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Frauenbund Germania

Rheinisch-Westfälischer Frauenbund Germania

So lange Karussells sich drehen, soll unsere Germania bestehen!“

Im Jahre 1909 schlossen sich engagierte Schaustellerfrauen aus Dortmund und Umgebung zusammen und gründeten als „Verein meß- und marktreisender Frauen“ den „Rheinisch-Westfälischen Frauenbund Germania“.
Das war zu einer Zeit, in der durch die ständigen Attacken von Volksfestgegnern zahlreiche traditionelle Jahrmärkte und Kirmessen ersatzlos gestrichen wurden. Vielen Schaustellerfamilien war somit die Existenzgrundlage entzogen, so dass sie nicht selten von der „Hand im Mund“ leben mussten. Hier setzte das Engagement der damaligen „Germania“- Frauen um Frau Schloßmacher, die erste Vorsitzende, ein.
Während die Männer im 1897 gegründeten Schaustellerverein „Rote Erde“ um den Erhalt der Volksfeste und die grundsätzliche Verbesserung der Situation des Schausteller-Gewerbe kämpften, betätigte sich der Frauenbund auf karitativem Gebiet, ohne jedoch die gesellschaftlichen Aktivitäten zu vernachlässigen.
Aus den wenigen erhaltenen Protokollen der ersten Jahre geht hervor, dass außer den „Wohl-tätigkeitsfesten“ auch Ausflüge und „Gemütliche Abende“ organisiert wurden.

Heute 100 Jahre später engagiert sich der Frauenbund nach wie vor für in Not geratene Schausteller und pflegt als Entspannung vom oftmals harten Schaustelleralltag die Geselligkeit.
1. Vorsitzende ist seit nunmehr zehn Jahren die Dortmunderin Heidemarie Arens.

„Geschäftstüchtigkeit. Organisationstalent, Gespür für das Machbare und Geschick darin, manche zu eng gezogenen Grenzen im Interesse des Betriebes auszuweiten – Sinn für Geselligkeit und Feste, Mütterlichkeit, Kameradschaft und Partnerschaft sind Eigenschaften, die die Schaustellerfrauen schon immer auszeichneten. Sie sind tragendes Element der Betriebe und Familien und haben oft einen Betrieb nach dem Tode des Mannes für die Kinder erhalten und ausbauend weitergeführt. Sie waren und sind also nicht nur Partnerin im Hintergrund, sondern stehen aktiv im Schaustellerleben …“

so umschrieb der KOMET einmal Charakteristika und Wesen von Schaustellerfrauen.
Für die Germania-Mitglieder darf ein weiterer, häufig anzutreffender Wesenszug hinzugefügt werden: Sie haben ein gesundes Sozialbewusstsein! Diese Eigenschaft müssen insbesondere jene Schaustellerinnen besessen haben, die zur Gründungsgeneration des Frauenbundes Germania gehört haben.
Es lag nahe, dem schon seit zwölf Jahren erfolgreichen Schaustellerverein „Rote Erde“ die Patenschaft über den neuen Verein anzutragen. Eine Aufgabe, die die Männer um Josef Arens gerne übernahmen.
Als Vereinszeichen führt der Frauenbund bis heute die zur Kaiser-zeit als Personifizierung Deutschlands geltende „Germania“-Darstellung.
Die besondere Aufmerksamkeit der Gründerinnen des Frauenbundes galt unverschuldet in Not geratenen Schaustellerfamilien, denen sie mit Unterstützungsgeldern oder zinslosen Darlehen unter die Arme griffen. Die Summen für diese Zwecke kamen durch Sammlungen und Wohltätigkeitsfeste zusammen. Wie ein solches Fest ablief, geht anschaulich aus dem Bericht hervor, der Anfang 1912 im KOMET erschien und hier auszugsweise wiedergegeben ist.
In fast jeder Zusammenkunft hatten die Frauen über Unterstützungs- und Darlehensanträge zu beraten. Das zeigt, wie hart für das Gewerbe die Zeiten vor dem ersten Weltkrieg waren. Unterschiede zwischen Mitgliedern und Nichtmitgliedern kannte man im nicht. Das belegen Protokolle, denen zufolge Unterstützungsgesuche von Nichtmitgliedern aus Leipzig positiv beschieden wurden.
Trotz des großen sozialen Engagements der Gründerjahre kam die Geselligkeit nicht zu kurz. Das zeigen im KOMET veröffentlichte Niederschriften und Berichte.

