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Courtois Nachruf

"Blues"gemalt von Jacques Courtois. Original im Besitz von Mark Schumburg. Foto ©Mark Schumburg

Das Herz eines großen Künstlers hat aufgehört zu schlagen

ein großer und in Deutschland unvergessener „Schaustellermaler“ ist am 1. Mai 2022 von uns gegangen.
Am 15. Mai 2018 erhielt ich die Ehre, als erste deutsche Kunsthistorikerin und gebürtige Schaustellerin den französischen Maler Jacques Courtois in seiner Wohnung in Paris aufzusuchen und ein dreistündiges Gespräch mit ihm zu führen.
Er war völlig überrascht und erfreut, in Deutschland noch nicht vergessen zu sein und sogar eine sogenannte „Fan-Gemeinde“ zu haben.

Der rüstige 82-jährige wirkte jugendlich aktiv und voller Tatendrang. Er lebte gemeinsam mit seiner Frau Marie-Claire in einem gemütlichen und sehr gepflegten Loft, in dem auch sein Atelier eingerichtet war.
Längst war ihm seine Schaffensperiode in den Jahren 1980-1993, in der er Aufträge für die Firma HUSS aus Deutschland ausgeführt hatte, in Vergessenheit geraten. Mit Anerkennung blätterte er gemeinsam mit seiner Frau in dem von mir mitgebrachten Buch: „Architektur und Dekorationen im Schaustellergewerbe“ und ganz schnell kamen die Erinnerungen.

1980 hatte er Karl von Winterfeld von der Firma HUSS kennengelernt. In dem kommenden Jahrzehnt malte er die Fassaden unzähliger Fahrgeschäfte des Herstellers HUSS. Die Panneaux der Rückwände waren ihm in sein Atelier angeliefert worden und bei Abholung erhielt er neue. Er selbst war nie in Deutschland gewesen und er hat die Auftrag gebenden Schausteller nie persönlich kennengelernt.
Besonders erfreulich ist, dass er diese Zeit in seiner Biografie in französischen Publikationen angegeben hat. Vor den Aufträgen aus Deutschland hatte er bereits viele Jahre Fassaden von Geschäften für französische Schausteller gemalt. Daneben arbeitete er immer künstlerisch.

Jacques Courtois wurde am 17. Mai 1936 in der Normandie geboren. Von Kindheit an waren Zeichnen und Malen seine Lieblingsbeschäftigung. Er bemalte Tische, Wände und Tapeten. Er zeichnete die Welt, die ihn umgab, Szenen des Alltags, Personen in Bewegung und vieles mehr. Seine Eltern rahmten viele seiner Kinderzeichnungen, bewahrten sie auf und erkannten schon früh sein Talent.
Im Alter von acht Jahren nahm Jacques Courtois seine ersten Stunden in Zeichnen und Malen bei einem Maler aus Rouen.
Als er 13 Jahre alt war, wurde Jacques an der „Académie des beaux-arts“ in Caen in der Normandie aufgenommen. Dort erhielt er bei Prof. Louis Garrido, der für seine Strenge bekannt war, Unterricht in Bildender Kunst.
Mit 18 Jahren machte Jacques Courtois in Caen sein Abitur. Nun wollte er nicht länger auf die finanzielle Unterstützung der Eltern angewiesen sein, sondern selbst Geld verdienen. Deshalb entschloss er sich, nach Brüssel zu gehen und dort am „Institut supérieur de peinture de Bruxelles“ eine Ausbildung als Werbedesigner und Dekorationsmaler zu machen.

In Brüssel studierte Courtois die Techniken von Faux-Bois/Holz- und Marmor-Imitationen, Grafik, das Handwerk der Goldverarbeitung mit Blattgold sowie die Herstellung und Gestaltung von dekorativen Werbe-Panneaux.
Begeistert von den neuen Techniken schloss er 1954 die Ausbildung in „decor painting“ mit einer Goldmedaille des Instituts Supérieurs de Bruxelles ab. Das damit verbundene Preisgeld ermöglichte ihm, nach Paris umzuziehen.
Als Gewinner der Goldmedaille fand er schnell eine Anstellung bei der Werbedesign-Firma „Publicdecor“. Neben Werbe- und Plakatmalereien wurden dort auch übergroße Kinofassaden entworfen und in fotorealistischer Manier gemalt.
In der Firma von „Publicdecor“ arbeiteten etwa 30 Angestellte. Ein Dutzend sehr talentierter Innenarchitekten, Grafikdesigner und Spezialisten für Dekorationen von Kinofassaden. Der Schwerpunkt lag vor allem in der Gestaltung von Kinofassaden.

