Hammer der Firma Siebold. Foto 1938 © Sammlung Siebold
Volksfeste im Nationalsozialismus
Was geschah mit den Volksfesten in Deutschland im Nationalsozialismus?
Was geschah mit den Schaustellern in jener Zeit?
Dies sind wichtige Fragen, denen unbedingt nachgegangen werden muss, die jedoch einer intensiven Recherche bedürfen.
Basierend auf Erzählungen der Zeitzeugin Maria Schoeneseifen (Mutter der Verfasserin) und einigen Festschriften erfolgt an dieser Stelle eine erste kurze Berichterstattung.
Am 1. April 1936 wurden alle beruflichen Organisationen in der „Wirtschaftsgruppe ambulantes Gewerbe“ zwangsvereinigt. Von da an waren die Schausteller der „Joseph Goebbels Reichskulturkammer“ unterstellt.
Für die einzelnen Organisationen, alleine in Köln gab es acht Berufsorganisationen (nachzulesen unter: Alle Berufsorganisationen und Vereine in Köln ab 1897 auf einen Blick), waren es ohne Zweifel grundlegende Veränderungen.
Aber Maria Schoeneseifen erzählte, dass viele kleinen Schausteller keine wirtschaftlichen Einbußen hatten. In der Wirtschaftskrise nach 1929 sei es vielen Menschen, darunter auch den Schaustellern, nicht gut gegangen. Wie ihre Eltern erzählten, wäre es mit dem Ende der hohen Arbeitslosigkeit wieder aufwärts gegangen.
Zeitzeugin Maria Schoeneseifen
Maria Schoeneseifen wurde 1926 als Tochter der Kölner Schausteller Maria und Josef Milz geboren. Die Eltern reisten mit einer Schießbude im Kölner Raum und in Rheinland-Pfalz.
Maria Schoeneseifen erzählte früher oft, dass es den Schaustellern nach der Machtergreifung der Nazis nicht schlechter gegangen sei; eine Diskriminierung als Schaustellerin habe sie als junges Mädchen nicht erlebt.
Der Familie Milz ging es in diesen Jahren finanziell und sozial gut.
Von den Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen und der Propagandamaschinerie der Nationalsozialisten haben die Schausteller insofern profitiert, als dass der Besucherstrom auf den Volksfesten drastisch anstieg.
Nach Kriegsbeginn wurde es schwieriger, aber bis 1943 wurden immer noch große und kleinere Kirmesveranstaltungen durchgeführt.
Erst in den beiden letzten Kriegsjahren fand die Familie Milz mit vier Kindern in Baumbach im Hunsrück bei einem befreundeten Großbauern Unterschlupf. Sie wohnten weiterhin in ihrem Wohnwagen und hatten ihre Geschäfte in der Scheune untergestellt.
Von Baumbach aus fuhr die Mutter übers Land und tauschte Stoffe und Kurzwaren, die sie in den Vorkriegsjahren in größeren Mengen eingekauft hatte, gegen Lebensmittel ein. Dadurch musste die Familie Milz nie Hunger oder große Entbehrungen erleben.
Nach Ende des Zweiten Weltkriegs ging es direkt wieder los. Die Menschen auf den Dörfern und in den Städten erfreuten sich an den ersten kleinen Volksbelustigungen.
Informationen aus Festschriften
Der Aufschwung in den ersten Jahren nach der Machtergreifung wird auch in Festschriften von Volksfesten fast überall thematisiert. Diskriminierung, Verfolgung und Unterdrückung werden nicht angesprochen.
Die Nationalsozialisten nutzten die Volksfeste zu Propagandazwecken, dazu gehörte auch die Vorliebe für Fahneneinmärsche und die Beflaggung der Volksfeste und Weihnachtsmärkte.
Zu Kriegsbeginn entschieden Städte, Verwaltungen oder sonstige Veranstalter über die Fortführung oder Einstellung der Volksfeste, unabhängig von ihrer Größenordnung.