Als besonderer Höhepunkt des Vereinslebens galt das zehnjährige Bestehen, das am 10. Januar 1920 im Vereinslokal „Börsensaal“ gefeiert wurde. Als erste Vorsitzende fungierte Frau Kleu. Nachfolgerin der langjährigen Vorsitzenden Pöller, die auf Frau Schloßmacher gefolgt war.
Aus dem KOMET- Bericht über die „Jubiläums-Veranstaltung“ geht unter anderem hervor, dass der Verein sogar eine eigene Gesangsabteilung unterhielt.

Ab 1921 wird in den Vereinsannalen als 1. Vorsitzende die unvergessene Maria Quatuor geführt. Die Erinnerung an diese resolute Schaustellerfrau, wird bis heute hoch gehalten. Mit ihren ultimativen Worten „Meine Damen, ich sage s i e …“, denen sie mit erhobenem Zeige-finger zusätzliches Gewicht verlieh, verschaffte sie sich stets Gehör.

Ab 1923 machte sich im Vereinsleben zusehends der Verfall der Währung bemerkbar. So geht beispielsweise aus einem Protokoll hervor, dass für einen simplen Fahnennagel 7.000,00 Mark aufgewendet werden mussten.

In der Sitzung vom 7. März 1931 stellte Maria Quatuor ihr Amt als Vorsitzende zur Verfügung. Zur Nachfolgerin wurde Frau Hedwig Purin gewählt, die das Vereinsschiff bis 1936 lenkte.
Danach wird in den Protokollen Käthe Messingfeld als 1. Vorsitzende genannt. Mittlerweile hatte sich der Nationalsozialismus auch der Vereine bemächtigt. So wurden Protokolle wie selbstverständlich mit „Heil Hitler!“ oder „Sieg Heil!“ beendet. Schließlich durfte der Frauenbund nur noch als „Geselligkeitsverein“ firmieren, was aber auch sein Gutes hatte. Immerhin funktionierte auf dieser Basis bestens die Allianz mit dem „von oben“ bereits aufgelösten Bruderverein „Rote Erde“, konnten sich deren Mitglieder doch bei den geselligen Veranstaltungen des Frauenbunds unauffällig treffen und sozusagen „im Untergrund“ weiterarbeiten.

Nach dem Untergang des „Dritten Reiches“ normalisierte sich das Vereinsleben relativ schnell, im Untertitel bezeichnete sich die „Germania“ jetzt als „Geselligkeitsverein für Schausteller, Markt- und Meßreisende Frauen.“
Bereits 1949 wurde wieder ein Herbstfest gefeiert, bei dem aus Anlass des 40jährigen Beste-hens eine neue „Germania“- Fahne geweiht wurde.
In der Folge kompensierten zahlreiche Vergnügungsfahrten und Feste die Entbehrungen der Kriegsjahre. 1. Vorsitzende war erneut Maria Quatuor, der in den „goldenen“ 1950-er Jahren unter anderen Luise Einig, Hilde Arens, Wilma Stahlschmidt und Gerda Wendler zur Seite standen.

Das lang ersehnte „Große Karnevals-Kostüm-Fest“ des Jahres 1952 lief unter der Devise „Heute geh’n wir erst morgen ins Bett“, ein Motto, der sich fast alle Gäste „beugten“. Immerhin hatte der Wirt des „Uhlandhofes“ redlich Mühe, am frühen Morgen „Feierabend“ zu bieten.
Während in den Wirtschaftswunderjahren die sozialen Aufgaben deutlich in den Hintergrund traten, wurden die gesellschaftlichen Komponenten des Vereins mehr und mehr betont. Bis heute beliebt sind die „Fahrten ins insbesondere die Ausflüge mit entfernten Zielen.

Im März 1960 verabschiedet Quatuor endgültig aus der aktiven Vorstandsarbeit. Während sie zur Ehrenvorsitzenden ernannt wurde, trat Luise Isken ihre Nachfolge an.

Vier Jahre später — im März 1964 — übernahm Hilde Arens für sechs Jahre dieses Amt. Sie wurde von gestandenen „Germania“-Frauen wie Christel Hornig als 2. Vorsitzenden, Wilma Stahlschmidt Schriftführerin und Gertrud Wendler als Kassiererin unterstützt.
Lotte Dausel, Leni Hornig und Irmgard Michaelis vertraten bei zahlreichen Anlässen aller Art die Farben des Frauenbundes. Auf den Versammlungen machten jeweils der mit kleinen Päckchen gefüllte „Krabbelsack“ und die Wohnwagen-Spardose“ die Runde. Dadurch konnte „so ganz nebenbei“ die Vereinskasse aufgebessert werden.