Eines Tages, im Jahr 1958, erhielt die Werbewerkstatt den Auftrag eines französischen Schaustellers, dessen Geschäft (Schießbude/ shooting-range) zu bemalen. Der Auftrag konnte aus Zeitmangel nicht ausgeführt werden, denn vorrangig wurde an den Plakaten und Fassaden für Kinos gearbeitet, deren Programm fast wöchentlich wechselte. Der Schausteller wurde ungeduldig und verärgert. Courtois bot ihm an, die Fassade in seiner Freizeit an Wochenenden zu bemalen.
Jacques Courtois dachte schon länger daran, sich selbstständig zu machen. Nun kam ihm die Idee, sich auf „fairground-art“ zu spezialisieren.
Courtois besuchte die „fȇtes forain“ in Paris und Umgebung und knüpfte erste Kontakte. Er freundete sich schnell mit einigen Schaustellern an, besonders mit Magadur, einem bekannten und bei Kollegen geschätzten französischen Schausteller. Der bat ihn, auf die Fassade seiner Geisterbahn „un train fantome“ zu malen.
Jacques nahm eine Woche Urlaub und malte die Dekoration der Geisterbahn von Magadur in dessen Halle. Mehrere Freunde von Magadur besuchten ihn und sahen Jacques bei der Arbeit.
Sein Talent sprach sich bei den Schaustellern schnell herum und weitere Anfragen zum Malen folgten.
Im Jahre 1963 entschied sich Jacques Courtois mit Einverständnis seines Chefs, eine eigene Firma zu gründen. Er hatte jedoch kein eigenes Atelier, deshalb arrangierte er sich mit dem Schausteller, dessen Geisterbahn er bemalt hatte. Magadur, den seine Freunde „Maga“ nannten, vermietete ihm seine Halle in Montmagny, nördlich von Paris, da er sie selbst nur außerhalb der Saison im Winter nutzte.

Bereits 1960 hatte Jacques Courtois Marie-Claire, eine junge Lehrerin, geheiratet. Das Paar bekam 1964 eine Tochter und 1968 folgte ein Sohn. Beide Kinder wurden später klassische Musiker. Die Tochter spielt Geige und hat eine Professur als Geigenlehrerin. Der Sohn, Vincent, ist Komponist und Cellist. Seine Konzerte führten ihn auch gelegentlich nach Deutschland. Ein Enkel von Jacques und Marie-Claire studiert in Karlsruhe.

Bald nach der Gründung seiner eigenen Firma für Volksfest-Malerei wurde Jacques Courtois recht schnell erfolgreich.
Drei Jahre waren vergangen, in denen sich der Kundenkreis immer mehr erweitert hatte und die Fassaden größer geworden waren. Bald passten sie nicht mehr in die Halle. So wurden die Arbeiten auf dem Hof ausgeführt, was aber Probleme mit den Anwohnern brachte.
Es wurde schließlich unumgänglich, dass Jacques Courtois sich nach einem neuen Atelier umschaute. 1966 erwarb er ein Grundstück in der Rue Calais 19 in Montmagny und baute dort eine Halle von 35 Meter Länge mit einer Traufenhöhe von 7 Meter. Ab jetzt konnte Courtois, zur Freude seiner Auftraggeber, auch Fassaden von größeren Fahr- und Laufgeschäften bemalen.
Magadur besuchte ihn von Zeit zu Zeit, und Courtois nahm sich immer Zeit für ein Plauderstündchen. Courtois war, nach eigenen Angaben, Magadur „Maga“ zeitlebens dankbar. Mit seiner Hilfe hatte er so schnell in der Schaustellerwelt Fuß fassen können.
Damals machte ihn sein Ruf als „fairground-artist“ in der französischen „fairground-world“ berühmt und immer mehr Schausteller wollten ihre Geschäfte von ihm bemalt haben.
Courtois arbeitete unzählige Fassaden von Geisterbahnen, Schiffen, Rundfahr- und Laufgeschäften, Schießbuden und vieles mehr.
Die Fassaden von Geisterbahnen entwarf er besonders gerne. Es kam ihm darauf an, dass keine Horror-Fassaden entstanden. Auffallend ist, dass seine „Geister“ nie erschrecken, sondern zum Lachen animieren. Diese Idee verfolgte Courtois und sie wurde auch einige Male namengebend. Zum Beispiel beim „Palais du Rire — Palast des Lachens“.