Cranger Kirmes
Allgemein fällt auf, dass die Berichterstattung über diese Jahre oft nur wenige Zeilen umfasst. In Crange wird darauf hingewiesen, dass fundierte Quellen nicht mehr zugänglich seien:
„Leider fehlen für die Zeit von 1933-1945 die Berichte, da die Zeitungen aus diesem Abschnitt der deutschen Geschichte von den Alliierten beschlagnahmt wurden.“ (Turkowski 1969. S. 29)
Waltraud Turkowski beschreibt, wie die Schausteller einen Beitrag zur Bekämpfung der großen Arbeitslosigkeit Anfang der 1930er Jahre leisteten:
„Neben dem Vergnügen brachte die Kirmes etlichen Arbeitslosen von Wanne-Eickel die Möglichkeit, das Stempelgeld aufzubessern, sie wurden von den Schaustellern engagiert, um beim Auf- und Abbau, beim Anschaukeln, Losverkaufen usw. mitzuhelfen.“ (Turkowski 1969. S. 28)
In der gleichen Quelle ist zu lesen, dass der Zirkus der kleinwüchsigen Menschen den Nationalismus überlebt hat.
„Am 5.08.1948 berichtet die Westdeutsche Allgemeine Zeitung (WAZ), dass sich die Cranger Kirmes wieder mit vielen Attraktionen ganz groß präsentiert. Unter anderem waren vertreten: […] Lilliput-Zirkus.“ (Turkowski 1969. S. 31)
Annakirmes in Düren
Einziger Kommentar zur dieser Zeit:
„1931 übernahm dann Franz Schillings im Grundstücks- und Vermessungsamt die Verantwortung für die Annakirmes, und es ist sein Verdienst, 1946 mit 68 Schaustellern die Annakirmes wieder aus der Taufe zu heben.“ (Zens/Böhmer 1988. S. 42)
Münchner Oktoberfest
Florian Dering schreibt, dass das Münchner Oktoberfest durch die Nationalsozialisten überraschend wenig Veränderungen erfahren habe. Zwar sei das Zentral-Landwirtschaftsfest nach 1933 aufgelöst worden, was aber dem Zulauf zum Oktoberfest wenig Abbruch getan hat.
Erst von 1939 bis 1945 fiel das Fest wegen des Zweiten Weltkrieges aus. (Dering/Eymold 2010. S. 168) Dazu können Sie mehr lesen:
1933-1940: Hakenkreuze auf der Theresienwiese
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„Nach der nationalsozialistischen Machtergreifung wehte auch auf der Theresienwiese ein »neuer Wind«. Betteln und unberechtigtes Hausieren innerhalb der Wirtsbuden war streng verboten. Hausierer hatten das »amtliche Hausierer Zeichen« zu tragen. Die »Hitlerjugend« hatte für ihre Mitglieder strenge Anordnungen erlassen; ihnen war demnach »der Besuch von Bier- und Weinbuden im Dienstanzug« strengstens verboten.
Die Bauernkammern konnten 1933, wie schon 1925 und 1927, ein Zentrallandwirtschaftsfest abhalten, doch nun zum letzten Mal. Wenig später wurden sie »gleichgeschaltet«, das heißt aufgelöst. Damit verschwand das Landwirtschaftsfest, seit 1811 auf das engste mit dem Oktoberfest verbunden, für die Jahre der Naziherrschaft von der Theresienwiese.
Die meisten Schausteller aber wurden von der neuen Atmosphäre nicht abgeschreckt: Als Publikumsattraktionen erwiesen sich der »Kleinste Zirkus der Welt«, eine »Wilde Serpentine« und der Fakir Perie, der sich nach anfänglichem Verbot durch die Polizei lebendig begraben ließ. Hugo Haase präsentierte das Zeppelin-Karussell mit vier jeweils zehn Meter langen Zeppelinen. Die seit Jahrzehnten auf dem Oktoberfest gezeigten Abnormitäten, siamesische Zwillinge, missgebildete Menschen, besonders dicke Leute usw., waren hingegen nicht mehr vertreten. Sie passten nicht in das nationalsozialistische Weltbild vorn wohlgestalteten arischen Menschen. Nur »Riesen« wurden noch geduldet.
Personen jüdischer Abstammung waren ab sofort »im Interesse der Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung« zur Verabreichung von Speisen und Getränken und zur »Veranstaltung von Lustbarkeiten« nicht mehr zugelassen, auch nicht als Angestellte, Mitarbeiter, Gehilfen oder Mitspieler.
Im Jahr 1934 initiierte der berüchtigte NS-Ratsherr und ehemalige Pferdehändler Christian Weber wieder Pferderennen, die 1913 zum letzten Mal auf der Theresienwiese veranstaltet worden waren. Weber hatte vor der Bavaria eine neue Rennbahn erbauen lassen, und so fanden an vier Tagen je ein Trab- und ein Galopprennen statt. Die mächtig gewordene SS »zeigte Farbe« und bot dem Publikum, vor allem aber den Parteifunktionären »reiterliche Vorführungen«. Die Münchner Großbrauereien waren nun wieder vollzählig auf der Wies’n vertreten.
