UNESCO Kulturerbe A - Z

Antrag zur Anerkennung der Volksfestkultur in Deutschland als immaterielles Kulturerbe der UNESCO

Aktueller Stand der Bemühungen zur Aufnahme in die Liste der Immateriellen Kulturgüter Deutschlands.

Seit 2019 bin ich eingebunden in die Bemühungen um die Anerkennung der Volksfestkultur in Deutschland als immaterielles UNESCO-Kulturerbe, denn die deutschen Volksfeste gehören zu den ältesten, immateriellen Kulturgütern in Europa. Sie sind älter als Oper- oder Schauspiel-Aufführungen, älter als Museen oder Sportveranstaltungen, älter als alles, was das heutige Freizeitangebot ausmacht. Volksfeste verbinden schon über ein Jahrtausend die Menschen. Sie haben Kriege, Epidemien und auch Corona überstanden.
In unserer schnelllebigen und unruhigen Zeit stärken sie das Heimatgefühl, stehen für Tradition und Brauchtum, fördern den kulturellen, länderübergreifen den Austausch und – was gerade in unserer Zeit so von Bedeutung ist – die Integration.

Anfang des Jahres 2022 veröffentlichte ich in der Fachzeitschrift DER Komet einen Beitrag über den im Mai 2021abgegebenen, überarbeiteten Antrag zur Aufnahme in die Liste der Immateriellen Kulturgüter Deutschlands.

Damals hieß es:

2022 Wir haben es noch nicht geschafft!

Wir hoffen, dass die „Volksfestkultur in Deutschland“ im nächsten Jahr von der UNESCO als immaterielles Kulturerbe anerkannt wird und in die Liste der UNESCO aufgenommen wird.

Diese Anerkennung wird das Bewusstsein stärken, dass die Volksfeste und Schaustellerinnen und Schausteller als deren Trägerinnen und Träger ein zu schützendes Kulturgut sind, und darauf sind wir bereits heute mächtig stolz.

Die Anerkennung als Kulturerbe wird die Verhandlungen des Deutschen Schaustellerbundes e.V. kurz DSB, und des Bundesverbands Deutscher Schausteller und Marktkaufleute e.V., kurz BSM genannt, um Festplatzbebauungen, örtliche Verlagerungen unserer Plätze, Lärmbeschwerden oder auch in Fragen des Klimaschutzes z.B. bei den traditionellen Großfeuerwerken sicherlich argumentativ erleichtern.

Aber was bedeutet eigentlich „Immaterielles Kulturerbe“?
Das bundesweite Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes ist eine Auswahl bedeutender, nicht materiell greifbarer Kulturgüter in der Bundesrepublik Deutschland.
„Immaterielles Kulturerbe“ werden lebendige Alltagskulturen oder auch kulturelle Ausdrucksformen genannt, wie z.B. Handwerkskünste, Bräuche und Feste, die sich durch ihre Praxis oder Anwendung in Vergangenheit, Gegenwart und naher Zukunft auszeichnen und von Generation zu Generation weitergegeben werden. Spezielles Wissen und besonderes Können vermitteln den Menschen darüber hinaus ein Gefühl von Zugehörigkeit zu einer Gruppe und deren Identität.

Im Jahre 2013 reichte der Deutsche Schaustellerbund e.V. eine Bewerbung zur Anerkennung der „gelebten Volksfestkultur in Deutschland“ als immaterielles Kulturerbe bei der UNESCO ein.
Begründet wurde der Antrag wie folgt:

„Mit der Aufnahme der gelebten deutschen Volksfestkultur in die „Repräsentative Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit“ will der DSB die lebendige Volksfestkultur aufrechterhalten. Die Anerkennung der Volksfeste als immaterielles Kulturerbe hilft Politik, Veranstaltern und Schaustellern, die vielen traditionsreichen Volksfeste hierzulande durch kulturpolitische Maßnahmen zu schützen und damit den Volksfesttourismus und die Wirtschaft in den Regionen zu fördern. Denn die Aufnahme kultureller Ausdrucksformen, Bräuche und Traditionen in die Liste des immateriellen Kulturerbes hält diese auch in Zukunft lebendig.“ (Punkt 10 in der Bewerbung von 2013)

Im Dezember 2014 kam die Absage der UNESCO, u.a. weil eine Aufnahme der gesamtdeutschen Volksfestkultur in Frage gestellt und der Einbezug aller Betreiber angezweifelt wurden und letztendlich das kommerzielle Interesse im Vordergrund zu stehen schien.

