Anfänge im Mittelalter
Schon im Mittelalter waren das Kirchweihfest (Sakrales Fest) oder der Jahrmarkt für die Kirchengemeinde oder Kommune eine lukrative Einnahmequelle. (Lehmann 1952. S. 28)
Es galt das allgemeine Marktrecht, nach dem die Marktbeschicker Zölle für ihre Warenangebote zahlen mussten. Außerdem versprachen die vielen Besucher „der Stadt regelmäßige Münzeinnahmen“. (Petzoldt 1983. S. 423) Die Jahrmärkte förderten den freien Handel und den wirtschaftlichen Aufschwung einer Stadt. Dies änderte sich auch in den kommenden Jahrhunderten nicht.
Nach der deutschen Reichsgründung im Jahr 1871 soll Otto von Bismarck in einer Parlamentssitzung einmal gesagt haben: „Hände weg vom Wandergewerbe, das sind meine besten Steuerzahler.“ (Lehmann 1952. S. 28) Dazu auch: Volksfeste in der deutschen Kaiserzeit
Nach dem 1. Weltkrieg
Auch nach dem Ersten Weltkrieg war die wirtschaftliche Bedeutung der Volksfeste enorm. So sollen zum Beispiel 1932 die Schausteller für den Transport von Stadt zu Stadt mit der „Deutschen Eisenbahn“ 22,5 Millionen Mark Fracht bezahlt haben. (Lehmann 1952. S. 14)
Mehr dazu in Kürze: Schausteller als Transportunternehmer
Dazu schreibt der Historiker Alfred Lehmann:
„Das fahrende Gewerbe führte in normalen Zeiten der deutschen Kommunalwirtschaft alljährlich 30,5 Millionen Reichsmark an Lustbarkeitssteuer zu, während die Wandergewerbesteuer 10 Millionen Mark einbrachte. Und endlich bewies auch der Betrag von 18,5 Millionen Mark Umsatzsteuer die nicht zu unterschätzende Bedeutung des Wandergewerbes.“ (Lehmann 1952. S. 14)
Während des Nationalsozialismus
Als die Nationalsozialisten 1933 die Macht übernahmen, verdammten sie zunächst „den Verfall der Sitte und der Moral, der alle Volksfeste zersetzte“. (Jost 1985. S. 97)
Sie erlaubten jedoch die Durchführung von Volksfesten, denn die neuen Machthaber hatten nach Aussagen einer Zeitzeugin die Wirtschaftlichkeit der Volksfeste, als „schöne Feste für die Volksgemeinschaft und die Familie“ (Jost 1985. S. 97) schnell erkannt. Dazu auch: Volksfeste im Nationalsozialismus
Nach dem 2. Weltkrieg
Die Situation der Volksfeste nach dem Zweiten Weltkrieg sah im geteilten Deutschland völlig unterschiedlich aus.
In den englischen, französischen und amerikanischen Besatzungszonen im Westen fanden sich die Schausteller nach dem Zweiten Weltkrieg ziemlich schnell wieder zusammen. Sie reparierten notdürftig ihre Geschäfte, entfernten Trümmer von den Plätzen und ließen schon 1945 die ersten Volksfeste wiederaufleben. In diesem Teil Deutschlands begrüßten die vielen Volksfestbesucher das Volksfest als Neuanfang für ein Leben nach dem Krieg.
Im Osten sah es ganz anders aus und wird ausführlich erläutert unter:
Volksfeste in der ehemaligen DDR nach dem Zweiten Weltkrieg.
Marktstudie 1950
Im Jahr 1950 wurde vom „Deutschen Schaustellerbund“ eine Marktstudie durchgeführt. Der damalige Hauptgeschäftsführer Walter Oeser berichtete daraus, dass etwa 10.000 Volksfeste von rund 80 Millionen Menschen in einer Saison besucht worden seien, die dabei rund 200 Millionen Mark umgesetzt hätten. (Lehmann 1952. S. 14) Dieses Ergebnis ist erstaunlich, wenn man bedenkt, dass das Ende des Kriegs zu diesem Zeitpunkt erst kurze Zeit zurücklag.
Viele Jahre führten die Schausteller in beiden Teilen Deutschlands auf sehr differenzierte Weise ihr Gewerbe aus. Dies änderte sich bereits im Jahr 1990 wenige Monate nach dem Mauerfall. Aus wirtschaftlichen Gründen, sicherlich jedoch mehr aus dem Bedürfnis nach Freiheit, strebten die ostdeutschen Schausteller gen Westen und die westdeutschen Kollegen mit den modernen Geschäften nach Osten. Schon bald hatten beide Seiten den Weg in eine gemeinsame Zukunft der modernen Freizeittechnologie gefunden.
Nach der Wiedervereinigung von Ost und West
Die erfolgreiche Vereinigung von Ost und West in der Gestaltung von Volksfesten belegt auch eine Marktstudie aus dem Jahr 2002 der Freizeit- und Tourismusberatung GmbH Köln, die im Auftrag des „Deutschen Schaustellerbundes e.V. DSB durchgeführt wurde. 2002 besuchten 178 Millionen Menschen die deutschen Volksfeste. Die Besucher setzen sich aus allen sozialen Schichten der Bevölkerung zusammen.
Großveranstaltungen und auch Veranstaltungen mittlerer Größe werden meist von der gesamten Stadtbevölkerung sowie dem umliegenden Einzugsgebiet besucht. Bekannte Beispiele sind das Kölner Frühlingsvolksfest, die Bergkirchweih in Erlangen, das Schützenfest in Hannover, die Größte Kirmes am Rhein in Düsseldorf, die Cranger Kirmes oder die Dürener Anna-Kirmes. Das gilt auch für die Dresdner Vogelwiese, den Jahrmarkt in Bad Kreuznach, den Pützchens Markt in Bonn, den Wiesenmarkt in Eisleben, die Stuttgarter Wasen, das Münchner Oktoberfest, den Bremer Freimarkt, den Kramermarkt in Oldenburg, die Soester Allerheiligenkirmes.