Im selben Jahr wurden der Trachten- und der Schützenzug zusammengelegt. Um die »enge Verbundenheit der Bauernschaft mit der Schützensache« zu dokumentieren, vereinigte sich der Erntedankfestzug, bestehend aus Trachten und Festwagen, im Rosental mit dem Festzug der Schützen. Das Münchner Oktoberfest konnte 1935 auf seine 125-jährige Geschichte zurückblicken. Die nationalsozialistische Stadtverwaltung ließ sich die Gelegenheit nicht nehmen, dieses Jubiläum ganz in ihrem Sinne zu gestalten. Der Festzug stand unter dem Motto »Verbrüderung von Bauer und Städter«. Zwischen den Schützen- und Trachtengruppen marschierten Kapellen von SA und »Hitlerjugend« sowie Gruppen des »Reichsnährstandes« und des »Arbeitsdienstes«. Sportliche Vorführungen des »Reichsbundes Für Leibesübungen« rundeten dieses Wiesenjubiläum ab, zu dem schätzungsweise 300000 Fremde nach München gekommen waren“.
Festschrift zum 175-jährigen Jubiläum des Oktoberfestes: 175 Jahre Oktoberfest 1810-1985. Hrsg. Landeshauptstadt München1985. S. 90f
Augsburger Plärrer
In Augsburg findet der Plärrer ohne Unterbrechung von 1878 bis zur Gegenwart statt.
Die chronologisch fortlaufende Liste in der Festschrift 125 Jahre Augsburger Plärrer untermauert die Erzählungen von Maria Schoeneseifen:
1932: „Das Augsburger Volksfest wächst Jahr für Jahr. Achterbahn, Steilwandfahrer und Krokodilschau gehören zu den Attraktionen.“
1934: „Nationalsozialistische Stadtverwaltungen übernehmen hier und dort — beispielsweise in Nürnberg — die Ausrichtung des Volksfestes. Altdeutsche Traditionen und historisches Volksgut im Sinne der NS-Propaganda spielen auf dem Rummel zunehmend eine wesentliche Rolle.“
1938 „Der Plärrer ist so groß wie nie zuvor.“ Von 130 Schaustellern mit 36 großen Geschäften wird berichtet.
1939 nehmen 135 Schaustellerunternehmen am Plärrer teil.
1940 geht es abwärts. „Kriegsbedingt ist mancher Schausteller an der Plärrerteilnahme verhindert.“
1941 „Noch läuft das Volksfest.“
1942 werden auf einem Teil des Geländes Barackenlager für Gefangene und Ausgebombte erstellt.
1943 „Zum letzten Mal findet unter NS-Herrschaft im August ein Plärrer statt.“
1944 wird „die Festfläche erheblich eingeschränkt.“
1945 „Nur ein Notplärrer mit gerade mal an die zehn Schausteller findet statt.“
1946 „Auch im ersten Nachkriegsjahr fällt der Plärrer bescheiden aus.“
1947 „Es geht aufwärts, die Zahl der Geschäfte steigt auf über 50 und es gibt ein Bierzelt.“ (Augsburger Plärrer 2003. S.98f)
Nürnberger Volksfest
Ähnlich schreibt die Nürnberger Volksfestzeitung:
Zwischen den beiden Weltkriegen, heißt es, dass das Münchner Oktoberfest, die Dresdner Vogelwiese, der Hamburger Dom und der Bremer Freimarkt ebenso wie das Nürnberger Volksfest vom Publikum gestürmt wurden.
1933 steht in der Volksfestzeitung in einem offiziellen Grußwort:
„Unsere Behörden stehen den Bestrebungen des ambulanten Gewerbes nicht mehr diametral gegenüber, sondern unterstützen seine Belange und erkennen seine Existenzberechtigung voll an.“
Nach der Mobilmachung 1939 fanden noch zwei Jahre Ersatzvolksfeste bis 1941 statt. (Morawski 1998. S.93 f)
Krefeld Winter-Luna-Park
Bereits im Herbst 1939 fand die Herbstkirmes auf dem Sprödertalplatz nicht mehr statt.