2017 hatten unsere französischen Schaustellerkollegen das Glück in ihr nationales Verzeichnis aufgenommen zu werden. In der Folge strebten sie die Aufnahme in das internationale Verzeichnis des UNESCO Weltkulturerbes an. 
Der Antrag musste von mindestens drei europäischen Ländern gemeinsam gestellt werden, die bereits im eigenen Land eine Anerkennung als immaterielles Kulturerbe erreicht hatten. Nur gab es zu diesem Zeitpunkt noch keine drei solche europäischen Länder, deshalb kontaktierte das französische Kultusministerium seine deutschen und luxemburgischen Kollegen.

Durch private Bekanntschaften trat Zeev Courarier als Vertreter des frz. Kulturministerium an die ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen Brigitte Aust und Andrea Stadler des Markt- und Schausteller Museums Essen heran und bat um Unterstützung. Da sie beide ihr Wissen um die Kultur der Schausteller durch und für ihre Tätigkeiten als Sammlerinnen und Museumsführerinnen erworben hatten, wurde ich als Mitglied des Trägervereins des Museums, Schaustellerin und promovierte Kunsthistorikerin, die das gemeinnützig digitale Kultur Volksfest-Archiv ins Leben gerufen hat und ständig ausbaut, um Mithilfe gebeten. Bereits im Mai 2018 wurden wir vom Kulturministerium nach Paris und zur Mitarbeit an der internationalen Bewerbung eingeladen.
Um am internationalen Antrag teilnehmen zu können, musste in Deutschland im Namen aller deutschen Schaustellerinnen und Schausteller ein zweiter Versuch zur Anerkennung gestartet werden. Frankreich würde dies zeitlich berücksichtigen, denn die Erarbeitung solcher Anträge ist sehr umfangreich.

DSB und BSM gaben mir als Gründerin des Kulturgut Volksfest-Archivs sofort ihre Zustimmung gemeinsam mit dem Markt- und Schausteller Museum Essen in Vertretung aller bundesweiten Schaustellerinnen und Schausteller einen neuen Antrag einzureichen.

Am 22.10.2019 war es nach eineinhalb Jahren soweit.
Der von Brigitte Aust, Andrea Stadler und mir gemeinsam verfasste Antrag zur Aufnahme mit dem Titel „Volksfestkultur in Deutschland und die Kunst der Schausteller“ wurde auf den Weg gebracht.

Oft war ich beim gemeinsamen Formulieren des Antrags an meine Grenzen gestoßen und auch verunsichert, ob meine wissenschaftlich fundierte und zugleich verständlich formulierende Art zu schreiben für einen Antrag an die UNESCO geeignet war. Aber schließlich war das Wichtigste – unabhängig davon, wer etwas geschrieben hatte – dass der Antrag angenommen werden würde. Bei der Abgabe waren wir zuversichtlich!

Am 19.03.2021 kam die Ernüchterung. Die Expertenkommission der UNESCO stellte unseren Antrag erst einmal zurück und gewährte eine Überarbeitung.
Die Kommission bemängelte die Angaben zur „differenzierten historisch-kritischen Reflektion der Geschichte und Entwicklung der Kulturform“, außerdem waren die geplanten „Erhaltungsmaßnahmen“ und die „lokale und regionale Identitätsstiftung“ nicht befriedigend dargestellt. Letztendlich war nicht ausreichend erläutert worden, wer die „Trägerinnen und Träger der Volksfestkultur“ sind.

Brigitte Aust hatte ihr Wissen zur Schaustellerkultur in Literatur und Film eingebracht und Andrea Stadler hatte sehr engagiert Unmengen an Sekundärliteratur gelesen und Meinungen von Volkskundlern, Sprachforschern, Historikern und Soziologen in den Antrag eingebaut. Studierte Leute, die unsere Vorfahren in Verbindung mit Sinti und Roma sahen, unsere sprachlichen Eigenarten aus dem Jenischen erklärten oder dem Besucher eines Festplatzes neben Unterhaltung und Vergnügen, auch individuelle Fantasien, Wunschvorstellungen und die Möglichkeit, körperliche Grenzerfahrungen spielerisch zu erproben, zusprachen.

Durch die Rückstellung unseres Antrags sah ich meine Befürchtungen bestätigt, dass die mehr von außen erfolgter und oft pseudowissenschaftlicher Beschreibung unserer Kulturform einer gelebten und lebendigen Darstellung der Volksfestkultur und der Schausteller sowie der geforderten Antragstellung durch die Trägerinnen und Träger dieser Kultur zu wenig entsprach.
Im Antrag waren die Emotionen und das Herzblut nicht deutlich geworden, womit Schausteller und ihre Familien dieses nicht leichte Gewerbe seit Jahrhunderten mit Lust und Liebe ausüben und an ihre Kinder weitergeben. Auch die Freude, die die Schaustellerfamilien in der Vergangenheit den Millionen Besuchern gemacht hatten und weiterhin machen wollen, fühlte man beim Lesen des Antrags nicht.

