergessenen Geschäftsmodellen ihren Niederlagen und Erfolgen zu erzählen habe ich mir zur Aufgabe gemacht, denn es sind nicht nur die Geschichten der Schausteller und Schaustellerinnen, sondern sie sind Teil unserer aller Kulturgeschichte und spiegeln unsere Vergangenheit wider.
Lassen Sie sich von diesen und vielen anderen interessanten Geschichten und Beiträgen im Kulturgut Volksfest-Archiv überraschen.
Viel Spaß beim Lesen wünscht
Margit Ramus
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