Aber am 2. November 1940 wurde in den Räumen der Königsburg, die ursprünglich als Ball- und Veranstaltungssäle bei Sportveranstaltungen genutzt worden waren, ein Winter-Luna-Park, kurz WI-LU-PA, eröffnet.
Es musste eine Eintrittskarte gekauft und für die Nutzung der Fahrgeschäfte zusätzlich bezahlt werden. Das Angebot an Fahrgeschäften und sonstigen Schaustellergeschäften umfasste: „Selbstfahrer von Tusch, dazu Schiffschaukel, Bodenkarussell, Blinker, Verlosungsstände, Verkaufsbuden und einem Fisch-Imbiss von Stolzenberg.“ (Fuchs Krefeld 1991. S. 34)
Bei den Blinkern und Verlosungen gab es begehrte Haushaltsartikel ohne Bezugsscheine, zu gewinnen.
Am 21. Juni 1943 wurde der WI-LU-PA von einem Bombenangriff zerstört. Kurz zuvor hatten einige Schausteller ihre Geschäfte abgebaut und nach Kevelar in Sicherheit gebracht. Deshalb konnte der Auto-Selbstfahrer von Tusch den Krieg unbeschadet überstehen.
1944 wurden die „rummelplatzähnlichen“ Vergnügungen durch eine Verordnung eingestellt.
Sim-Jü in Werne
„Obwohl die NSDAP-Ortsgruppe keine direkte Einflussnahme auf den Simon-Juda-Markt ausübte, wurden ab Mitte der 30-er Jahre – wie anderenorts ebenfalls üblich – die Unternehmen der Schausteller häufig mit Hakenkreuz-Fähnchen geschmückt, […]“ (Schulz 1987. S. 149)
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„Im Rahmen seiner Berichterstattung über Sim-Jü machte der Redakteur der Werner Zeitung noch 1932 unmissverständlich Front gegen die Nationalsozialisten, als er schrieb:
„Am Sonntagmorgen also war alles hübsch für das Volksfest aufgebaut, und der liebe Gott ließ seine Sonne scheinen über Gerechte und Ungerechte, über Nazis und Eiserne Front in Uniform (Gott-sei-dank waren es nur einige von beiden Sorten), über Leute mit mehr oder weniger Geld, kurzum, über die Bevölkerung von nah und fern.“
Hätte er auch nur ein Jahr später seinen Gedanken so freien Lauf gelassen, er wäre sicherlich schnellstens von der Bildfläche verschwunden. Bereits 1934, also ein Jahr nach der Machtübernahme, war auch die Werner Presse längst „gleichgeschaltet“.
So las man zu Sim-Jü: „Am Sonntag wird unsere SS und am Dienstag unsere SA allen Kirmesbesuchern eine Blume zum Kauf anbieten. Die durch den Blumenverkauf erzielten Einnahmen kommen restlos dem Winterhilfswerk zugute. Möge die schlichte Blume für jeden ein äußeres sichtbares Zeichen sein, dass er bereit ist, nach seinen Kräften an diesem großen Bruderwerk mitzuhelfen.“
Obwohl die NSDAP-Ortsgruppe keine direkte Einflussnahme auf den Simon-Juda-Markt ausübte, wurden ab Mitte der 30er Jahre – wie anderenorts ebenfalls üblich – die Unternehmen der Schausteller häufig mit Hakenkreuz-Fähnchen geschmückt, während sich unter den jüdischen Händlern auf dem Viehmarkt bereits eine gewisse Unruhe breitmachte.
Bezeichnend hierfür ist das Schreiben eines Münsteraner Viehhändlers vom 10. Oktober 1936 an das Werner Bürgermeisteramt:
„Da ich beabsichtige, den dortigen Markt mit ca. 30 Rindern zu beschicken, so wollen Sie mir bitte sofort mitteilen, wann ihr Markt dort stattfindet. Auch möchte ich wissen, ob der Markt von nichtarischen Viehhändlern beschickt und besucht werden darf. – Bemerke, dass ich nicht arisch bin!“ Hierauf antwortete die Ortspolizeibehörde knapp und unverbindlich: „Der Markt findet hier am 29. 10. 1935 statt. Nach den bisher geltenden Bestimmungen kann der Markt auch von nicht arischen Händlern beschickt und besucht werden.“ Punktum!
Dem internen Protokoll einer Sim-Jü-Besprechung des Jahres 1933(!) ist allerdings zu entnehmen, dass man schon damals eine Regelung, betreffend die Zulassung von Juden zu den Vieh- und Jahrmärkten, von der Regierung erwartete.. .