Es musste doch möglich sein, die Geschichte und Entwicklung der außergewöhnlichen Volksfestkultur in Deutschland sowie das Leben und Arbeiten von uns Schaustellern auf wissenschaftlich fundierte, aber gleichzeitig lebendige und natürliche Weise zu beschreiben und zu erzählen. Vielleicht sogar beim Lesen Lust auf einen Volksfestbummel zu bekommen.

Es war einen weiteren Versuch wert.
Zunächst bot sich an den Namen der Kulturform in „Volksfestkultur in Deutschland“ zu kürzen.

Bei der geografischen Lokalisierung fehlten Beispiele der großen traditionellen Volksfeste, die auch den Experten vielleicht nicht fremd sind und sogar subjektive Erinnerungen an fröhliche Stunden wecken würden.
In der Beschreibung der Kulturform erklärten nun die verschiedenen Ursprünge und regional unterschiedlichen Namen unserer Volksfeste die lokale und regionale Identitätsstiftung. Sie ergibt sich aus den vielen Traditionen der Festfolge, oft mit Festzug oder Fassanstich, die den Menschen einen Bezug zu besonderen Erinnerungen und fröhlichen Stunden im Kreis der Freunde, der Nachbarn oder der Familie ermöglichen.
Erwähnenswert war in Bezug zu den Kirchweihfesten, dass sich ganze Verwandtschaften zum Sonntagbraten mit anschließendem Besuch auf dem Festplatz trafen. Vom Schießen auf den Vogel während der Schützenfeste lohnte sich ebenfalls zu erzählen.
Auch die Erinnerung an den ersten Kuss auf der Raupe oder die geschossene Blume für die Herzdame machen das Bild eines Volksfestbesuches lebendig und zaubern meist ein Lächeln ins Gesicht der Menschen.
Interessant war auch darauf hinzuweisen, dass die Bauformen und Dekoration der Schaustellergeschäfte einen Vergleich zur klassischen Architektur und bildenden Kunst zuließen, dabei jedoch ihre eigene Ästhetik entwickelt hatten.
Auf die geniale Arbeit der Hersteller und der künstlerischen Leistung der Maler und Dekorateure unserer Schaustellergeschäfte musste aufmerksam gemacht werden. Herauszustellen war auch, dass Hersteller und Maler sich schon immer von der Kompetenz der Schausteller, ihrer Innovationsfähigkeit in Planung, Konstruktion und Dekoration beeinflussen ließen und gemeinsam großartige Attraktionen auf die Festplätze gebracht haben, um große und kleine Besucher zu begeistern.

Auch der Punkt „Differenzierte historisch-kritische Reflektion der Geschichte und Entwicklung der Kulturform“ wurde noch einmal überarbeitet.
Die Gesellschaft blickt nicht gerne auf Geschehnisse in der Vergangenheit zurück, wenn diese inzwischen unvorstellbar geworden sind. Als 1874 Carl Hagenbeck seine erste „Völkerschau“ eröffnete, strömten die Besucher in Massen hinein um fremde Wesen anzuschauen. Der Erfolg war so groß, dass Anfang des 20. Jahrhunderts auch einige Schaustellerunternehmer dies als neue Geschäftsidee entdeckte. Menschen anderer Kulturen, z.B. „Lippenneger“ „Kanaken der Südsee“ sowie „Liliputaner“ und „Riesenmenschen“, wurden ungeachtet des heutigen Verständnisses der Menschenwürde und der Humanität vielerorts zur Schau gestellt.
In Schießbuden wurde auch mit Gewehren auf Tier- oder Menschenköpfe, z.B. auch afrikanischer Herkunft, gezielt.
Ein weiteres Kapitel der kritischen Reflexion war die Zeit des Nationalsozialismus, als die Volksfeste mittels Fahneneinmärschen und Beflaggung der Festplätze zu Propagandazwecken genutzt wurden. Zeitzeugen hatten zwar erzählt, dass sich die Schausteller*innen so weit wie möglich aus der Politik herausgehalten hatten, aber ihre Arbeit nur hatten fortsetzen können, wenn sie sich den Auflagen bei der äußeren Gestaltung der Plätze und Geschäfte nicht widersetzten.
Ein jüngeres Beispiel ist die Zeit nach Kriegsende. In der ehemaligen DDR sollten die Volksfeste unter der SED-Diktatur zunächst verstaatlicht werden. Dies konnte abgewendet werden, aber unter dem Einfluss des sozialistischen Systems wurden nicht selten in der Bemalung der Schmuckdachkanten der Krieg und die Kriegsmaschinerie dargestellt.
Im Westen wurde auf den Fassaden von Schaustellergeschäften zwar kein Kriegs-Geschehen gemalt, aber der Kirchen- und Tiermaler Fritz Laube war durch Afrika gereist und hatte neben wunderschönen Natur- und Tierdarstellungen auch die Unterdrückung von „Eingeborenen“ in der Malerei einiger Schaustellergeschäften auf unkritische Weise festgehalten.