Auch die französischen Schausteller, die ein Geschäft in Deutschland von HUSS aus Bremen erwerben wollten, z.B. einen Enterprise, Ranger oder Rainbow, wollten die rückwandigen Fassaden von Courtois gemalt haben. Courtois erzählte, dass sogar einige ihre HUSS-Geschäfte, die bereits in Deutschland gemalt worden waren, nach wenigen Saisons von ihm hatten neu bemalen lassen. ‚Re-dekorieren‘ nannte er dies. Dies wünschten auch die Firmen Hoffmann für ihren Ranger und die Firma De Fleur für ihren Rainbow. Später bemalte er auch die Rückwand des Break Dancers der Firma Kinzler, nachdem das Geschäft von der Firma Marc übernommen worden war.

Courtois verlieh allen seinen Arbeiten seinen eigenen Charakter, den er geschickt mit den individuellen Wünschen der Kunden zusammenbrachte. Er bevorzugte nicht nur den Fotorealismus, den er in den Entwürfen der Kinofassaden primär hatte anwenden müssen, sondern hatte die Gabe, jeden Stil der Kunst aufnehmen zu können und der Fassade seine eigene Handschrift zu verleihen.
Marguerite Hoffmann gefiel z.B. das Werk des Karikaturisten Kiraz. Courtois konzipierte deshalb Karikaturen für die Fassade ihres Spiegelkabinetts „Palais des Glaces“.
Auf die Rückwand der Go-Kart-Bahn von Jacques Fleur malte er auf dessen Wunsch Grand-Prix-Szenen in Anlehnung an Bernard Buffet, einen französischen Maler und Grafiker des Expressionismus.
Bei einem Besuch auf der Schobermesse in Luxemburg 2019 wurde die Verfasserin auf die Malerei im Innenraum einer Schießbude für Kinder der französischen Schaustellerfamilie Sully Malick aufmerksam, die ebenfalls von Courtois stammt.

1980 kaufte der französische Schausteller De Fleur ein Geschäft von der Firma HUSS aus Bremen/Deutschland. Fleur bestand darauf, dass Jacques Courtois die Dekoration seines Geschäftes malte. Der war inzwischen in Frankreich bei den Schaustellern zur Kultfigur geworden. So kam es zur Begegnung von Jacques Courtois und Karl von Winterfeld aus dem Hause HUSS. Zwischen den beiden entstand schnell „a very good friendly relation“, berichtete Frau Courtois.
Anfang der 1980er Jahre bat Karl von Winterfeld Jacques Courtois, nach Bremen zu kommen, um die Dekoration einiger Karussells zu malen. Für Courtois, der in Frankreich viel Arbeit hatte, kamen Arbeiten oder sogar ein Umzug nach Deutschland nicht in Frage. Also schickte HUSS ihm die Panneaux der Rückwände mit einer deutschen Speditionsfirma nach Paris.
Karl von Winterfeld war von den Arbeiten des französischen Künstlers beeindruckt und es begann der Transfer von länderübergreifenden Gesamtkunstwerken deutscher Architektur von Schaustellergeschäften und deren französischen Dekorationen. Es wurden jedes Jahr 12 Aufträge ausgeführt und transportiert.
Jacques Courtois hatte nie persönlichen Kontakt zu Huss-Kunden, ob deutsche, amerikanische, japanische oder andere.
Von 1983 bis 1993 sandte die Firma HUSS fortlaufend Dekorationselemente von Bremen nach Paris ins Atelier von Courtois.
Courtois bestätigte, dass HUSS über den gesamten Zeitraum ihrer Zusammenarbeit immer pünktlich die Aufträge bezahlt habe. Abgerechnet wurden die Arbeiten nach Quadratmetern. Der Preis ist ihm heute nicht mehr in Erinnerung, aber es gab nie Anlass zu Diskussionen.
Anfangs beschäftigte Courtois 10 Mitarbeiter. Bald aber genügten ihm zwei junge Künstler, Michel Orlinsky und Gérald Aussiette, die beide seine hohen Ansprüche erfüllten.