Im Jahre 1938 geriet dann die traditionsreiche Bezeichnung „Simon-Juda-Markt“ unter Beschuss. Der Kreispropagandaleiter aus Lüdinghausen forderte damals Wernes Bürgermeister schriftlich auf, unverzüglich für eine „nichtjüdische“ Bezeichnung des Simon-Juda-Marktes, etwa „weltbekannter Werner Oktobermarkt“, zu sorgen. Doch dieses Ansinnen ging den Werner Ratsherren entschieden zu weit und wurde in seltener Einmütigkeit abgelehnt.
An der Weiterführung des alten Namens änderte auch die Hetzkampagne des Parteiorgans „Der Stürmer“ und der „Roten Erde“, dem amtlichen Organ des (Nazi) Gaus Westfalen-Süd, nichts. Angezettelt worden war der Angriff auf Sim-Jü durch den vor Judenhass triefenden Brief eines Parteigenossen an den Stürmer, der u. a. zu dem Pamphlet „Alttestamentarischer Tingeltangel“ in der „Roten Erde“ führte.“ (Schulz 1987. S. 149)
Kölner Karneval-Kirmes-Veranstaltungen und Ostervolksfest
Für Köln stehen der Verfasserin wichtige Quellen zur Verfügung.
Vor dem Einsturz des Historischen Archivs der Stadt Köln wurden einige Anfragen, Zusagen, Teilnehmerlisten und polizeiliche Verordnungen aus den Jahren 1933 bis 1936 von der Verfasserin kopiert und gescannt. Sie geben Aufschluss über die damaligen Kölner Schausteller und deren Geschäfte. Diese wichtigen Zeugnisse jener Zeit können in der unteren Galerie eingesehen werden. Weitere Informationen zu Köln finden Sie hier: Volksfeste zu Karneval in Köln und Volksfeste zu Ostern in Köln im Nationalsozialismus
Der Komet
Im Jubiläumsbuch zum 100-jährigen Bestehen der Schausteller Fachzeitschrift Der Komet im Jahre 1983 schreibt Der Komet und zitiert aus der Ausgabe 2498. 50. Jahrgang, aus dem Aufsatz: „Das Volksfest als neutraler Boden“ folgendes:
„Deswegen gebietet uns der Selbsterhaltungstrieb – ganz abgesehen von unseren persönlichen politischen Einstellungen – die Volksfeste zu einem absoluten neutralen Boden zu machen. Volksfeste dürfen nicht zu parteipolitischen Tummelplätzen werden…
Wir haben gerade vor ein paar Wochen geschrieben, dass wir die Stärke des deutschen Volksfestes darin sehen, dass es ein Beruhigungsfaktor in dem Gärungsprozess der politischen Strömung ist. Es kann nicht dringend genug geraten werden, durch Vermeidung alles, was die Anhänger anderer Parteien aufreizen könnte, auch in Zukunft dafür zu sorgen, dass Volksfeste, Messen und Märkte unbedingt das bleiben, was sie seit Jahrhunderten waren: friedliche Ausruheplätze für das Volk, etwas Außerordentliches, etwas Nichtalltägliches, etwas zur flammenden Begeisterung unserer Jugend. Ein Volksfest muss ein wirkliches Fest für das ganze Volk bleiben, nur darin liegt seine Stärke.
Von dieser – sagen wir – rein äußeren Einstellung des Wandergewerbes bleibt unberührt eines jeden innere Einstellung zur Politik. Das ist Privatsache jedes einzelnen, sie wird sich gestalten nach Lebensauffassung und Temperament des Individuums.“ (Der Komet: Volksfeste und Märkte 1983. S. 181)
© Margit Ramus
Anfragen Karneval 1933
Alle Dokumente wurden mit Genehmigung des Historisches Archivs der Stadt Köln ins Archiv eingestellt. Dort werden sie geführt unter der Signatur: Bestand 771 (Marktverwaltung) A 66 Kirchweih und Schützenfeste, Karneval. Laufzeit 1931-1938.
Interessant sind die Sprache und der Inhalt der Anfragen, jeweils unter dem Dokument zu lesen.