Am 19. November 1968 musste der Frauenbund von Gertrud Wendler Abschied nehmen, die nur 49 Jahre alt wurde. Sie hatte nicht nur zu den Aktivsten sondern als rheinische Frohnatur stets auch zu den lustigsten im Frauenbund gezählt.

Else Schäfer aus Schwerte wurde am 18. November 1970 neue 1. Vorsitzende, Stellvertreterin blieb weiterhin Christel Hornig, Schriftführerin wurde Anny Hartmann-Steufe und Kassiererin Ulla Vogler.
Am 5. und 6. Februar 1971 ging es zum ersten Mal über die Landesgrenzen — nach Brüssel. Alle Mitfahrenden waren restlos begeistert. Im Juli des gleichen Jahres führte zudem ein zweitägiger Ausflug nach Rüdesheim, wo unter anderem die Weinbrennerei Asbach besichtigt wurde.
Durch die Brüssel Tour auf den Geschmack gekommen, wurde für 1973 erstmals eine Flug-reise organisiert, die auf die Trauminsel der 1970-er Jahre, „Mallorca” führte.
In den Folgejahren rissen die Vergnügungstouren, die den Frauen nach Beendigung der harten Saison einige Tage der Ausspannung boten, nicht ab. Mal wurde Berlin, mal Straßburg, mal München, mal das Sauerland angesteuert. Auch an diversen Frauentagen der Verbände nahmen jeweils großen Abordnungen des Vereins teil.
Nach fast 15 Dienstjahren als 1. Vorsitzende trat Else Schäfer in den wohlverdienten Ruhestand. Als neue 1. Vorsitzende wurde Auguste („Hetta“) Wendler gewählt, Leni Hornig (2. Vorsitzende), Dagmar Heitmeier (1. Kassiererin), Erni Kleuser (2. Kassiererin), Ilse Wend-ler (1. Schriftführerin) und Käthchen Müller (2. Schriftführerin) füllten die weiteren Posten im verjüngten Vorstand aus. Fahnen „Offiziere“ blieben weiterhin Lotte Dausel, Leni Hornig und Elli Kurz.

Am 4. August 1986 wurde der inzwischen 78-jährigen Else Schäfer eine hohe Ehre zuteil. Der Verein „pro Ruhrgebiet“ verlieh ihr, als erstem Mitglied des Berufszweiges überhaupt, den Titel „Bürgerin des Ruhrgebietes“ — eine Ehrung für die Schausteller schlechthin, insbesondere aber für die Schaustellerfrauen. Im Jahr darauf gehörte Else Schäfer neben Ruhrbischof Hengsbach — ebenfalls „Bürger des Ruhrgebiets“ — zu den Gästen eines Empfangs zu Ehren des damaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker. Else Schäfer zur Presse: „Der bekäme in unseren Karussells jederzeit eine Freifahrt!“
Bei der internen Feier der „Roten Erde“ anlässlich ihres 90-sten Geburtstages Anfang 1987 gestalteten die Germania-Frauen nicht nur das Programm im Dortmunder Auerbachs Keller sondern engagierten sich auch beim Historischen Jahrmarkt vor der Reinoldi-Kirche.
Ebenfalls im Auerbachs Keller wurde am 29. Dezember 1989 unter der Regie von Hetta Wendler der eigene 80. Geburtstag gefeiert.

Am 6. Januar 1993 wurde die dritte nach historischem Vorbild gearbeitete „Germania“ Fahne ihrer Bestimmung übergeben. Sechs Jahre später, zum 90-jährigen Bestehen war die erste Vorsitzende so schwer erkrankt, dass Steilvertreterin Heidemarie Arens ihre Rolle übernehmen musste. Am 27. Juli 1999 verstarb „Hetta“ Wendler. In der darauffolgenden Generalversammlung wurde Heidemarie Arens als neue 1. Vorsitzende des traditionsreichen Vereins, dem heute rund 120 Mitglieder angehören, offiziell bestätigt. Ältestes Mitglied ist im 95. Lebensjahr Berta „Mausi“ Kleuser, die jüngsten in den Germania Reihen sind Lina Kossebau (17) und Alicia Arens (16).

© Der Komet 2010

Mit Genehmigung des Frauenbund Germania wurde dieser Text ins Archiv eingestellt. © Der Komet Festschrift zum Stiftungsfest 100 Jahre Rheinisch-Westfälischer Frauenbund Germania im Jahr 2009/10

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