„Mit einer Besucherzahl von 178 Millionen, einem Umsatzvolumen von rund 4 Milliarden Euro und etwa 45.700 Vollarbeitsplätzen sind sie außerdem das bedeutendste Angebotssegment der Freizeitwirtschaft, tragen zur Steigerung des Tagungs- und Übernachtungstourismus bei und wirken positiv auf andere Branchen.“(3)
Es wurde ermittelt, dass Volksfeste mehr Besucher als der gesamte öffentliche Kulturbetrieb mit Theatern, Opern, Orchestern, Festspielen, Museen, Volkshochschulen, Musikschulen und Bibliotheken anziehen. Dabei soll der einzelne Besucher im Jahr 2000 bundesweit durchschnittlich 22,04 Euro ausgegeben haben; dies führte zu 3,92 Milliarden Euro Gesamtumsatz. Ein kleiner Auszug aus der Studie gibt einen Überblick über die wirtschaftliche Bedeutung der Volksfeste für die einzelnen Kommunen:
„Auch die Kommunen profitieren von den Volksfesten in erheblichem Maße: Sie erlösen aus Standgebühren der Schausteller rund 69 Mio. € pro Jahr sowie weitere 85 Mio. € aus Steuereinnahmen (insbesondere anteilige Lohn- und Einkommensteuer, Gewerbesteuer) durch Aktivitäten und Umsätze, die es ohne Volksfeste nicht geben würde. Die Steuern stammen dabei nicht allein aus dem Schaustellergewerbe, sondern auch aus anderen Branchen, gehen in der genannten Höhe aber ausschließlich auf Volksfeste zurück. Rechnerisch bedeutet dies, dass bei 178 Mio. Volksfestbesuchen im Jahr pro Besuch 0,50 € an Steuereinnahmen an die Kommunen fließt.“(Marktstudie 2002)
Marktstudie vom DSB 2012
Im Jahre 2012 gab der DSB wieder eine Marktstudie in Auftrag. Hier ein Auszug:
„Zur Schaustellerbranche zählen insgesamt rund 4.950 Schaustellerunternehmen, die mit ihren 22.770 Beschäftigten und insgesamt rund 11.100 Geschäften vom Imbiss bis zur Achterbahn die ca. 9.900 deutschen Volksfeste sowie ca. 1.450 Weihnachtsmärkte in Deutschland beschicken.
Die Volksfeste verzeichneten zuletzt rund 148 Mio. Besucher pro Jahr, die Weihnachtsmärkte 85 Mio. Besucher. Insgesamt kommen die durch die Schaustellerunternehmen beschickten Veranstaltungen demzufolge auf 233 Mio. Besucher pro Jahr.
Die Bruttoumsätze der Branche belaufen sich auf 3,7 Mrd. Euro, davon werden 1,05 Mrd. Euro auf Weihnachtsmärkten und 2,65 Mrd. Euro auf Volksfesten erwirtschaftet.
Von diesen Umsätzen geben die Schausteller rund 1,145 Mrd. Euro an den Veranstaltungsorten für Warenbezug, Gebühren, Aushilfspersonal und persönliche Konsumausgaben aus.
Das sorgt in den ausrichtenden Kommunen für eine Wertschöpfung von 657 Mio. Euro und für die Schaffung und Sicherung von weiteren 13.750 Arbeitsplätzen außerhalb der Schaustellerunternehmen. Die zusätzlichen Effekte durch Ausgaben der Volksfestbesucher außerhalb der Volksfestgelände (z.B. für Taxi, Hotel, ÖPNV etc.) sind dabei noch nicht berücksichtigt.
Ein Großteil der Ausgaben der Schausteller fließt den Kommunen als Veranstalter der Volksfeste direkt zu: rund 350 Mio. Euro für Standgebühren und andere Abgaben. Dazu kommen unter Berücksichtigung der Ausgaben außerhalb des Volksfestgeländes pro Besuch rund 60 Cent in Form kommunaler Steuern.
In Summe fließen pro Besuch rund 3,00 Euro in den kommunalen Haushalt der ausrichtenden Stadt oder Gemeinde.
Unter Berücksichtigung von Umsatzsteuer und Einkommenssteuer fließen den öffentlichen Haushalten insgesamt sogar ca. als 1,25 Mrd. Euro pro Jahr oder 8,45 pro Besuch aus der Schaustellerbranche zu.
Für Volksfestbesuche werden häufig Reisen über Bundesländergrenzen hinweg unternommen: 15,0% der Volksfestbesuche führen die Besucher in ein anderes Bundesland.
Mit Volksfestbesuchen sind also in erheblichem Umfang touristische Effekte verbunden.“ (Marktstudie 2012)
Zusammenfassend zeigen die aufgeführten Zahlen, dass die deutsche Bevölkerung nach wie vor ihre Volksfeste besucht. Die Volksfeste stellen sogar das bedeutendste Angebotssegment der Freizeitwirtschaft dar und leisten einen nicht unerheblichen Beitrag zu den öffentlichen Haushalten und zum Volkseinkommen in der gesamten Bundesrepublik Deutschland.
© Margit Ramus
Dazu Volksfeste im Archiv Kulturgut Volksfest
Cranger Kirmes
Dürener Annakirmes
Kölner Frühlingsvolksfest
Münchner Oktoberfest
Nördlinger Mess‘
Pützchens Markt
Quellen |
|
Weitere Literatur |