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Anfrage Raupe Delcour © Hist. Archiv der Stadt Köln
Westhofen b/ Köln Oberstr. 46
Bank-Verbindungen: Deutsche Bank Sparkasse Köln Lindenthal
Köln-Lindenthal, den 24. November 1933
Dürenerstraße 98 Fernsprecher 4 85 95
Titl. Städtische Marktverwaltung Köln
Ich gestatte mir Ihnen nachstehend begründetes Gesuch ergebenst unterbreiten zu dürfen. Für die Dauer des Straßenkarnevals 1934 d. Jhrs. vom 10.-13. Februar bitte ich um Ihre Genehmigung mein Raupen-Karussell auf dem Ihrer Verwaltung unterstehenden Privat-Marktplatz an der Bachstraße in Mülheim aufbauen und unter Beobachtung der für derartige Lustbarkeiten erlassenen polizeilichen Bestimmungen in Betrieb setzen zu dürfen. Der Ordnung halber bemerke ich, dass ich im Besitz einer polizeilichen Genehmigung für das fragliche Karussell bin und das ich eventuell durch Hinterlegung einer Bürgschaftssumme für alle, durch meinen Betrieb etwa verursachten Beschädigungen von Bürgersteigen pp. zu haften, mich verpflichte. Die Genehmigung meines Gesuches würde mich in die Lage versetzen einer Anzahl von Arbeitern Brot zu verschaffen und außer bereits ausgeführten Arbeiten an meinem Hausbesitz Dürenerstr. 98 und Klosterstr. 43 wie Hausanstrich, Pflasterarbeiten etc. weitere Aufträge an Kölner Handwerksmeister zu vergeben.
Einer geneigten wohlwollenden Entscheidung entgegensehend, zeichnet hochachtungsvoll
F. Delcour
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Anfrage Karneval © Hist. Archiv der Stadt Köln
Köln, den 1. Dezember 1933
Städtische Marktverwaltung Köln
Unterzeichneter bittet freundlichst um Erlaubnis anlässlich der Karnevalstage auf dem Platze An der Eiche eine Schiffschaukel aufbauen zu dürfen.
Mit Deutschen Gruß
Adam Buntenbroich
Köln
Vor den Siebenburgen 25.
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© Hist. Archiv der Stadt Köln
Köln, den 3. Dezember 1933
An den Herrn Oberbürgermeister durch die Marktverwaltung Köln
Ich ersuche hiermit höflichst die Erlaubnis an den Karnevalstagen am 11-12-13. Februar 1934 meine Schiffschaukel auf dem Platze (?) Hängebrücke Friedrich-Wilhelm-Straße aufbauen zu dürfen.
HEIL HITLER
Heinrich Schmitz
Köln Schillingstr. 31
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© Hist. Archiv der Stadt Köln
Ernst Hartkopf
Bau und Betrieb erstklassiger Schaustellungs-Unternehmungen Fernsprecher 125 85, 110 04 Bankkonto: Deutsche Bank Köln-Höhenberg, Münchener Straße 29, den 8. Dez. 1933 An die Städt. Marktverwaltung Köln Sassenhof Betr. Antrag auf Überlassung von Plätzen zur nächstjährigen Fastnacht. Da der Karneval auch im nächsten Jahr als Volksfest gefeiert werden soll, städtische Plätze für Belustigungsgeschäfte freigegeben werden sollen, erlaube ich mir höflichst anzufragen, ob ich mit zwei Geschäften Achtbahn und Elektro-Selbstfahrer zugelassen werden kann. Die Achtbahn beansprucht 48 x 20, der Elektro-Selbstfahrer 24 x 12 m.
Mit deutschem Gruß Ernst Hartkopf
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© Hist. Archiv der Stadt Köln
Köln, den 16. Dezember 1933
An die Marktverwaltung Köln
Unterzeichneter bittet durchaus höflichst um die Erlaubnis zur Aufstellung eines kleinen Kinderkarussells für die 3 Karnevalstage auf dem Waidmarkt 1934.
Es zeichnet mit Hochachtung
Heil Hitler Josef Schüle
Köln Röhrergasse 8a
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© Hist. Archiv der Stadt Köln
Köln, den 1.1.1934
An die Marktverwaltung Köln z.Hd. des Herrn Ober-Inspektor Jensek
Erlaube mir höflichst anzufragen, ob ich mit meiner Autobahn von 15 m ∅ Durchmesser einen Platz am Heumarkt, zu der diesjährigen Fastnachtsfeier bekommen kann.
Da ich bis dato zur Fastnachtszeit von Seitens der Behörde noch keinen Platz erhalten, und ich hier in Köln mit Autobahn konkurrenzlos bin, bitte ich nochmals mein Gesuch entsprechen zu wollen. Habe auch im Winter keinerlei Verdienstmöglichkeiten.