Vieles ist heute nicht mehr nachvollzieh- und vorstellbar und darf nie wieder geschehen. Malerei und Dekoration von Schaustellergeschäften sollen Freude und Wohlbefinden bei den Betrachtenden auslösen oder auf das Angebot aufmerksam machen.
Menschenrechte werden geachtet und alle Menschen, gleich welcher Herkunft, Religion, Weltanschauung etc. oder auch Menschen mit Behinderungen sind auf den Volksfesten herzlich willkommen. Sie können aktiv oder passiv an den Fahr- und Belustigungsgeschäften und an speziellen Angeboten teilnehmen.

Von der Expertenkommission wurde auch eine Überarbeitung der Darstellung der „Maßnahmen zur Erhaltung der Volksfestkultur in Deutschland“ aufgetragen.
Anstelle der Auflistung von Museen, temporären Ausstellungen, Sammlungen oder Arbeiten verschiedenster Hochschuldisziplinen sollte der Schwerpunkt auf die Maßnahmen gelegt werden, die Schaustellerinnen und Schausteller selbst zur Erhaltung der Volksfestkultur ergriffen haben.

Schon immer lag die Priorität für alle Schaustellerfamilien darin, die Vergangenheit und die Entwicklung des Schaustellergewerbes zu pflegen, lebendig zu halten und innerhalb der Familie immer wieder weiter zu erzählen und dies mit Bild- Ton- oder Videosaufnahmen zu ergänzen. Dies wird unterstützt und kontinuierlich fortgeführt in der im Jahre 1883 gegründeten ersten Fachzeitschrift der Schausteller „Der Komet“. Seit ihrer Gründung im Jahre 1996 hat sich auch die Zeitschrift „Kirmes– und Park Revue“ als zweite Fachzeitschrift etabliert.

Aber neben dem Aufbewahren setzen sich unsere Berufsorganisationen DSB und BSM als Repräsentanten aller Schausteller tagtäglich auf Landes-, Bundes- und Europäischer Ebene für die Erhaltung unserer großen und kleinen Volksfeste ein. Sie diskutieren wichtige Themen zur Verbesserung z.B. in Hinblick auf Klimaschutz und Nachhaltigkeit durch Mülltrennung, Einschränkung von Plastikverpackungen, Mehrweggeschirr, biologisch abbaubares Hydrauliköl, Grünen Strom und LED-Beleuchtung, Nutzung des Güternahverkehrs, Bio-Angebote usw.
Auch die teilweise seit dem 13. Jahrhundert bestehenden Schützenvereine werden von den Berufsverbänden und den Schaustellern bei der Wahrung ihres Vereinswesens zum Erhalt der zugehörigen Volksfeste unterstützt.
Nicht zu vergessen ist zudem der unermüdliche persönliche Einsatz der Schausteller um ihre traditionellen Plätze zu erhalten. Dazu gehören saubere, sichere und gepflegte Geschäfte und die Freundlichkeit z.B. beim Verkauf von kulinarischen Leckerbissen, steht ganz oben auf der Agenda.

Letztendlich richtet sich ein weiterer Fokus auf die Zukunft der jungen Schaustellerinnen und Schausteller und die stetige Verbesserung der schulischen und beruflichen Bildung der Schaustellerkinder und -jugendlichen. Dazu werden staatlich geförderte Programme wie „Schule Unterwegs“ und „BeKoSch – Berufliche Kompetenz für Schausteller“ genutzt.
Last not least sind alle am Volksfest Beteiligten durch moderne Medien wie Facebook, Internetseiten von Sammler*innen und Kirmesfreund*innen sowie die wissenschaftliche Enzyklopädie des digitalen Kulturgut-Volksfest-Archivs miteinander vernetzt.

