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Sprungschanze

Sprungschanze der Firma Rosenzweig. Foto 1962 © Sammlung Opitz
Name(n) des Geschäftes Sprungschanze; Flying Coaster
Typologische Bauaufgabe Offenes Rundfahrgeschäft
Bauform Offener Rundbau
Baujahr 1962 f
Hersteller Heinrich Mack
Maler Heinz Opitz sen.
Dekorationsthema Winterlandschaft
Bauherren / Inhaber Lehmann & Kinzler; Distel & Bausch; Theo Rosenzweig
Baugeschichte

Im Jahre 1960 begann die Firma Heinrich Mack mit der Planung eines Karussells, welches in Amerika bereits erfolgreich betrieben wurde. Heinz Distel hatte den Flying Coaster auf seiner Amerika Informationsreise entdeckt und nach seiner Rückkehr die Firma Heinrich Mack von dem neuartigen Karussell berichtet.
Heinrich Mack fand heraus, dass der Amerikaner Norman Bartlett die Konstruktion für den Flying Coaster 1958 hatte patentieren lassen. Nach elf Aufträgen hatte Bartlett die Lizenz zur weiteren Produktion an die Karussellbaufirma Aeroaffiliates Inc. abgegeben. Insgesamt wurden in Amerika etwa 70 dieser Anlagen gebaut.

1961 erwarb die Firma Heinrich Mack die Lizenz. Die amerikanischen Konstruktionspläne wurden übernommen und mit dem neuen Konstrukteur Hans Drayer nach den deutschen Richtlinien überarbeitet und die Dekoration nach deutschen Maßstäben ausgearbeitet.
Aufgrund der funktionellen Fahrweise in Bezug zu einer Sprungschanze, sowie die Anlehnung an die olympischen Winterspiele in den USA im Entstehungsjahr des Karussells, wählte man eine winterliche Thematik der Dekoration. Beides ergaben die Inspiration zur Namensgebung Olympia Sprungschanze.

1962 wurden die ersten beiden Sprungschanzen mit winterlicher Dekoration fertiggestellt. Eine ging nach Belgien, eine in die Schweiz.
Die dritte Anlage blieb in Deutschland und wurde an die Firma Robert Lehmann & Julius Kinzler ausgeliefert. Lehmann/Kinzler entschieden sich für den amerikanischen Originalnamen Flying Coaster und wählten eine sommerliche Strand-Thematik für die Dekoration.

Zwei weitere Karussells, mit der ursprünglich zugedachten winterlichen Dekoration, erhielten die Firmen Distel & Bausch aus München (1962) und Theo Rosenzweig aus Köln im Jahre 1963.

Baubeschreibung

An dem offenen Rundbau, in dessen Zentrum an einer Drehkonstruktion, waren acht kastenförmige Stahlarme mit viersitzigen Gondeln befestigt. Der Rundbau war nach hinten mit einer hohen Wand verschlossen, die beidseitig in überdachte Arkaden überging. Der Rückwand war ein Schriftzug aus Leuchtbuchstaben aufgesetzt.
Ein Kassenhaus war seitlich in die Rückwand integriert. Ein breiter Aufgang führte in den Umgang und von dort in die Einstiegsebene. Das Zentrum des Karussells wurde mit einer Skulptur geschmückt.

Konstruktion

Im Zentrum des offenen Rundbaus stand ein Wagen, an dem eine Drehkonstruktion mit acht flachen, kastenförmigen Stahlarmen befestigt war, ein sogenannter Mittelbauwagen. An den äußeren Enden der Stahlarme waren Räder angebracht.
An diesem Mittelkonstruktion wurde eine waagerecht, sternförmig ausgelegte Bodenkonstruktion eingehängt. Sie waren mit Querverbindungen an den äußeren Enden zu einem Kreis, von etwa 20 Metern Durchmesser verbunden.
Außen wurden abgestufte Böcke eingestellt und mit Traversen verbunden, auf die ein hölzerner, zweistufiger Fußboden aufgelegt wurde.

Im inneren Bereich des Umgangs wurde an den Böcken ein rund umlaufender, eingleisiger Schienenkranz angeschraubt. Darüber rollten die Räder im Uhrzeigersinn. An den, an der Mittelkonstruktion befestigten Stahlarme, waren acht viersitzige Gondeln montiert. Die Gondeln mit Sicherheitsschließbügel waren von der Firma Ihle aus Bruchsal entwickelt und der Firma Mack zugeliefert worden.

An einer Stelle war der Schienenkranz auf einem schrägen Eisenwinkel angebracht, der nach dem Scheitelpunkt von 38° wieder auf das Bodenniveau abfiel. Für Augenblicke, abhängig von der Fahrgeschwindigkeit, verlor die Gondel an dieser Stelle den Kontakt zur Schiene. Dadurch wurde dem Fahrgast das Gefühl vermittelt,  wie bei einer Sprungschanze zu schweben. Der Antrieb erfolgte elektrisch über einen Kugelkegelkranz.