Ihre wehrte Zuschrift dankend entgegen zu sehen zeichnet mit
HEIL HITLER
H. J. Bauermeister
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© Hist. Archiv der Stadt Köln
Köln-Ehrenfeld, den 2.1.1934
Schäfer-Böhme aus Köln Schaustellerin Ehrenfeld Leyendeckerstr. 6
An die Marktverwaltung Köln
Sehr geehrter Herr Platzdezernent.
Hiermit erlaub ich mir die höfliche Anfrage, ob ich meine neuartigen Schaugeschäfte, die Fastnachttagen an der Wilhelmstraße, Platz erhalten kann.
Es handelt sich um neuartig-erstklassige Geschäfte.
Das Verzauberte-Märchen – Schloss! 12 Meter Front, ein prachtvoller historischer Bau, der auf jedem Festplatz [durch] sein erstklassiges Gepräge Aufsehen erregt!
Ein Kristall-Lachhaus!
10 Meter Front, 7 Meter Tiefe Neuheit
Beide Geschäfte haben der Neuzeit entsprechend wunderbare Fassaden.
Ihrer geschätzten Zusage nebst äußersten Bedingungen
Zeichnet mit HEIL HITLER
Frau K. Schäfer
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Christian Schmitz Köln Greesbergstraße 7
Kinder-Auto-Corso Berg- und Talbahn
Einzigstes Geschäft in Rheinland und Westfalen
Elektrische Damen-Namen-Verlosung
In feenhafter Aufmachung
Köln, den 2.1.1934
An die Marktverwaltung der Stadt Köln
Endunterzeichneter bittet hiermit höflichst, mit seiner Kinderautofeuerwehrbahn bei Gelegenheit des Kölner Karnevals um einen Platz an der Friedrich-Wilhelmsstraße an der Hängebrücke. Da Unterzeichneter im Vorjahre zu Gunsten seiner Kollegen verzichtete, denkt er jetzt berücksichtigt zu werden.
Einer gütigen Antwort entgegensehend zeichnet
Mit Deutschem Gruß
Christian Schmitz
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Anfrage Raupe Meyer © Hist. Archiv der Stadt Köln
Julius Meyer
Schaustellungs Unternehmer
Köln a. Rhein
Mühlenbach 24
Köln, den 4.1.1934
Städtische Marktverwaltung zu Händen des Herrn Inspektors Jentsch Köln
Fastnachtsplätze 1934
Unterzeichneter bittet hiermit höflichst um Überlassung eines Platzes für unsere Raupenbahn zur diesjährigen Fastnacht. Größe 19 m Durchmesser.
Da ich mich im vergangenen Jahr, sowie überhaupt die letzten Jahre nie um einen Platz beworben habe, bitte ich höflichst um Berücksichtigung in diesem Jahr. Recht wäre mir ein Platz an der Hängebrücke. Einem baldigen Bescheid (?) höflichst entgegensehend mit Deutschem Gruß
Julius Meyer
Köln Mühlenbach 24
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© Hist. Archiv der Stadt Köln
Köln, den 8.1.1934
Alteburgerwall 4
An die Marktverwaltung Köln z.H. Herrn Jentrek
Möchten höflichst bitten, uns für die Fastnachtstage einen Platz für Karussell oder Schaukel zu vermieten. Wir würden gegebenenfalls auf dem Eichelmarkt an der Severins-Kirche reflektieren. Wären für freundliche Zusage sehr dankbar.
Hochachtungsvoll
Melter und Kusenberg
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© Hist. Archiv der Stadt Köln
Köln-Riehl, den 15.1.1934
Riehlerstr. 210
An die Marktverwaltung Köln
Da von Seiten der Marktverwaltung anlässlich Karneval zum Aufstellen von Schaustellergeschäften städtische Plätze zur Verfügung gestellt werden, gestatte ich mir ganz ergebenst die Verwaltung zu bitten, mir einen Platz für mein Kinderkarussell von 14 Meter Durchmesser reservieren zu wollen.
HEIL HITLER
Jean Rosenzweig
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Anfrage Raupe Rosenzweig © Hist. Archiv der Stadt Köln
Johann Rosenzweig
Inhaber moderner Groß-Fahrgeschäfte wie Elektro-Selbstfahrer, Raupenbahn, Autobahn etc.