Beim Interview begann Courtois zu schwärmen und erzählte kleine Anekdoten aus jener Zeit. Sein erster Großauftrag für HUSS war die Bemalung eines Break Dance für die Firma Bufkens. Aber nach seinen Angaben malte er, wie bereits erwähnt, auch die Dekorationen von einem Ranger für den französischen Schausteller Hoffmann und einen Rainbow für De Fleur. De Fleur erwarb auch einen Condor, der von Courtois gemalt wurde.
Courtois glaubte, dass er etwa 15 Break Dance gemalt hatte. Laut der Recherche der Verfasserin müssen es wenigstens 19 gewesen sein.
Die einzige Vorgabe für seinen ersten Break Dance sei der Stil „Pop Art“ gewesen. Anders als bei den Aufträgen für französische Schausteller, die er neben den Arbeiten für HUSS weiter ausführte, gab es keine Gespräche zwischen Schaustellern und Maler.
Courtois berichtete, dass er damals in eine Buchhandlung gegangen sei und alles über Pop Art gekauft habe, was er habe finden können. Damals war die Darstellung mehr oder weniger bekleideten jungen Leuten nichts Ungewöhnliches. Courtois gefielen ganz besonders die Szenenfolge und den Farbverläufen der Pop Art-Künstler.
Für den ersten Auftrag fertigte Courtois drei Entwürfe und ließ wie gewünscht Szenen der Popkultur und amerikanische Skylines einfließen. Seine Entwürfe erinnerten in ihrer Form an Panoramen. Die Bildinhalte waren eine Zusammenstellung aus Elementen von Surrealismus, Pop Art und Street Art. Die einzelnen Szenen der Rückwandbemalung verschmolzen aufgrund fließender Farbverläufe zu einer Einheit, wie es auch in der klassischen Kunst bei James Rosenquist oder Neo Rauch zu sehen ist.

Karl von Winterfeld war begeistert – aber reduzierte den Auftrag auf zwei Entwürfe, die er bezahlen würde. Heiterkeit erfüllt Courtois bei der Erinnerung an diese Begegnung.
Es ist bekannt, dass HUSS meist fünf Geschäfte einer Serie produzierte. Courtois stand frei, Abwandlungen des abgesprochenen Entwurfs vorzunehmen. Sonderwünsche von Schaustellern für die Bemalung wurden einige Male von Winterfeld vorgetragen, waren jedoch nicht gängig.
Courtois erinnert sich, dass 1985/86 das Karussell Flipper in Planung gewesen sei. Er bekam keinerlei Vorlagen, sondern hatte völlig freie Hand für die Entwürfe.
Courtois thematisierte das Flipperspiel für die Bemalung auf der rückwandigen Fassade. Ins Zentrum stellte er einen Flipper-Automaten. Rechts flankierte eine junge Frau den Flipper. Obwohl eine gewisse Ähnlichkeit zu Marie-Claire vorhanden war, widersprachen die Eheleute Courtois sofort, dass sie Modell für die Darstellung der jungen leichtbekleideten Frau gestanden habe. Anstelle dessen, sei eine Fotografie die Vorlage gewesen. Aber Courtois erzählte, dass sein Sohn Vincent Modell für den jungen Mann auf der linken Seite gestanden habe. Courtois malte ihn mal mit Brille und mal ohne.

Dazu gibt es eine kleine Geschichte. Im Jahre 2017 besuchte Vincent Courtois mit Frau und Kinder New York. Als sie mit dem Zug an einem Fun Fair im Central Park vorbeifuhren, entdeckten sie aus dem fahrenden Zug den Flipper. Vincent erzählte seiner Familie, dass der Opa das Karussell bemalt hätte. Ganz glaubte die Familie das wohl nicht und hielt es eher für einen Scherz. Auf der Rückreise unterbrachen sie die Fahrt und Vincent Courtois ging mit seiner Familie in den Vergnügungspark zu dem Flipper. Die Überraschung war groß, als die Kinder ihren Vater in Lebensgröße auf dem Karussell entdeckten.
Dieser Flipper war der letzte der Baureihe Nr. 23. Er reiste seit 1998 in Schweden und seit 2016 in den USA. Jetziger Besitzer ist die S. J. Entertainment Company.

Als Courtois den Auftrag bekam das Karussell Magic zu malen, wurde ihm die Umsetzung des Themas Zirkus vorgegeben. Leider hatte er sich noch nie mit dieser Thematik beschäftigt. Da kam seiner Frau Marie-Claire der Einfall, dass sie als Lehrerin mit ihrer Schulklasse einen Ausflug in den gerade in Paris gastierenden Zirkus machen könne. Schnell wurde die Idee umgesetzt und Jacques Courtois fotografierte die ganze Szenerie und insbesondere die Reaktionen der kleinen Zuschauer.
Es gelang Courtois auf der dekorativen Rückwand des schönen Skelettbaus die Begeisterung, das Staunen, die Spannung auf den Gesichtern der Kinder genau im richtigen Augenblick einzufangen. Er erzählte mit Glanz in den Augen, dass es für ihn ein Quell der Glückseligkeit gewesen sei, dass es ihm gelang, den emotionalen Ausdruck der Kinder darzustellen.