Nach einigen Jahren im Einsatz versagte die Hydraulik zur Dämpfung der Fallgeschwindigkeit der Gondeln an der Schanze. Dadurch erfolgte eine unsanfte Landung, die bei den Fahrgästen leichte Verletzungen mit sich brachten. Außerdem stellte man Risse im Material der Stahlarme fest.
Mack löste dieses Problem pragmatisch, indem er die Fallgeschwindigkeit der Gondeln reduzierte, und der Schanze ein Abrollhügel anfügte. Bei Versagen der Hydraulik, stürzten die Gondeln nicht ruckartig nach unten, sondern rollten sanft über den Hügel hinab.

Dekoration

Die Rückwand des ersten Karussells für die Firma  Lehmann & Kinzler wurde mit einer sommerlichen Strand-Thematik dekoriert. Wasserskiläufer, Motorboote und eine dickbäuchige Bademeister-Karikatur im Zentrum der Anlage schmückten dieses Karussell. Lehmann/Kinzler entschieden sich für den amerikanischen Originalnamen Flying Coaster .

Die Fahrweise über eine Sprungschanze und die Anlehnung an die Olympischen Winterspiele in den USA im Entstehungsjahr des Karussells, inspirierten zur Namengebung Olympia Sprungschanze für die Firmen Distel/Kinzler und Rosenzweig.

Der Maler Heinz Opitz sen. malte eine imaginäre Winterlandschaft auf die Rückwand. Beleuchtete Tannenbäume und kleine Schneehütten, des Waldkirchener Bildhauer Willi List gearbeitet, schmückten ebenfalls die Fassade. Der Name in großen Leuchtbuchstaben und sternförmig angeordnete Lichtleisten schlossen sie nach oben ab.
Theo Rosenzweig wünschte über der Kasse die Anordnung der fünf olympischen Ringe in Neon-Leuchtkörper. Die fünf Ringe sind erhalten und waren im März 2017 in einer Ausstellung im Stadthaus in Essen zu sehen. 

An dem überdachten Umgang betonten herabhängende Eiszapfen das winterliche Ambiente. Die Stahlarme der Mittelkonstruktion waren durch Glühbirnen auf V-förmig angebrachten Lichtleisten erleuchtet. Das Zentrum wurde durch konkav geschwungene Lichtleisten beleuchtet und mit einem großen janusköpfigen Schneemann, ebenfalls von List gearbeitet, bekrönt.

Die viersitzigen Gondeln der Firma Ihle, denen lebensgroße Skispringer am Heck aufgesetzt sind, erinnerten durch ihre kufenartig geschwungenen und mit kleinen Lampen versehenen Front an breite Schlitten. Bei der farblichen Fassung dominierten trotz der weißen Winterlandschaft leuchtende Rot-, Gelb- und Blautöne.

Provenienz und Verbleib

Ab 1969 wechselte die Olympia Sprungschanze von Rosenzweig mehrfach ihren Besitzer. Zunächst ging sie an die Firma Stey aus München (1969-1982). Dann an die Firma Manfred Winter aus Neu Ulm. 1983 erwarb die Firma Wirtele aus Pleinfeld das Karussell und wechselte den Namen in Flying Coaster.
Von 2000-2010 betrieb die Firma Martin Kollmann aus Pfarrkirchen den Flying Coaster. Kollmann wechselte die Rückwand mit dem winterlichen Dekorationsthema gegen ein Sommer-, Sand- und Strandthema aus.
Inzwischen wird das Karussell von der Firma Lerch betrieben.

Eine dritte Sprungschanze erwarb 1962 die Firma Lehmann & Kinzler. Die Bauherren entschieden sich für den ursprünglichen Namen der amerikanischen Konstruktion aus dem Jahr 1958, nämlich Flying Coaster.
Verbleib: Lehmann verkaufte 1965 an den VEB Staatszirkus der DDR. Die Verantwortlichen des Staatszirkus lehnten den amerikanischen Namen und die westliche Strandthematik der Dekoration ab. Sie nahmen die figürliche Bemalung ab. Stattdessen wurde die Rückwand des Karussells mit grafischen Kreis- und Dreieckssegmenten, sowie mit durch Leuchtstoffröhren betonte Längsstreifen und Kreise umgestaltet.
Außerdem veränderten sie die Bezeichnung in Flugschanze. Ständige Reparaturen der Hydraulik und ein Unfall führten 1969 zur Stilllegung. In den 1970er Jahren übernahm Siegfried Kunze aus Meißen die Flugschanze und betrieb sie bis zum Mauerfall. Der weitere Verbleib ist nicht bekannt.

© Margit Ramus

Ramus 2013. Kat. 48.
Bonhoff: Sprungschanze. In: KR 7, 2000. S. 50ff.

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