Beste Referenzen stehen zur Verfügung
Ständige Adresse Köln-Riehl Riehlerstr. 210, den 11.Januar 1934
Betrifft Platz zu Karneval
An die Marktverwaltung Köln
Durch den Reichsverband ambulanter Gewerbetreibender in Erfahrung gebracht, dass die Marktverwaltung anlässlich des Karnevals städtische Plätze zum Aufbauen
von Schaustellergeschäften freigibt.
Grunddessen gestatte ich mir Sie zu bitten, für mich einen Platz zum Aufstellen meiner Raupenbahn Größe 20 Meter Durchmesser zu überlassen.
HEIL HITLER
Johann Rosenzweig
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© Hist. Archiv der Stadt Köln
Köln, den 12. Jan. 1934
An die Marktverwaltung in Köln
Ich Unterzeichneter bitte höflichst um die Erlaubnis, für eine Verkaufsbude zum Verkauf von Fisch und Wurstschnittchen, auf dem Heumarkt am Denkmal oder am Walzerhäuschen, für die Dauer der Karnevalstage.
Ihrer werthen Antwort entgegesehend mit deutschem Gruß
HEIL HITLER!
Johann Sessenhausen
Köln Alteburgerstr. 40
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© Hist. Archiv der Stadt Köln
An Marktverwaltung der Stadt Köln
Unterzeichneten bitten höflichst um Überlassung eines Platzes für Karussell, Schaukel und Ballwurfbude auf dem Perlengraben für drei Karnevalstage
Mit aller Hochachtung
Wilhelm Schmitz Karussellbesitzer Köln
Heinrich Heck Schaukelbesitzer Köln
HEIL HITLER
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© Hist. Archiv der Stadt Köln
Bad Godesberg, den 22. Jan. 1934
Jean Kraeber Bad Godesberg
Rheinische Verlosungshalle und Auto-Betrieb
Friesdorfer Straße 52
Telefon Bad Godesberg Nr. 885
Herrn Markt Inspektor Jensek Köln
Bitte hiermit … um 10 Meter Platz für Schießhallen zu Karneval einräumen zu wollen. Werde zur Platzverteilung erscheinen.
Hochachtungsvoll
Jean Kraeber
Bad Godesberg Friesdorfer Straße
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© Hist. Archiv der Stadt Köln
Köln, den 22. 01.1934
An die Marktleitung Köln
Unterzeichneter bittet höflichst um einen Platz in der Friedrichstraße- Hängebrücke für meine Schiffschaukel zur Fastnacht 1934 aufstellen zu dürfen.
Ich bitte uns in diesem Jahr mal berücksichtigen zu wollen, indem wir schon 5 Jahre hier in Köln ansässig sind und bis heute noch keinerlei Unterstützung bezogen haben.
Um eine gütige Antwort bittet
Anton Gormanns
Schausteller
Köln-Ehrenfeld
Leyendeckerstraße 6
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Anfrage Peter Bröhl Karneval 1934 © Hist. Archiv der Stadt Köln
Westhofen, den 20.1.1934
An die Marktverwaltung Köln
Unterzeichneter bittet höflichst um die Erlaubnis und Platz ….. für die Karnevalveranstaltungen 1934 an der Friedrich-Wilhelmstraße einer Ballwurfbude von 5 Meter Länge aufzubauen.
Peter Bröhl
Westhofen b/Köln
Oberstr. 46
Quellen |
- Dering, Florian; Eymold, Ursula (Hrsg.): Das Oktoberfest 1810 – 2010.
Offizielle Festschrift der Landeshauptstadt München. München 2010.
- Morawski, Ronald: Schausteller mit Elan ins nächste Jahrtausend, Nürnberg 1998.
- 125 Jahre Augsburger Plärrer 2003. Hrsg. Schilffarth, Walter Kurt; Bublies, Wolfgang: Eine Zeittafel für 125 Jahre.
- Turkowski, Waltraud: Die Cranger Kirmes, Ursprung, Entwicklung und heutige Bedeutung. Hrsg. Gesellschaft für Heimatkunde Wanne-Eickel e.V. 1969.
- Schulz, Rainer: 625 Jahre Simon-Juda-Markt Werne. 1987. S. 149
- Dokumente des Historisches Archivs der Stadt Köln. Dort werden sie geführt unter der Signatur: Bestand 771 (Marktverwaltung) A 66 Kirchweih und Schützenfeste, Karneval. Laufzeit 1931-1938.
- Der Komet: Volksfeste und Märkte 1983
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