Jacques Courtois malte bis 1993 mehr als 150 Schaustellergeschäfte. Eine Vielzahl für die Firma HUSS. Dazu gehörten Serien von den Türmen Condor oder Ikarus, Break Dance, Flipper, Magic. Colorado oder Top Spin, den Mega Dance der später zum Flic Flac umgebaut wurde, sowie weitere Flic Flacs.
Courtois verarbeitete jedes Jahr etwa 3.500 kg Farbe. Er arbeitete meist mit Pelikan Plakat-Lack und Britton-Farben für seine Plastiken.
Er malte in der Regel zwei Geschäfte im Monat. Ein Werkverzeichnis seiner Arbeiten an Schaustellergeschäften gibt es nicht.
Madame Courtois schrieb der Verfasserin schon vor ein paar Jahren, es sei nicht möglich, die Vielzahl der Arbeiten in Frankreich, in den europäischen Nachbarländern, in den USA und Japan aufzulisten. Überall in diese Länder lieferte HUSS Karussells, die von Jacques Courtois bemalt worden waren. Auch italienische Hersteller, wie Fabbri, sollen die Fassaden von Geschäften zu Courtois gebracht haben. Für den französischen Hersteller Reverchon malte er z.B. den Explorer und einige dodgems/Autoskooter. Courtois konnte sich an Namen der ganzen Hersteller nicht mehr erinnern.
Damals wie heute sind die Dekorationen von Schaustellergeschäften häufig von durchaus künstlerischer Qualität. Die Inhalte und Darstellungsweisen wurden meist dem Zeitgeist entsprechend gearbeitet. Immer und zu allen Zeiten wollen sie die Besucherinnen und Besucher erfreuen und nicht beleidigen.

Courtois festi decor
1996, im Jahr seinen 60sten Geburtstages, beschloss Courtois als fairground-artist in Rente zu gehen. Er wollte endlich Zeit für die Bildende Kunst haben.
Er übergab seinen Kundenstamm an seine Mitarbeiter Michel Orlinsky und Gérald Aussiette und vermietete ihnen sein Atelier in Montmagny. Die beiden waren von ihm in die fairground-art eingeführt worden und wussten, welche Verantwortung sie übernehmen würden.

Die neue Firma sollte zunächst Festi Decor genannt werden, aber weil der Name Courtois weit über die Grenzen Frankreichs bekannt war, war Courtois damit einverstanden, dass seine Nachfolger seinen Namen ihrem Firmennamen hinzufügen durften.
Übergangslos erfolgten die Aufträge von der Firma HUSS für das Atelier „Courtois Festi Decor“.
Courtois erzählte, dass er anfangs noch an einigen Fassaden mitgemalt habe. Er habe auch noch Entwürfe für neue Geschäfte, z.B. für den Booster, entworfen und sei weiterhin gern gesehener Gast im Atelier gewesen.

Als Jacques Courtois als „fairground artist“ in den Ruhestand gegangen war, hatte er endlich Zeit, freischaffend zu malen. Neben vielen anderen Genres malte Courtois immer wieder Karussells und Clowns. Seine Arbeiten wurden in Ausstellungen und in verschiedenen Galerien gezeigt und er wurde mit vielen Auszeichnungen geehrt.
Bis ins hohe Alter war Courtois sehr aktiv. Den Sommer verbrachte er meist mit seiner Frau in ihrem Haus am Fluss in der Bretagne. Dort gab er Zeichenkurse für junge Künstlerinnen und Künstler.

