Historische Schaustellergeschäfte A - Z

1907 Toboggan

Toboggan der Firma Fischer. Foto Düsseldorf 2010 © Mark Schumburg
Name(n) des Geschäftes Toboggan
Typologische Bauaufgabe Hochgeschäft
Bauform Skelettbau
Baujahr 1907
Hersteller Franz Anton Bausch
Bauherr / Inhaber Bausch > William Fischer
Baugeschichte

Die hier vorgestellte Turmrutschbahn, Toboggan genannt, wurde nach Angaben der Familie Bausch von dem Badener Schausteller Franz Anton Bausch, mit ortsansässigen Zimmerleuten seiner Heimatstadt, nach einem amerikanischen Vorbild gebaut. Er hatte die Riesen-Rutsche auf einer Ausstellung in Paris gesehen.
1908 folgten die Herstellerfirmen Hugo Haase, Friedrich Heyn und vor 1913 auch Fritz Bothmann.

Der Toboggan wurde vom Publikum sofort mit großer Begeisterung angenommen. Es amüsierten sich nicht nur die aktiven Besucher bei mehr oder weniger geschickten Versuchen, den Turm über ein Laufband zu erreichen, sondern auch die Menschen, die dem lustigen Spektakel des Runterrutschens zuschauten.

Auf dem Oktoberfest 1908 sollen bereits drei Turmrutschbahnen zugelassen worden sein. Auch die Firma Osselmann aus Düsseldorf erwarb eine dieser Rutschbahnen. Sie entschieden sich jedoch für den amerikanischen Namen Cakewalk. Ein anderer Inhaber nannte die Rutsche Shimmy-Bahn.

Nebenstehende Abbildung wurde von Mark Schumburg 2007 in einer Ausstellung fotografiert.

Cakewalk der Firma Osselmann.

Baubeschreibung

Der hölzerne Skelettbau besteht aus einem offenen, 24 Meter hohen Turm, einer Ein- und Ausgangsebene und einem schrägen Aufgang, der in den Turm führt.

Wenn der Besucher die Einstiegsplattform passiert hat, gelangt er über ein überdachtes Förderband zur halben Höhe eines Turms. Für nicht so Mutige ist auch ein Laufgang mit Stolperleisten vorhanden. Die Spitze des Turms erreicht man über eine Treppe.

Wieder hinunter kommt man über eine spiralförmige Rutschbahn. Die gesamte Länge der Rutschbahn beträgt 52 Meter. Wen in letzter Minute Zweifel erfassten, konnte natürlich auch wieder über die Treppen und den Laufgang nach unten gelangen.

Dekoration

An den Möglichkeiten zur Dekoration wurde im Laufe der 110 Jahre, seit dem Bau dieses ersten deutschen Toboggans kaum etwas geändert.

Ein Treppenaufgang führt in den Eingangsbereich. Ein Portikus, das heißt, ein kleiner Vorbau mit Walmdach, gedeckt mit rot-weiß gestreifter Plane, wird von vier marmorierten Pfeilern getragen und als Überdachung der Einstiegsebene genutzt. Darüber ist heute der Name der Rutschbahn Toboggan in Leuchtbuchstaben aufgesetzt. Damals war in diesem Bereich auch die Kasse untergebracht und der Name des Inhabers Bausch war dort zu lesen.
Auch der Aufgang ist mit einer Plane vor Regen geschützt. Der Turm ist nicht mehr mit einem Walmdach überdacht, sondern nach oben geöffnet und mit zackenartig formatierten Lichtleisten betont.
Lichterketten schmücken den Aufgang. Die senkrechten Stützen des Turms sind mit Lichtleisten akzentuiert.
Die farbliche Gestaltung ist in den Farben Rot, Weiß und Blau gehalten.