Zum Schluss galt es in der Überarbeitung klarer zu erläutern, wer die Trägerinnen und Träger der Volksfestkultur sind.
Ohne Zweifel müssen wir Schaustellerinnen und Schausteller immer wieder darauf aufmerksam machen, dass die enorme Entwicklung der Schaustellerbranche unser Verdienst ist. Wir als Trägerinnen und Träger der Volksfestkultur sind stolz darauf, es geschafft zu haben, unseren Berufsstand von dem im Mittelalter diskriminierten, lange nicht durch bürgerliche Gesetze geschützten und von den Sakramenten der Kirche ausgeschlossenen „Fahrenden“ zum modernen mittelständischen Gewerbetreibenden zu entwickeln. Dies setzt voraus, dass fast alle Schausteller in einem oder mehreren der seit dem 19. Jahrhundert bestehenden Vereinen und Verbänden Mitglied sind, die heute auf Bundesebene in zwei Schausteller-Dachverbänden, dem DSB und BSM, organisiert sind.
Außerdem fühlt es sich gut an, dass wir Schaustellerinnen und Schausteller trotz der heutigen Schnelllebigkeit, der Globalisierung, der Digitalisierung und der Emanzipation der jungen Frauen noch immer am Leben und Arbeiten im Familienverband und an der Tradition und Wertigkeit der Familie festhalten.

Schaustellerfamilien stehen für Mobilität, Flexibilität und Improvisationskunst, die unsere Kinder schon früh als selbstverständlich annehmen. Die Kinder, die unsere Zukunft bedeuten, wachsen in der Familie auf und werden demzufolge bereits in jungen Jahren in vielerlei praktische Berufe eingeführt. Dadurch erleben sie unternehmerischen Wagemut sowie Verhandlungsgeschick der Eltern im Umgang mit Veranstaltern, Umweltschützern und Kommunen zur Erhaltung der Volksfestkultur. Später geben diese jungen Schausteller ihr Wissen, Können und ihre Erfahrungen wiederum an ihre Kinder weiter.
Die Mobilität als eine wichtige Kompetenz der Träger*innen der Volksfestkultur, konnte am Beispiel eines Platzwechsels, der spezielle Fähigkeiten erfordert, erklärt werden. Die Menschen haben kaum eine Vorstellung davon, was am Volksfestende passiert, wenn die unzähligen Lichter, die oft bis Mitternacht den Himmel erleuchten, erlöschen. Die Schausteller*innen bauen ihre Geschäfte in kurzer Zeit ab um sie zum nächsten Volksfest zu transportieren. Wenige Stunden nach Ende der Veranstaltung sind viele bereits in der nächsten Stadt angekommen, haben dort ihre Wagen der neuen Situation entsprechend platziert und ihr temporäres Zuhause gerichtet. Schon bald wird wieder aufgebaut – ein ganz normales Prozedere in der Welt der Schausteller*innen.

Interessant ist auch die Wohnsituation, denn Schausteller ziehen nicht mehr mit Pferd und Wagen durchs Land, sondern haben alle einen festen Wohnsitz, wohnen während der Saison meist in Wohnwagen und im Winter oft im eigenen Haus. Die Ausübung des Reisegewerbes nach § 55 Gewerbeordnung setzt zudem eine gewerbliche Niederlassung voraus.

Der Zusammenhalt der Schausteller konnte auch am christlichen Glauben gezeigt werden und dem Vertrauen auf Gott, der uns auf allen Wegen beschützen möge. Etwa 60.000 Schaustellerinnen und Schausteller werden von der katholischen oder evangelischen Schaustellerseelsorge betreut. Unsere Kinder werden oft unter dem Dach eines Autoskooters getauft oder erhalten dort die Erstkommunion oder die Konfirmation. Früher oder später werden alle von der Schaustellerseelsorge auf ihrer Reise zum letzten „Platz“ begleitet.

Am 10. Mai 2021 wurde der Antrag erneut eingereicht. Leider wurde er ein zweites Mal abgelehnt.

2023 wurde ein neuer Antrag gestellt

Die Hoffnung ist, dass alle guten Dinge oft drei Versuche benötigen, nun nach zwei Absagen  der dritte Antrag zur Aufnahme der deutschen Volksfestkultur in die Liste des immateriellen Kulturerbes, bei der nächsten Entscheidung der UNESCO Zustimmung finden wird.
Er wurde im Namen von DSB, BSM und der „Kulturgut Volksfest gUG“ im Oktober 2023 eingereicht.

Die Entscheidung soll im März 2025 fallen.

© Margit Ramus

Hier geht es zum Antrag aus dem Jahre 2013 vom DSB:
Gelebte Volksfestkultur in Deutschland Bewerbung als immaterielles Kulturerbe bei der UNESCO

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