Im Jahre 2012 ging Michel Orlinsky in Rente und Gérald Aussiette wechselte, nun alleine, in ein kleineres Atelier. Während der Ferienzeit brach im Nachbarhaus der großen Halle von Courtois ein Feuer aus. Der Brand zerstörte das Haus der Nachbarin völlig und griff auch auf die Halle über. Feuer und Löscharbeiten vernichteten in dem ehemaligen Atelier alle Dokumente der Arbeiten von Courtois, die dort in fast 40 Jahren zusammengekommen und aufbewahrt worden waren.
Danach verkaufte Jacques Courtois das Grundstück an eine Autovermietung.
Gérald Aussiette arbeitet noch immer alleine unter dem Namen „Festi Decor“ für französische Schausteller. Bei einem Besuch der Verfasserin in seinem Atelier erzählte er, dass er nie vergessen habe, alles von Courtois gelernt zu haben und dankbar sei, dass er dessen Namen in Verbindung mit Festi Decor benutzen durfte. Beide Künstler standen bis zum Schluss in Kontakt.
Da alle Entwürfe, Kartons, Modelle oder Fotos der Arbeiten für HUSS und andere Firmen durch das Feuer vernichtet wurden, sind Jacques Courtois und seinen beiden Nachfolgern nur die Erinnerungen an diese Zeit geblieben.
Sie sind in dieser Form das erste Mal in deutscher Sprache niedergeschrieben.

In den vergangenen Jahren gab es, wie bereits beschrieben, eine Vielzahl von persönlichen Einzelausstellungen. Einige Gemälde von Jacques Courtois sind auch in permanenten Ausstellungen zu sehen.
Am 12. Februar 2019 eröffnete im Grand Palais in Paris die Ausstellung:
„Salon des artittés français“. Sie stand unter der Schirmherrschaft des Staatspräsidenten von Frankreich, Emmanuel Macron. In vier Salons stellten etwa 100 französische Künstler ihre Werke in eigens eingerichteten Kuben aus. Nachdem Jacques Courtois bereits 2018 einen Preis für sein Werk erhalten hatte, nahm er auch an dieser Ausstellung teil. Dies war eine großartige Würdigung seiner Kunst.

Während des Besuchs der Verfasserin in der Ausstellung traf sie den Künstler. Courtois freute sich sehr Besucher aus Deutschland zu begrüßen. Eine schwere Krankheit zeichnete sein Gesicht. Monsieur Courtois war jedoch zuversichtlich, dass er bald wieder fit sein würde und auch wieder malen könne.
An diesem Tag standen seine neuen Werke im Focus, die von unzähligen Besuchern bewundert wurden. Courtois thematisierte wie schon so oft in der Vergangenheit, angeregt durch seine beiden Kinder, die, wie bereits erwähnt, klassische Musiker sind, die Musik Aber auch ein Pferdekarussell durfte in der Ausstellung nicht fehlen, ein Sujet, von dem sich Jacques Courtois auch im Alter nicht trennen konnte.
Am 1. Mai 2022 starb Jacques Courtois. Auf seinen Wunsch hin wurde er eingeäschert und seine Urne liegt seit dem 9. Mai 2022 auf dem Friedhof Père Lachaise.

Er wird vielen Schaustellerinnen und Schausteller in Deutschland und in vielen Ländern der Welt sowie seiner deutschen Fangemeinde unvergessen bleiben.

Bei Durchsicht der unzähligen Fotos, der von Jacques Courtois bemalten Geschäften, fiel die Auswahl recht schwer. Allen Schaustellern sind die vielen schönen Fassaden bekannt, deshalb traf ich die Entscheidung den Schwerpunkt auf Karussell-Darstellungen zu legen. Viele Bilder werden erstmalig in Deutschland veröffentlicht und zeugen von Courtois unermüdlicher, bis an sein Lebensende anhaltenden, Leidenschaft für Volksfeste, Volksfestarchitektur und Pferdekarussells.

Wie immer ist dieser Beitrag im Kulturgut Volksfest-Archiv mit umfangreichem Bildmaterial auch digital zu finden: https://kulturgut-volksfest.de/enzyklopaedie/courtois/

© Margit Ramus

 

 

Fassaden von Jacques Courtois oder ab 1993 von Courtois festi decor:

 

Dazu Schaustellergeschäfte im Archiv Kulturgut Volksfest:

Break Dance 1
Break Dance 2
Break Dance 3

Die Biografie wurde von Jacques und Marie-Claire Korrektur gelesen. (Juni 2018) Einige Änderungen zur ersten Auflage wurden auf deren Wunsch vorgenommen.
Alle Fotos wurden mit schriftlicher Genehmigungen von Jacques Courtois sowie Mark Schumburg ins Archiv eingestellt.
Schriftverkehr der Verfasserin mit Frau Courtois im Jahre 2011.
Gespräch der Verfasserin mit Jacques Courtois in Paris am 15.05.2018.
Weedon, George; Ward, Richard: Fairground Art. London 1981. Neuaufl. 2003. S. 267.
Ramus 2013. S. 164ff.
Ausstellungskatalog: Jacques Courtois Au gré de mes rencontres. Paris 2014.

 

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