Der Sockel ist von bemalten Panneaux verschlossen. Eine Kasse ist dem Bau, direkt neben der Treppe zur Eingangsebene vorgesetzt. Daneben ist ein kleiner Photoshop platziert. Auf einem großen Panneaux ist zu lesen:

Europas höchste reisende Rutschbahn. Erbaut 1907

Provenienz und Verbleib

Anfang der 1970er Jahre verkaufte Hans Bausch den Toboggan an die Firma William Fischer aus Duisburg.
Erfreulicherweise ist der Verbleib der Original 36er Ruth Konzertorgel der Firma Bausch / Kleuser von Cornelia Müller-Baer berichtet worden. Die Orgel ist Ende 2017 in die Schweiz verkauft worden. Neue Besitzer sind das Schausteller-Ehepaar Peter Baer und seine Frau Cornelia Müller-Baer. Sie führen ein privates Chilbi-und Orgelmuseum. Nachahmenswert ist die Erhaltung und die Besichtigung der alten Karussellorgel in einem Museum, als besondere Wertschätzung unseres Kulturguts.

Gegenwärtig ist der Toboggan noch weitgehend im Originalzustand erhalten. Die Anlage ist beim Publikum noch immer recht beliebt und war bisher auf vielen großen Volksfestplätzen anzutreffen. Leider wurde sie in diesem Jahr 2017 eingestellt. William Fischer begründet die Einstellung mit fehlendem Personal.

Schade, wenn die alten Geschäfte aus diesem Grund von den Volksfestplätzen wegbleiben müssen.

Neben der Bildgalerie konnte mit großer Freude auch ein Vertrag für das Nürnberger Volksfest, datiert auf den 22. Dezember 1910, mit Genehmigung des Süddeutscher Verband reisender Schausteller und Handelsleute e.V. Sitz Nürnberg, eingestellt werden.
Erstaunlich ist die Höhe des Standgeldes von 1000,00 Mark in der damaligen Zeit. Außerdem ist auch der § 6 interessant.

Vertrag für den Toboggan der Familie Bausch auf dem Volksfest Nürnberg 1911

 © Margit Ramus 

Katalog der Jubiläumsausstellung Münchner Stadtmuseum. Das Oktoberfest, 1985, S. 353.
Gespräch der Verfasserin mit der Familie Bausch in München im September 2003.
PDF Datei: Süddeutscher Verband reisender Schausteller und Handelsleute e.V. Sitz Nürnberg

5 Beiträge zu “1907 Toboggan

  1. >Hergen Noelscher

    Schon in meiner Kindheit, ich bin 1950 geboren, war der „Holzwurmtempel“ auf dem Roonkarker Mart die Sensation. Während meiner Schulzeit gab es ständig über irgendwelche Begebenheiten zu berichten. Am interessantesten war es, wenn Menschen von der Dorfprominenz aufgrund ihrer Körperfülle in der Kehre steckenblieben.

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  2. Müller Cornelia

    Die 36er Ruth Toboggan – Konzertorgel Bausch / Kleuser / ist Ende 2017 in die Schweiz verkauft worden. Neue Besitzer sind das Schausteller-Ehepaar Peter Baer und seine Frau Cornelia Müller-Baer. Sie führen ein privates Chilbi-und Orgelmuseum. Den Schaustellerbetrieb gibt es seit 1881. Auf Facebook unter Müllers Orgelmuseum zu finden.
    Freundliche Grüsse aus der Schweiz

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    1. Margit Ramus Beitragsautor

      Es freut mich, dass auch Schweizer Schausteller das digitale Schausteller-Archiv besuchen. Danke für die Information. Es wäre schön, wenn Sie mir ein Foto der Orgel zur Verfügung stellen würden.
      Freundliche Grüße aus Köln Margit Ramus

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  3. roland wolf

    Bei Bausch stand eine 36er Ruth Orgel im Geschäft. Sie ist heute bei Kleuser Dortmund.
    Bei Fischer eine Wilhelm Bruder Söhne Orgel, beide aus Waldkirch. heute bei einem Sammler im westfälischen Petershagen.

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